Innerhalb der Nutztierzucht nimmt die Pferdezucht einen besonderen Platz ein, denn die Erzeugung von Pferden dient nicht primär der Nahrungsmittelproduktion. Dieser Umstand ist nicht neu. Während früher «Pferdestärken» gefragt waren, sind diese seit der Industrialisierung kaum mehr gefragt. «Das Pferd hat sich vom Motor der Volkswirtschaften zum Begleiter in Freizeit und Sport gewandelt», sagte der Historiker Ulrich Raulff. Es überlebe schliesslich nur in den Biotopen der Freizeitgesellschaft. Und diese Gesellschaften bewegen sich gerne auf landwirtschaftlichen Betrieben. Hier werden in der Schweiz rund 75 % aller Pferde gehalten.
Stark feminisiert
In dieser neuen Rolle habe das Pferd schliesslich auch überlebt, heisst es in der Strategie Tierzucht 2030 des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). Die Branche habe sich dabei «stark demokratisiert und feminisiert» und die Bestände seien heute erneut so hoch wie nach dem zweiten Weltkrieg in den Fünfzigerjahren. Im Jahr 2020 wurden laut Bundesamt für Statistik in der Schweiz insgesamt 80 075 Pferde gehalten. Nur 25 Jahre vorher, also 1985, waren es noch gut 37 000. Die Anzahl hat sich demnach in einem Vierteljahrhundert mehr als verdoppelt. Und dabei dominiert die Landwirtschaft als Dienstleister im Bereich Pensionspferdehaltung. Sie nimmt mit diesem Angebot pro Jahr rund 500 Millionen Franken ein.
Bestand nimmt zu
Der Equidenbestand ist während der letzten zehn Jahre im Mittel um 2,8 % pro Jahr angestiegen. Demgegenüber hat die Pferdezucht im engeren Sinn in der Schweiz stark an Bedeutung verloren. Die Zahl der Fohlengeburten ist seit Mitte der Neunzigerjahre stark rückläufig; das bei gleichzeitiger Zunahme des Gesamtequidenbestandes und der Rassenvielfalt. Pro Jahr werden rund 4000 Equiden in die Schweiz importiert und rund 1500 exportiert. Die wichtigsten Märkte sind diesbezüglich Deutschland und Frankreich.
Mehrere Organisationen wehren sich
Die beiden am 13. Juni zur Abstimmung kommenden Agrar-Initiativen hätten einen negativen Einfluss auf die Pferdebranche, wie diverse Exponenten argumentieren. «Nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe mit Pferdehaltung haben genügend Fläche, um alles Futter selbst zu produzieren, schon gar nicht die verschiedenen Ergänzungsfutter, die zur Bedarfsdeckung der Pferde wichtig sind», ist einer Mitteilung zu entnehmen. Folgende Organisationen und Verbände haben sie unterzeichnet: Schweizerischer Verband für Pferdesport, Pferdesportverband Nordwest, Federazione Ticinese Sport Equestri, Verband Ostschweizerischer Kavallerie- und Reitvereine, Zuchtverband CH-Sportpferde, Schweizerischer Freibergerverband, Zentralschweizerischer Kavallerie- und Pferdesportverband, FER, Swiss Horse Professionals sowie Vereinigung Pferd. Im Schreiben bemängeln die Organisationen, dass gar der gängige Austausch von Heu und Emd mit dem Bauernhof von nebenan nicht mehr möglich sein werde. «Diese Betriebe werden gezwungen sein, die Pferdehaltung zu reduzieren oder sogar aufzugeben», heisst es.
Ohne Direktzahlungen
Betriebe, welche die Pferdehaltung nicht aufgeben möchten, könnten auf Direktzahlungen verzichten, damit sie weiterhin Futter zukaufen dürften. Damit müssen sie zwar keine Zusatzleistungen im Bereich Umweltschutz, Biodiversität und Tierwohl mehr erfüllen, «es fehlt ihnen aber auch ein Teil des bisherigen Einkommens. Um die anfallenden Kosten weiterhin decken zu können, wird das fehlende Einkommen auf die Boxenmiete abgewälzt», wird in der Mitteilung weiter ausgeführt. Mit der Folge, dass die Konkurrenz um Schweizer Futter zunehmen würde, was auch bei nicht-land-wirtschaftlichen Pferdebetrieben zu einem Kostenanstieg führen könnte.
Aus der Landwirtschaft verdrängt
Mit Annahme der Trinkwasser-Initiative dürften die Pferde in der Landwirtschaftszone faktisch nur noch mit teurer produziertem, betriebseigenem Futter gefüttert werden, sind sich die Unterzeichnenden des Dokuments sicher. Viele der oftmals im Ausland produzierten Ergänzungs- und Alternativfuttermittel für kranke Pferde könnten zudem nicht mehr gekauft werden. «Die Pestizidverbots-Initiative hätte sogar für alle Pferdehaltenden in der Schweiz die Folge, dass die Preise für inländisch produziertes Kraftfutter um einiges höher sind», heisst es weiter. «Mit Annahme der Initiativen würde das Pferd zunehmend aus der Landwirtschaftszone verdrängt. Somit würden grosse Weideflächen und ein naturnahes Ausreitgebiet vor der Stalltüre zur Seltenheit», heisst es abschliessend.