Sie ist eingeläutet, die heisse Phase im Abstimmungskampf um die Agrar-Initiativen. Auf den letzten Metern versuchen jetzt noch die Befürworter und die Gegner, die unentschlossenen Wählerinnen und Wähler mit ihren Argumenten zu überzeugen.
Sorgt für rote Köpfe
Das war auch am Mittwochabend in Kandergrund der Fall. Eingeladen zum Podium hat in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle des Bernischen Bauernverbands, die Alpwirtschaft Bern, die Bauernvereinigung Frutigland und der Viehzuchtverein vom Amt Frutigen. Obwohl es beim Podium nur um die Trinkwasser-Initiative ging, war ein Schlagabtausch garantiert. Vom Nein-Lager waren Christine Badertscher, Nationalrätin der Grünen, und Albert Rösti, SVP-Nationalrat, mit von der Partie und vom Pro-Lager waren Regina Fuhrer, SP-Grossrätin, und Jürg Grossen, GLP-Nationalrat, nach Kandergrund gereist. Das die Initiative bei der Landwirtschaft für rote Köpfe sorgt, war auch am grossen Publikumsaufmarsch zu sehen. Zirka hundert Interessierte strömten ins extra dafür aufgestellte, offene Zelt auf den Betrieb Wandfluh.
Nicht nur die Landwirtschaft
Der Moderator und Gastgeber Ernst Wandfluh, SVP-Grossrat und Landwirt, hatte die Leitung des Podiums in jeglicher Hinsicht im Griff. Auch Wandfluh stört sich massiv über den Inhalt der Trinkwasser-Initiative. «Franziska Herren, die Initiantin der Trinkwasser-Initiative, war bei mir auf dem Hof. Ich merkte schnell, dass sie keine grosse Ahnung von der Landwirtschaft hat», hält er fest. Wer künftig Direktzahlungen beziehen will, müsse seine Produkte ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und prophylaktischen Antibiotikaeinsatz produzieren. Auch der ausserbetriebliche Futterzukauf sei mit der Initiative verboten. «Das kann doch nicht sein, dass wir, die Landwirtschaft, als einzige Sündenböcke für die Trinkwasserqualität verantwortlich sind», sagt Wandfluh bestimmt.
Eine grosse Chance
Regina Fuhrer, Bio-Bäuerin aus Burgistein sieht das ein wenig anders: «Die Trinkwasser-Initiative ist für die gesamte Landwirtschaft eine grosse Chance, also packen wir sie». Oder: «Wollen wir unseren Kindern und Grosskindern eine solche Welt hinterlassen?», fragte die Bio-Bäuerin in die Runde. Punkto Wasserqualität, Umwelt, Ökologie und Klima, habe die Landwirtschaft noch viel Spielraum. Dass eine Umstellung nicht heute auf morgen geht, weiss auch die Bio-Bäuerin, daher setzt Fuhrer auch grosse Hoffnungen auf die Forschung und die Wissenschaft.
Luxus in der Schweiz
Albert Rösti, der in Kandergrund fast einen Heimvorteil hatte, schüttelte nur den Kopf über die Aussagen von Fuhrer. Immer wieder sagte er: «Nein, nein, nein, so ist es nicht. Unser Trinkwasser ist von hoher Qualität. Kaum ein Land auf der Welt kennt diesen Luxus.» Tatsache sei, dass bei Pflanzenschutzmitteln der Grenzwert für Beanstandungen sehr tief angesetzt seien. «Für andere Rückstände, die sich zahlreich im Grundwasser finden, wie Medikamente oder Industriechemikalien, gelten aktuell überhaupt keine Anforderungswerte», ärgert sich Rösti, der sich am Podium sehr stark für ein Nein einsetzte. Mit dieser Initiative werde nicht nur die Lebensmittelproduktion her-untergefahren, sondern Herren fordere auch, dass Tieranzahl auf den Betrieben gesenkt werden müsse. «Wollen wir das, wollen wir wirklich noch mehr Lebensmittel importieren?», fragt Rösti.
Probleme nur verlagern
Obwohl Christine Badertscher der Grünen Partei angehört, ist auch sie gegen die Trinkwasser-Initiative. «Mit den massiven Importen, welche bei einer Annahme drohen, verlagern wir das Problem nur ins Ausland», hält sie fest. Auch dass viele Bauern aus dem ÖLN aussteigen werden, nütze der Initiative nichts, das Gegenteil sei der Fall. «Sicher müssen wir von den chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln wegkommen, aber das geht nicht heute auf morgen», sagt sie. Wenn plötzlich alle auf Bio umsteigen würden, gäbe dies ein zusätzlicher Druck auf den Markt und auf die Preise. «Die Nachfrage nach Bio-Produkten liegt heute erst bei zirka zehn Prozent», so Badertscher.
Anders formuliert
Obwohl der GLP-Nationalrat Jürg Grossen die Initiative lieber anders formuliert hätte, kann er ihr doch einiges abgewinnen. «Die Landwirtschaft hat sich in der Vergangenheit zu wenig freiwillig Richtung Ökologie bewegt», sagt er.
Daher verwundert es Grossen nicht, dass solche Initiativen aus der Bevölkerung kommen. Für den GLP-Politiker ist klar, dass das Artensterben wie auch die immer schlechtere Wasserqualität gebremst werden müsse. Auch betreffend dem Futtermittelzukauf, dass immer wieder ein grosses Thema am Podium war, hat Grossen eine klare Meinung: «Wir werden hier im Parlament sicher einen Kompromiss finden», hält er fest. Grossen ist der Überzeugung, dass man den Futtermittelzukauf sicher auf die ganze Schweiz ausweiten könne. Denn bisher habe die Bauernlobby in Bern auch gut funktioniert, wenn es um die Anliegen der Landwirtschaft gegangen sei. Und schon wieder schüttelte Albert Rösti bei dieser Aussage den Kopf und sagte: «Nein, nein, Jürg, lies doch bitte noch einmal den Initiativtext durch».
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