Trotz des bewölkten Abendhimmels und wiederkehrender Regenschauer ist es hell und luftig im Stall der Betriebszweigsgemeinschaft (BZG) Aeberhardt/ Savary im bernischen Kirchberg. Die 60 Holstein- und Red-Holsteinkühe bedienen sich am Futtertisch, ruhen auf den Lägern im Stroh oder gehen zum Melkroboter, der am Tag der offenen Stalltüren ein wahrer Publikumsmagnet ist. «Die Tiere wählen ihre Aktivitäten selbstbestimmt. Das gefällt mir», meint Vanessa Aeberhardt. Von Anfang an habe in der Herde eine extreme Ruhe geherrscht. Der Neubau ist auf Tierwohl, Nachhaltigkeit und Effizienz ausgelegt, die zugehörige Biogasanlage erschliesst den BZG-Partnern ausserdem eine neue Einkommensquelle.
Viel Platz für die Kühe
«Wir wollten grosszügig bauen im Sinn der Platzverhältnisse», gibt Vanessa Aeberhardt Auskunft. Das hohe Dach des Laufstalls wird von Holzbalken getragen, ein Grossteil des Materials stammt aus dem eigenen Wald. Auf den Lägern stören keine Stangen im Kopfbereich die Schwungbewegung beim Aufstehen, auf den breiten Gängen ist viel Platz zum Ausweichen – auch dem Entmistungsroboter, der regelmässig seine Runden dreht. Zusammen mit dem Melkroboter und einem automatischen Futterzuschieber verschafft er den Landwirten mehr Flexibilität. «Heute kann eine Person in derselben Zeit zu 60 Kühen schauen, wie wir im früheren Anbindestall für 24 Tiere brauchten», schildert die Kirchbergerin.
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Synergien nutzen dank der BZG
Die beiden Bauernfamilien haben für den neuen Stall zusammengespannt, denn de BZG ermöglicht beiden, auf für sie passende Art weiter zu wirtschaften. Leona und Philippe Savary betreuen auf ihrem Betrieb in Wynigen das Jungvieh und können in Zusammenarbeit mit den Kirchbergern Synergien nutzen. Samuel und Vanessa Aeberhardt standen vor der Wahl, dass entweder der Meisterlandwirt einen Nebenverdienst sucht oder in eine rentablere Produktion zu investieren. Letzteres ist mit der Zusammenlegung ihrer Herde mit jener der Savarys und dem voll automatisierten Neubau gelungen. Ausserdem wisse man genau, wo und wie das Jungvieh aufwächst, nennt Vanessa Aeberhardt einen weiteren Vorteil. «Wir teilen uns den Aufwand für die Betreuung des Milchviehs, zudem hilft unsere Angestellte Karin Locher unter der Woche in Kirchberg», fügt sie hinzu.
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Der alte Stall war nicht mehr konform
Der Gedanke, einen neuen Stall zu bauen, ist gut gereift. Den Startschuss für die Überlegungen gaben neue Tierschutzvorschriften, denen der alte Anbindestall der langjährigen Red-Holstein-Züchter Aeberhardts nicht mehr entsprach. «Wir hatten rund 2 cm zu wenig Liegefläche», so Vanessa Aeberhardt. Man habe auch einen Anbau diskutiert, dann aber entschieden: «Wenn bauen, dann richtig». «Wir haben 12 Jahre lang dafür gespart», sagt die Produktmanagerin zur Finanzierung. Die Kosten zu stemmen, sei überdies nur möglich gewesen dank einem guten BZG-Partner, einem guten Treuhänder (Agro Treuhand Rüti) und viel Eigenleistung beim Bau.
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Für die nachhaltige Gasversogung von Burgdorf
Die Biogasanlage wird erst im kommenden Frühling ihren Betrieb aufnehmen können, denn noch fehlt ein entscheidender Teil davon: Die Aufbereitungsanlage in Form eines Containers konnte bisher noch nicht geliefert werden. Darin filtern Membranen aus Holz das Gas, das im Fermenter aus Mist, Gülle sowie Co-Substraten aus der nahen Mühle Kunz Kunath AG entsteht. Am Ende des Prozesses steht Gas, das direkt ins Gasnetz eingespeist wird. «Die Stadt Burgdorf hat sich mit uns in Kontakt gesetzt, weil man die dortige Gasversorgung nachhaltiger gestalten will», erläutert Vanessa Aberhardt. Das Ganze ist ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit Adrian Neuenschwander von der Firma Energiewirt GmbH und über die Leistung der Kirchberger Anlage sei Stillschweigen vereinbart worden.
«Die Gärgülle ist emissionsärmer und stinkt nicht – da machen wir uns bei den Nachbaren beliebter», bemerkt Aberhardt schmunzelnd. Auch wer in der Region zu viel Gülle habe, werde sie hier – soweit es die Kapazität der Anlage zulässt – vergären lassen können. «Es ist allerdings eine Kleinst-Biogasanlage», gibt sie zu bedenken.
«Die Stadt Burgdorf hat sich mit uns in Kontakt gesetzt»
Vanessa Aberhardt über den Abnehmer für das Gas aus der Biogasanlage in Kirchberg.
Wertvolle Daten dank dem Melkroboter
Die Roboter im Stall verschaffen Aberhardts genügend Zeit und Flexibilität, um zusätzlich zur Milch- und Gasproduktion einen Wärmeverbund mit regionalen Holzschnitzeln aufzuziehen. Die Heizzentrale wird im alten Kuhstall gebaut. Die Automatisierung soll aber auch zum Tierwohl beitragen, sei es dank höherer Stallhygiene, besser verfügbarem Futter oder aber übersichtlicher Daten zu jedem Tier. «Die Statistiken des Melkroboters geben schnell eine Übersicht zur Herde oder einem Einzeltier», lobt Vanessa Aberhardt. Daten zu studieren, gehöre daher zum Stalldienst dazu – genauso wie die unverzichtbare Tierbeobachtung von Auge.
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Der schönste Moment nach drei Jahren Bauzeit
Drei Jahre sind von der Baueingabe bis zur Fertigstellung des Stalls vergangen. Der ganze Weiler steht unter Denkmalschutz, was das Bewilligungsverfahren in die Länge zog. Es habe viele Verhandlungen gegeben, «über die Höhe, das Material, die Form, einfach alles», schildert Vanessa Aeberhardt. Basierend auf der Futterproduktion der der beiden beteiligten Betriebe und der Anzahl GVE wurden insgesamt fünf Hochsilos für Gras- und Maissilage sowie evtl. Rübenschnitzel bewilligt, errichtet wurden deren vier. Die BZG will möglichst wenig zukaufen und mit wenigen Siloballen arbeiten. Die Zusammenarbeit beim Silieren bringt mehr Effizienz beim Einsatz eines Lohnunternehmers. Aktive Lösungsvorschläge von Seiten der Bauherrschaft und Unterstützung des Berner Bauernverbands trugen dazu bei, dass im April 2022 schliesslich die Kühe aus Wynigen und dem alten Anbindestall in Kirchberg gemeinsam ihr neues Zuhause beziehen konnten. «Das war sicher der schönste Moment», erinnert sich die Bäuerin, «Die Tiere haben richtig Freude gezeigt.» Und Vanessa Aeberhardt merkt man an, dass sie die neuen Stalltüren gerne für die Öffentlichkeit aufgestossen hat.
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Betriebsspiegel Aeberhardt
Ort: Kirchberg BE
LN: 20 ha
Ackerbau: 10 ha mit Saatkartoffeln, Weizen, Gerste, Mais
Tierbestand: 60 Milchkühe
Weiteres: 5 ha Wald
Arbeitskräfte: Vanessa und Samuel Aeberhardt, 1 Lernende
Betriebsspiegel Savary
Ort: Wynigen BE
LN: 25 ha
Ackerbau: 11 ha mit Saatkartoffeln, Getreide und Mais
Tierbestand: 60 Stück Jungvieh
Weiteres: 8 ha Wald
Arbeitskräfte: Leona und Philippe Savary und Angestellte Karin Locher