Der Abstimmungskampf gegen die beiden Agrar-Initiativen läuft in einer hohen Intensität. Ermutigend ist das riesige Engagement der Bäuerinnen und Bauern. Als Obmann unserer regionalen Bauernvereinigung war es kein Problem, genügend Personal für Standaktionen zu finden. Im Nachbardorf entstand innert weniger Wochen ein Landwirtschaftslehrpfad, in vielen Gemeinden entstanden Flugblätter, originelle Filme und Songs kursieren in den Sozialen Medien. Von wegen «böser Agrarlobby» – es sind die Bäuerinnen und Bauern an der Basis, welche die Kampagne tragen!
Der Kontakt mit der Bevölkerung ist ermutigend. Viele gute, respektvolle Gespräche lassen einen die täglichen Beleidigungen – ich kann es nicht anders ausdrücken – besser ertragen. Oder wie es ein Kunde in unserem kleinen Hoflädeli auf den Punkt gebracht hat: «Es kommt ja auch keinem vernünftigen Arzt in den Sinn, auf die hilfreichen Medikamente zu verzichten und nur noch Globuli (Homöopathie) zu verschreiben.»
Sind die Konsumenten bereit für den Verzicht?
Trotz allem spüre ich als Landwirt, dass auch bei einem Nein am 13. Juni vieles anders sein wird als vorher. Die Produktionsweise der Landwirtschaft ist derart stark in den Fokus geraten und im Abstimmungskampf wird und wurde viel versprochen. Die in der Vernehmlassung befindlichen Verordnungen zur Parlamentarischen Initiative 19.475 sind kein Zuckerschlecken – und trotzdem sind wir gut beraten, hier nicht in Fundamentalopposition zu gehen. Ein zweiter Abstimmungskampf wie dieser ist aus meiner Sicht nicht mehr zu gewinnen.
Bleibt die ungemütliche Frage: Sind die Gesellschaft und die Konsumentinnen und Konsumenten wirklich bereit, sich mit uns auf einen ambitionierten Weg zu einer nachhaltigeren Lebensmittelversorgung – ja gar einer nachhaltigeren Lebensweise zu machen? Wenn unser ökologischer Fussabdruck verkleinert werden soll, dann genügen wohl Bioprodukte und Elektroautos alleine nicht. Verzicht wäre gefragt – ob die Schweizerinnen und Schweizer dafür gemacht sind? Spätestens seit der Corona-Krise ist daran zu zweifeln.
Mehr Ehrlichkeit und Realität ist gefragt
Was aber können wir als Branche ab dem 14. Juni tun, um nicht noch einmal eine derartige Kampagne führen zu müssen? Einerseits bin ich überzeugt, dass wir in der Kommunikation ehrlicher werden müssen. Kein Ballenberg, keine Lovely mit Hörnern, sondern mehr Realität – die modernen Seiten der Landwirtschaft verstärkt zeigen, die Chancen der Digitalisierung, von Robotern und vielem mehr aufzeigen. Auch den Mut haben, aufzuzeigen, dass eine höhere Milchleistung auch positive Umwelteffekte haben kann (z. B. Methanemissionen pro Liter Milch), dass die auf Lege- oder Fleischleistung gezüchteten Hühnerrassen vor dem Hintergrund einer optimalen Futterverwertung grosse Vorteile haben.
Denn nur mit extensiven Produktionsverfahren werden wir die Ernährung der Menschheit nicht sicherstellen. Auf der anderen Seite müssen wir uns noch mehr bemühen, im persönlichen Kontakt mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung zu sein. Den Kontakt zu lokalen Naturschutzorganisationen suchen, gemeinsam mit ihnen kleine Projekte zur Förderung der Biodiversität umsetzen. Dazu gehört auch, die Sichtweisen dieser Gruppierungen zu respektieren. Ich bin überzeugt: So können wir wieder Nähe erzeugen, erklären, Erlebnisse und Erfahrungen schaffen.
Am Ende dürfen wir uns darüber freuen, einem Berufsstand anzugehören, der in schwierigen Momenten zusammensteht, Solidarität zeigt und bereit ist, sich für gemeinsame Anliegen mit viel Engagement einzusetzen. Das soll uns motivieren, weiterhin mit Überzeugung unseren Beruf auszuüben, innovativ und offen für neue Ideen und Erkenntnisse zu bleiben.