Sie wurde im Dezember 20 Jahre alt und sie hat im Dezember die 135'000er-Milchmarke überschritten. Die Rede ist von der einzigartigen Simmentalerkuh Lorenz Viola der Familie Hirschi aus Rüschegg Gambach BE. Viola hat jetzt eine aktuelle Lebensleistung von 135'316 kg Milch mit 4,24 % Fett und 3,23 % Eiweiss und ist damit erst die dritte Simmentalerkuh, die eine solche Leistung erbringen konnte. «Es ist schon was Besonderes für uns, eine solche Kuh im Stall zu haben», sagt Marcel Hirschi anerkennend. Er, der sich der Reinzucht verschrieben hat, weiss, wie viel es braucht, um solch ein Ereignis feiern zu dürfen. Es braucht nicht nur Glück, sondern auch eine gute Pflege und eine Kuh, die robust und widerstandsfähig genug ist, um solch eine Leistung zu erbringen.
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Frisch geschoren
Auf 1000 m ü. M. bewirtschaften Marcel und Manuela Hirschi zusammen mit ihren Kindern Manuel und Lorena einen 25 ha grossen Milchwirtschaftsbetrieb. Ein einzigartiges Panorama trifft man hier oben an. Schaut man gegen Osten, thronen der Hohgant und die Schrattenfluh. Gegenüber des Betriebs hat man einen herrlichen Blick auf die Nordseite des Gurnigel-Gebiets. Im Anbindestall auf zwei Lägern stehen 28 Kühe, fast alles reine Simmentaler, nur eine Holsteinkuh steht noch im Stall. «Warum nicht?», lacht Marcel Hirschi. «Die Holsteinkuh gehört Lorena», sagt er. Und noch eines fällt auf: Alle Kühe sind frisch geschoren. «Ich dachte, wenn schon jemand von der BauernZeitung kommt, scheren wir sie, das macht einen besseren Eindruck», sagt Hirschi bescheiden.
Mitten im Stall steht sie also, ihre Lorenz Viola. Stolz und ehrwürdig ist sie gemütlich am Wiederkäuen. Ihre schön geformten Hörner sind immer noch am richtigen Ort, hochgeschwungen zeigen sie nach oben.
Unglaubliche Fruchtbarkeit
Viola hat 2023 das letzte Mal abgekalbt, 18 Kälber hat sie insgesamt auf die Welt gebracht. Natürlich ist sie mit 55 55 98 punktiert und mit EX-91 beschrieben. «Sie hat eine unglaubliche Fruchtbarkeit und brauchte nur einmal zwei Besamungen, um trächtig zu werden», so der Betriebsleiter. Ein Grossteil der Tiere im Stall hat Viola-Blut und man konnte im Jahr 2022 auch eine A-Zuchtfamilie von ihr präsentieren. Zudem wurde ihr Schützling von Swissherdbook schon mit einer «Goldmedaille» und einer Auszeichnung für ihre 125 000 kg Milch geehrt. «Obwohl Viola im Typ immer noch tadellos dasteht, sind es doch die Beine, die nicht mehr recht wollen», sagt Manuela Hirschi. Man werde ihren Schützling noch so lange behalten, wie es geht. «Wenn wir sehen, dass sie Schmerzen hat und nur noch leidet, werden wir sie zu Hause gehen lassen», so der Landwirt. Das sei man ihr schuldig, und man wolle ihr so die Fahrt zum Schlachthaus ersparen.
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Wenn der Preis stimmt
Beim Stallrundgang wird klar, warum die Familie Hirschi auf die Reinzucht setzt. Mehr als eine maximalpunktierte Kuh steht im Stall, mehr als eine Schönheit sorgte an einer Ausstellung schon für Furore. «Wenn der Preis stimmt, verkaufe ich fast jede Kuh», so der Betriebsleiter. So hat der Betrieb 2008 auch die Erstlingskuh Fino Bionda verkauft. Ein Jahr später holte diese Kuh für den neuen Besitzer den Miss-Titel an der Swiss Expo in Lausanne sowie den Miss-Titel an der Tier & Technik in St. Gallen. Aber nicht immer setzte die Familie Hirschi auf die Reinzucht. «Mein Vater hatte seinerzeit auf die Red-Holstein-Stiere Heli, Caveman oder Pickel gesetzt», weiss Marcel Hirschi noch. Leider gab es damals keine Kuhkälber und die Simmentalerkuh setzte sich nach und nach im Stall durch. «Ich bin sicher den anderen Rassen nicht abgeneigt, doch wir können sagen, dass die reine Kuh perfekt auf unseren Betrieb passt», so der Landwirt. Er wolle vor allem eine grosse Kuh mit viel Format, einem gesunden Fundament und einem guten Euter. «Kleine Simmentalerkühe mit wenig Milch sind nichts für mich», so der Betriebsleiter.
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Bestimmte Stiere
So habe er schon früh auf die Genetik aus der Zucht von Gilbert Christen aus Yverdon VD gesetzt. «Der hatte immer einen Schlag von Kuh, der mir gefiel», so Hirschi. So kamen bei ihm auch Stiere wie Fino, Alexandre und Colin zum Einsatz. Zurzeit werden auf dem Betrieb die Stiere Armando, Mauro, Unetto und der selbst gezüchtete Viola-Stier Senn Valencio eingesetzt. «Was ich nie einsetzen werde, sind die genetisch hornlosen Code-70-Simmentalerstiere, welche aus deutschen Stierenvätern abstammen», sagt Marcel Hirschi bestimmt. Er findet es schade, dass man die Simmentalerkuh so missbraucht, nur um das hornlose Gen in die Rasse einzubringen.
Die Simmentalerkühe von Hirschis haben noch Hörner, und was für welche: Der Hornpflege wird viel Beachtung geschenkt, die Hornführer nur bei Mondaufgang montiert. «Der Handel verlangt leider immer öfter hornlose Tiere, darum bin ich nicht abgeneigt, eines Tages unsere Kälber auch zu enthornen», so der Betriebsleiter.
Ein Höhepunkt
Der Bergbauernbetrieb im Gantrischgebiet ist ein richtiger Familienbetrieb. Alle helfen mit, alle sind im Stall anzutreffen. Ein grosser Höhepunkt im Jahr ist die Beständeschau in Rüschegg. Da nehmen Hirschis jede Kuh mit, die laufen kann. «Das Züglen ist für uns der Höhepunkt, dann werden die Kühe mit Treicheln und Blumen geschmückt», so der einhellige Tenor. Im Herbst 2022 war auch noch ihre Viola dabei und holte in der Klasse 8 den ersten Rang. «Ob sie diesen Herbst noch bei uns ist, können wir nicht sagen», so die Familie Hirschi. Auf jeden Fall hinterlässt die 20-jährige Ausnahmekuh dann eine grosse Lücke im Stall.
Betriebsspiegel
Marcel und Manuela Hirschi mit den Kindern Manuel und Lorena
Ort: Rüschegg Gambach BE, 1000 m ü. M., Bergzone II
LN: 25 ha
Tierbestand: 28 Kühe und 30 Stück Jungvieh plus 45 Legehennen. Die Milch wird ¾ zu Le-Gruyère-Käse verarbeitet und ¼ an die Cremo geliefert.