«Ich habe mir die ganze Sache gut überlegt – und bin zum Schluss gekommen, dass ich auf meinem Betrieb kein Wahlplakat aufhängen will», sagt Mario Steier aus Savognin GR bestimmt. Sein Entscheid, keine Wahlwerbung zu machen, bedeutet aber nicht, dass der junge Bündner keine eindeutige Meinung zu den beiden aktuellen Agrar-Initiativen hat. Für ihn komme nur ein doppeltes Nein in Frage, sagt er.

Dialog ist der Weg

Anstelle eines Abstimmungsplakats setzt Mario Steier lieber auf den direkten Dialog: «Mit einer 2×-Nein-Parole allein hat man noch nichts erklärt und bei niemandem Verständnis für die Problematik geschaffen. Dann bist du in den Augen vieler einfach abgestempelt. Wenn die Leute aber landwirtschaftliche Zusammenhänge verstehen sollen und man erklären will, warum die beiden Initiativen in ihrer Formulierung zu extrem sind, dann gelingt das nur in einem persönlichen Gespräch.»

Die aufgeheizte Stimmung im Vorfeld der Abstimmung beobachtet Steier mit Sorge: «Wenn man die Nachrichten und vor allem die sozialen Medien verfolgt, muss man fast Angst haben, dort etwas Falsches zu sagen und unnötig zu provozieren.» In einem lockeren Gespräch von Angesicht zu Angesicht falle es leichter, die Leute abzuholen und zum Nachdenken anzuregen, fügt er an.

Erfolgreiche Milchwirtschaft

Mario Steier und seine Familie betreiben in Savognin auf rund 1200 Höhenmetern einen Milchwirtschaftsbetrieb und züchten mit Erfolg Brown-Swiss-Kühe. Die Milch seiner Tiere liefert Steier in die Savogniner Genossenschaftskäserei «Nossa Caschareia», wo sie zu Savogniner Heumilch-Käse verarbeitet wird. Dafür komme nur die beste Milch in Frage, sagt der junge Landwirt.

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Im Schnitt geben seine Kühe rund 8400 kg Milch pro Laktation; die stärkste Kuh im Stall hat in ihrem Leben schon 88 000 kg geleistet. «Das ist Hochleistung, die ohne entsprechende Fütterung schlicht nicht möglich wäre», weiss Steier.

Knackpunkt Futter

Die Bestimmungen zu betriebsfremdem Futter sind aus Mario Steiers Sicht denn auch der heikelste Punkt, wenn es um die Trinkwasser-Initiative geht. «Knapp 70 Prozent der Gras-ernte gewinnen wir hier oben mit dem ersten Schnitt im Juni», sagt der Bündner, dessen Land in den Bergzonen 3 und 4 liegt. An guten Lagen reiche es für einen zweiten Schnitt, bei günstigen Bedingungen könne er auf den Kunstwiesen im Talgrund sogar ein drittes Mal mähen, ergänzt der Bündner. Mario Steier gibt zu bedenken, dass bei der Heuernte im Berggebiet von Jahr zu Jahr teilweise grosse Schwankungen möglich seien. So sei in wettertechnisch schlechten Jahren der Zukauf von Grundfutter für den Eigenbedarf notwendig. Zudem würden die erschwerten Ackerbaubedingungen in den Bergen Kraftfutterzukäufe erfordern. Silage verfüttert Steier seinen Tieren nicht, da die Savogniner Genossenschaftskäserei nur silofreie Milch verarbeitet. Bei einer Annahme der beiden Volksbegehren müsste der engagierte Junglandwirt seinen Betrieb also wohl neu konzipieren.

Gerade erst neu gebaut

Dabei hat Familie Steier erst vor wenigen Jahren kräftig investiert und am Dorfrand einen neuen Laufstall gebaut. Ihre 38 Milchkühe, rund 55 Jungtiere und einer der grössten Heustöcke der Region (stolze 3900 Kubikmeter) finden darin Platz. Geplant hat Mario Steier den grossen Stall gemeinsam mit seinem Vater Luzi, der als Viehzüchter und -händler weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt ist.

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Im Sommer 2015 haben Vater und Sohn ihren neuen Stall in einer Generationen-Gemeinschaft in Betrieb genommen. Heuer hat Mario Steier den Hof schliesslich übernommen. Ohne die Hilfe seiner Frau Martina und seiner Eltern liesse sich die Arbeit aber kaum bewältigen, stellt der Vater von zwei kleinen Kindern klar.

Ein Herz fürs Melken

Mario Steier ist Landwirt mit Leib und Seele, seine grosse Leidenschaft gilt der Viehzucht und der Milchwirtschaft. «Das Melken macht mir riesige Freude», sagt der Neunundzwanzigjährige. «Dabei schätze ich einerseits die Nähe zum Tier, die du beim Melken zweimal täglich hast, andererseits freue ich mich aber auch über die gute Leistung meiner Tiere», fährt er fort. Dabei ist ihm das Wohlergehen seiner Tiere wichtig: «Ich nehme an den Tierwohlprogrammen BTS und Raus teil und sömmere zwei Drittel meiner Tiere auf der Alp. Es ist mir wichtig, dass es meinen Kühen gut geht und dass sie möglichst lange leben. So kann ich eine echte Beziehung zu den Tieren aufbauen. Das ist meine Leidenschaft.»

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Teil einer Tourismus-Region

Mario Steiers Hof liegt unweit des Dorfes Savognin an einem vielbegangenen Spazierweg. Fast täglich erhält er spontanen Besuch im Stall; häufig sind es Touristen, die zum offenen Tor hereinschauen und etwas über den Betrieb erfahren möchten. Aber auch Einheimische kommen vorbei, darunter viele Mütter mit ihren Kindern, die ihren Nachwuchs etwas Stall-Luft schnuppern lassen wollen. «Es ist manchmal wirklich erstaunlich, wie wenig Bezug die Leute zur Landwirtschaft haben und welche Fragen sie mir stellen. Umso lieber nehme ich mir dann Zeit und gehe auf die Fragen ein. Ich finde das enorm wichtig, gerade auch im Hinblick auf die beiden Initiativen», berichtet Steier.

Sein Stall sei grundsätzlich stets für alle Interessierten offen, was manchmal dafür sorge, dass er den Betrieb voller Leute habe. Das begrüsse er aber, meint Steier lachend. «Der Tourismus ist enorm wichtig hier in Savognin und da gehört das Erleben der Landwirtschaft auch dazu», sagt der Bündner. So habe zum Beispiel Savognin Tourismus schon Veranstaltungen auf seinem Betrieb abgehalten.

Initiativen treffen die Region

Als engagierte Viehzüchter und Heuhändler stehen Mario und Luzi Steier mit vielen Landwirten im Tal und auch darüber hinaus im Austausch. Somit kennen sie viele Probleme und Befürchtungen, die andere Bauern im Hinblick auf die Initiativen hegen. «Für viele Bauern in unserer Region ist sicher der Aspekt des zugekauften Futters das allergrösste Problem. Im Moment können wir zum Beispiel dank der grossen Kapazität unseres Heulagerraums stets Unterstützung bieten und für andere Heu einlagern oder ihnen von unserem Heu verkaufen. Das würde sich mit der Trinkwasser-Initiative ändern – sehr zum Nachteil aller Bauern hier oben, nicht nur zu unserem», bringt es Mario Steier auf den Punkt.

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Dann berichtet er von einem Freund, der im Nachbardorf einen grossen Hühnerstall betreibt: «Wenn die Initiativen wortgetreu umgesetzt werden sollten, hätte dieser Betriebszweig hier keine Überlebenschance.» Dann fasst Steier die Konsequenzen einer Annahme der beiden Volksbegehren für seinen eigenen Betrieb noch einmal zusammen: «Die ausgewogene Ernährung meiner Kühe wäre nicht mehr gewährleistet, weshalb ihre Milchleistung stark abnehmen würde. Das hätte dann auch nachteilige Folgen für unsere Zucht, wodurch schliesslich auch unser Viehhandel leiden würde. Der Heu- und Strohhandel würde auch komplett wegfallen. Wenn am Ende die Landwirtschaft in der Region geschwächt oder umstrukturiert würde, stünden auch weniger Rohstoffe für die Produktion zur Verfügung, etwa für die Käseherstellung.»

Aufeinander zugehen

«Alles ist ein grosses Puzzle hier oben. Die Natur und mit ihr die lokale Landwirtschaft, das Leben und Arbeiten im Dorf und schliesslich der Tourismus, all das greift ineinander», sagt Mario Steier, während er vor seinem Haus sitzt und hinauf in die Berge blickt. Sein Vater Luzi pflichtet ihm nickend bei. «Das Mit-einander ist enorm wichtig. Deshalb müssen wir dranbleiben, uns öffnen und auf die Leute zugehen. Voran kommen wir nur, wenn wir alle mehr miteinander reden.»

 

Betriebsspiegel Saletschahof

Name: Mario und Martina Steier

Ort: Savognin GR

Landwirtschaftliche Nutzfläche: 52 ha Wiesland in den Bergzonen 3 und 4

Viehbestand: Bis 40 Milchkühe Brown Swiss, dazu rund 55 Jungtiere

Betriebszweige: Milchwirtschaft, Handel mit Vieh, Heu und Stroh

Programme: BTS und Raus