«Die halbe Schweiz wartet auf unser Verdikt zur Trinkwasser-Initiative (TWI). Das zeigt, dass wir relevant geworden sind», sagte Präsident Urs Brändli zum Auftakt der elektronischen Delegiertenversammlung von Bio Suisse.

Überraschend klar setzte sich mit 73 zu 20 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) schlussendlich die Nein-Parole des Vorstands durch, dieser hatte zuletzt massive Kritik von Seiten weniger Kritiker einstecken müssen. Bereits im vergangenen November hatten die Delegierten der Pestizidverbots-Initiative (PVI) klar zugestimmt.

«Berechtigte Anliegen»

Die Anliegen der TWI seien absolut berechtigt. Egal, wo ein Land in seiner Entwicklung steht, in allen Ländern der Welt herrscht dringender Handlungsbedarf, sagte Präsident Urs Brändli. «Die Forderungen sind bekannt, auf die Unklarheiten im Text, die Unsicherheiten und existenzielle Schwierigkeiten für viele Biobetriebe zur Folge haben könnte, haben wir die Initianten vor Unterschriftensammlung leider erfolglos hingewiesen», so Brändli zur Nein-Parole des Vorstands.

Der erste Grund dafür sei, dass man mit der PVI eine Alternative habe. Diese stelle die Biobetriebe anders als die TWI nicht vor existenzielle Probleme. Die Beschränkung auf betriebseigenes Futter gefährdet in erster Linie Hühner- und Schweinebetriebe, aber auch den Bio-Ackerbau, wo Futterbau-Erträge handelbar sein müssen.

Zudem drohten bei Zustimmung zur TWI Überschüsse. «Für diese Aussage wurden meine Vorstandskollegen und ich stark kritisiert», sagte Brändli, dies war namentlich im «Kassensturz» von letzter Woche der Fall. Brändli erinnerte an eine Studie, bei der 90 Prozent der Mitglieder befragt wurden und diese betonten, dass gute Preise für Bioprodukte das Wichtigste seien.

«Wir alle haben sehr viel Verständnis, wenn unser Kund(innen) die TWI unterstützen. Nur dank ihnen wird heute jede sechste Hektare biologisch bewirtschaftet», ergänzte Brändli.

Parole fassen oder nicht?

In einem ersten Schritt diskutierte die DV darüber, ob man überhaupt eine Parole fassen oder Stimmfreigabe beschliessen solle.

Bio Suisse sei zum Spielball der Politik geworden, stellte Thomas Herwig zum Auftakt der Diskussion fest. «Fassen wir den Mut, lassen wir den Familienfrieden wichtiger sein als das Gezänk», erklärte er und forderte Stimmfreigabe.

In seinem Votum an die «lieben Freundinnen und Freunde» plädierte auch FiBL-Präsident Martin Ott für einen Verzicht auf eine Parole. Es werde ein harter Abstimmungskampf und bei einer Parole riskiere man eine Zerreissprobe. Falls man sich trotzdem dafür entscheide, werde er sich für ein Ja einsetzen.

Eine solche Zerreissprobe befürchte er nicht, sagte der Delegierte Felix Lang, ein pointierter Gegner der TWI. Er wies auf die grosse inhaltliche Einigkeit von Trinkwasser-Initianten, Umweltverbänden und Avenir Suisse hin. Diese Initiative sei für die gemeinsamen Ziele der Bio-Bewegung gefährlich und er plädierte für eine Nein-Parole.

«Wir können selbstbewusst Nein sagen»

Auch der Ostschweizer Vertreter Sepp Sennhauser ist ein Gegner der TWI und nannte Offenheit, Wertschätzung und Toleranz als wichtige Eigenschaften der Bewegung. Das mache ihm immer wieder Freude. «Wir können stolz sein auf das Erreichte», sagte er. Beim Parolenentscheid seien genau diese Tugenden gefragt. Dass sich Biobauern und -bäuerinnen dazu hergegeben hatten, im «Kassensturz» den Vorstand zu kritisieren, sei für ihn enttäuschend gewesen. Nicht einmal sein kleiner Demeter-Betrieb erfülle die Anforderungen der TWI. Die Beeinflussungsaktionen der vergangenen Tage, empfinde er als der Bio Suisse unwürdig. «Wir können doch selbstbewusst hinstehen und Nein sagen», schloss Sennhauser.

Rudi Berli von Uniterre erklärte, demokratische Beschlüsse seien kein Marionettentheater und Bio Suisse habe politische Verantwortung zu tragen. Kollektive Beschlüsse schlössen individuelle Differenzen nicht aus. Deshalb müsse man eine Parole fassen. Auch er plädierte für ein Nein, auch weil die Initiant(innen) nicht bereit waren, sich abzusprechen. Die TWI mache die Bauern und Bäuerinnen zu Alleinschuldigen. Dieser Text biete wirklich eine schlechte Lösung für die vorliegenden Probleme. Über das Direktzahlungssystem werde man keine Lösung für die Probleme in der Produktion finden, so Berli. Zudem seien die Importe bewusst ausgeklammert worden. «Das heisst, wir exportieren die Nebeneffekte der billigen Agrarproduktion ins Ausland», sagte er.

Markus Götsch berichtete von der Versammlung des Kantonalverbands Zürich-Schaffhausen, der vergangene Woche mit 73 Prozent der Stimmen die Nein-Parole gefasst hatte. Er verurteilte auch die Kampagne «Agrarlobby stoppen», die lediglich Geld ins Silicon Valley schicke und die Lage polarisiere. Auch der welsche Delegierte Claude-Alain Gebhard votierte in kurzen Worten für eine Nein-Parole. Der Delegierte Aschi Daepp erklärte schliesslich , man solle besser keine Parole fassen, er merke, dass das von der übrigen Bevölkerung nicht verstanden werde.

In der ersten Abstimmung entschied sich die DV knapp mit 55 zu 44 Stimmen für eine Parole. Bei der Parole selber war das Resultat dann sehr klar.

 

 

 

 

«SBV-Fahne passt nicht zur Knospetafel»

In seinem Kommentar anschliessend an die Parolenfassung erklärte Urs Brändli, ungeachtet der Nein-Parole zur TWI passe die «2 x Nein»-Fahne des Schweizer Bauernverbands (SBV) nicht zu den Knospe-Tafeln. «Bitte hängt diese ab», forderte Brändli. Die Kombination störe viele Biokonsumenten, darauf gelte es zu verzichten.