Absolut inakzeptabel seien die Drohungen gegen Politiker, sagte Jürg Rothenbühler, Präsident der «Mitte» Oberes Emmental an einer Versammlung vom Montagabend in Langnau i.E. Hier hätte Kilian Baumann gegen Markus Ritter antreten sollen, um die Agrar-Initiativen zu debattieren. Aufgrund von Drohbriefen hat Baumann aber wie berichtet alle öffentlichen Auftritte abgesagt.
Kein adäquater Ersatz von den Grünen
Nach der Absage sei es den Grünen leider nicht gelungen, einen adäquaten Ersatz aus der Bundeshaus-Fraktion aufzubieten, sagte Rothenbühler. Markus Ritter bedauerte es, dass er alleine auf der Bühne stehe und Kilian Baumann nicht teilnehme. Drohungen gegen Politiker verurteile er klar, sagte Ritter. Er sieht aber auch die Befürworter in der Verantwortung, letzte Woche habe er eine interessante Aussage von Politologe Claude Longchamp gelesen: Der Hass komme vom Negativ-Campaining, welches das Zusammenleben in der Gesellschaft sehr schwer mache.
In der Einführung zum inhaltlichen Teil erklärte Rothenbühler, die Parteisektion habe ihre ablehnenden Parolen bereits gefasst. Das Podium war denn auch schon als «2x Nein zu den Agrar-Initiativen» betitelt. Es gebe aber noch viele Unentschlossene im Emmental und es gelte diese in die richtige Richtung zu beeinflussen, sagte Rothenbühler. Das Grundsatz-Problem sei, dass mit den Initiativen ein noch höherer Anteil der im Inland benötigten Produktion ins Ausland verlagert werde, «das ist eine moderne Form von Sklaverei», sagte der Regionalpräsident.
«Es geht um vieles, aber nicht um Wasser»
Markus Ritter widmete sich zunächst der Trinkwasser-Initiative: «Es geht um vieles, aber nicht um Wasser», so der SBV-Präsident und Mitte-Nationalrat. Es gehe um drei Bereiche. Antibiotika seien im Abstimmungskampf kaum vorgekommen, auch weil der vorbeugende Einsatz seit 1999 verboten sei, sagte Ritter. «Da haben wir ein gutes Regime, die Reduktion um die Hälfte in den letzten 10 Jahren ist ein Riesenerfolg». Was den zweiten Bereich «pestizidfreie Produktion» angeht, hätten die Initianten nicht auf Bio Suisse gehört, «deshalb kam die Initiative sehr radikal raus», so Ritter.
Das Killerargument sei der dritte Bereich, die Vorschrift für betriebseigenes Futter, fuhr Ritter fort. Gerade im Voralpengebiet sei das ein Problem, Hennen und Schweine nicht mehr möglich, erläuterte Ritter. Das betreffe auch die Milchkühe, die vielen Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion frässen, «das müsste dann alles kompostiert werden».
Stringenter Ansatz der Pestizidverbots-Initiative
Bezüglich der Pestizidverbots-Initiative erklärte Ritter, diese habe einen sehr stringenten Ansatz. «Aber wir können den ausländischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie zu produzieren haben», sagte er mit Blick auf die WTO.
Schwierig wäre die neue Situation nach einem Ja auch für die Schweizer Schoggi-, Getränke- und Kaffeeindustrie, erklärte er. Wir importieren heute 40 Prozent aller Lebensmittel, «tutti le frutti müssten diese Bedingungen erfüllen», sagte Ritter. «Das Einzige was nicht betroffen ist, sind die Einkaufstourismus-Einkäufe». Dieser bleibe das einzige Ventil für Bürger mit bescheidenen Budgets. «Lesen Sie die Initiativtexte selber durch», empfahl er dem Publikum.
In der anschliessenden Diskussion mit Michelle Renaud stimmte Ritter einem pensionierten Biobauer zu, dass sich die Landwirtschaft weiterentwickeln müsse. Er erinnerte aber daran, dass sich die Landwirtschaft alle vier Jahre neu ausrichten müsse. Im BLW sässen 270 Leute, die stets daran herumstudierten, was noch erfunden werden könnte.
«Trick 77» der Initianten
Eine Frau fragte, wie sie gegenüber ihren vegetarischen Nichten und Neffen (Klimastreik und vegetarisch) argumentieren solle. Ritter erinnerte an die negativen Umweltauswirkungen durch vermehrte Importe. Auf die Frage, warum er einem Gegenvorschlag nicht zugestimmt habe, sagte er, das sei «Trick 77»: Initiative lancieren, Angst und Schrecken verbreiten und das Parlament unter Druck setzen, fasste er das Vorgehen der Initianten zusammen.
«100'000 Unterschriften bringt jeder Chüngelizüchterverein zusammen», sagte Ritter. Wenn man sich dann aber treiben lasse im Parlament, «dann studieren sie schon, was als nächstes kommt, das gibt Spendeneinnahmen», sagte er. Man dürfe den Initiativen nicht noch Wertschätzung gegenüberbringen, dass sie etwas ausgelöst haben. «Wenn wir das machen, werden wir zur Initiativenflut nicht mehr rauskommen».
Deshalb sei es wichtig, dass das Parlament eine gute Linie habe, sagte er mit Blick auf die Parlamentarische Initiative und den Plan sauberes Wasser des Bundesrats. «Wenn wir allem zustimmen würden, was sie wollen, würden sie noch mehr fordern, sonst bräuchte es sie ja nicht mehr», so Ritter zu den Plänen der Umweltschützer.
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