Die rote Holsteinkuh kommt immer stärker unter Druck gegenüber ihrer schwarzen Kollegin. Jahr für Jahr werden weniger Red-Holstein-Tiere im Herdebuch verzeichnet. Am Stichtag waren noch 81 034 weibliche RH-Herdebuchtiere registriert. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 4060 Stück weniger. Dieser Trend ist nicht neu: Schon im Jahr zuvor, 2019, musste die Red-Holstein-Rasse ein Minus von 5155 Tieren in Kauf nehmen. «Wir gehen davon aus, dass sich längerfristig ein gewisses Gleichgewicht einspielen wird und damit der Trend zu Holstein abflacht», ist Matthias Schelling, Direktor von Swissherdbook, überzeugt. Dies hänge aber auch davon ab, wohin sich die politischen Rahmenbedingungen bewegen werden. «Ganz abgesehen von den extremen Initiativen, die nächstens zur Abstimmung kommen, sehen wir in den nächsten Jahren zum Beispiel mit der vorgesehenen Begrenzung der Rohproteinzufuhr sehr grosse Herausforderungen», hält er fest.
Ein Teil der Rasse
«Die Red Holstein werden immer ein Teil der Holsteinrasse sein», sagt Matthias Schelling. Beide Farbvarianten ergänzten sich und ohne den regen Austausch könne das RH-Programm gegen das weltweit enorm grosse Holstein-Angebot nicht bestehen. «Selbstverständlich muss in einem im internationalen Vergleich zahlenmässig eher kleineren Programm umso sorgfältiger gearbeitet werden, um immer ein attraktives Angebot anbieten zu können», ist der Direktor überzeugt. Die Erfolge der letzten Jahre hätten zudem gezeigt, dass sich die Schweiz mit ihren RH-Kühen international durchaus messen könne. Dass die rote Farbe weiter an Terrain verliert, hänge auch damit zusammen, dass viele Betriebe auf das ganze Holstein-Spektrum setzten, ohne dabei besonders auf Farbe zu achten. «Zusammen mit der genetisch bedingten Tatsache, dass der Grossteil der Nachkommen aus Paarungen Red Holstein × Holstein die schwarze Farbe weitertragen, darf die Zunahme bei den Holstein nicht erstaunen», hält Schelling fest.
Ein deutlicher Trend
Bei Swissgenetics, dem grössten Genetikanbieter der Schweiz, sieht man bei den RH-Besamungen folgenden Trend: «Seit Anfang des Geschäftsjahres 20/ 21 (1. Juli 2020 bis Mitte Mai 2021) verkauften wir zirka 8 % weniger Samendosen von RH-Stieren als im gleichen Zeitraum im Vorjahr», hält René Bucher von Swissgenetics fest. Interessant sei die Tatsache, dass man in dieser Periode von den Rotfaktorstieren fast 8000 Samendosen mehr verkaufen konnte als im Vorjahr.
Auch das ist nicht neu: «In den letzten fünf Geschäftsjahren haben bei uns die verkauften Samendosen von RH-Stieren um knapp 20 % abgenommen», bedauert René Bucher. Die Auswahl der verkauften RH-Stiere habe sich in den letzten Jahren sicher zugunsten der Genomstiere verändert: So gäbe es im Verhältnis im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis jetzt zu zwei Drittel genomische Jungstiere, ein Drittel seien nachzuchtgeprüfte Stiere. «Am stärksten nachgefragt werden bei Red Holstein die Stiere Power, Amnesty, Leno, Airolo und Swingman», hält Bucher fest. Auch im aktuellen Geschäftsjahr wurden diese Stiere zusammen mit Alo-York am stärksten nachgefragt. Hingegen waren im vergangenen Geschäftsjahr die Stiere Airolo, Red Impulse, Jackpot, Arland SG und Agent die Renner.
Auch andere Rassen betroffen
Obwohl der RH-Bestand weiter zurückgeht, konnte Swissherdbook, laut dem aktuellen Geschäftsbericht, den gesamten weiblichen Herdebuchbestand von 228 964 (–1850 Tieren) recht gut halten. «Das vergangene Jahr kann sicher nur schwer mit den anderen Jahren verglichen werden», so Matthias Schelling. Erfreulich sei, dass sich der Rückgang der Herdebuchzahlen seit einiger Zeit abflache. Aber nicht nur die RH-Rasse musste einen Rückgang in Kauf nehmen: Auch das Swiss Fleckvieh verlor im neusten Geschäftsjahr 379 weibliche Herdebuchtiere (jetzt noch 64 651 Stück) wie auch die Simmentaler mit –259 Tieren (neu 23 102 Stück). Hingegen haben die Holstein mit +2666 Stück zugenommen (neu 47 425) und auch die Rasse Montbéliarde durfte ein Plus von 278 Stück (jetzt 10 742 Herdebuchtiere) verbuchen.
2020 war ein besonderes Jahr
Für Swissherdbook bleibe das 2020 sowieso als besonderes Jahr in Erinnerung. «Zum ersten Mal in der Geschichte der integralen Milchkontrolle wurden während rund anderthalb Monaten keine Milchleistungsprüfungen (MLP) durchgeführt; auch die lineare Beschreibung und Einstufung sowie die Melkbarkeitsprüfung blieben eingestellt», sagt Matthias Schelling. In enger Zusammenarbeit mit den anderen Zuchtorganisationen und den Tochterfirmen gelang es, innert knapp eines Monats die ganze Organisation und Logistik auf Selbstkontrolle (B-Kontrolle) umzustellen. «Trotz der in jeder Hinsicht ausserordentlichen Umstände konnte der Betrieb dank des sehr grossen Einsatzes aller Beteiligten im Rahmen des Erlaubten stets sichergestellt werden», freut sich der Direktor.