Frage

Trennen oder bleiben? Ich (52, verheiratet) möchte immer wieder mit meinem Mann darüber reden, dass ich nicht mehr glücklich bin und dass ich in unserem Beziehungsleben einiges ändern möchte. Er hat nie Zeit, flüchtet sich in die Arbeit und meint: «Reden bringt ja doch nichts.» Was soll ich tun?

Antwort

Sie wissen es vermutlich selber, ich kann Ihnen diese Frage nicht abschliessend in ein paar wenigen Sätzen beantworten. Aber ich kann Ihnen ein paar Hinweise geben, wie Sie das Thema sorgfältig mit sich selber und mit dem Partner angehen können. 

 

Kurzantwort

Es lohnt sich, eine Beziehung nicht zu schnell aufzugeben. Sehr oft ist eine destruktive Beziehungsdynamik schuld an der Beziehungskrise. Sie sollten eine Gesprächskultur erlernen, in der sich beide Partner gehört und verstanden fühlen. Wenn dies nicht gelingt, sollten Sie jemanden beiziehen, der Sie dabei unterstützt.

Was Ihren Partner betrifft

Sie können ihm beispielsweise sagen, dass wir in einer Zeit leben, wo Beziehungen freiwillig sind. Niemand zwingt Sie oder Ihren Partner zu bleiben. Wenn ihm die Beziehung noch etwas bedeutet, dann erwarten Sie von ihm, dass er bereit ist für sorgfältige Gespräche über mögliche Veränderungen. Und wenn diese Gespräche nicht zu guten Lösungen führen, dann gibt es Beratungspersonen, die das Gespräch in solchen Situationen neutral und unterstützend begleiten können. 

In einer Beziehungskrise ist es ganz normal, dass Sie als Paar nicht auf Anhieb die richtigen Worte für ein gutes Gespräch finden. Ohnmächtige Gefühle und die Flucht vor Gesprächen sind verständlich. «Wir reden ja immer wieder, aber es endet immer in gegenseitigen Vorwürfen». Richtig, unter solchen Voraussetzungen bringen Gespräche nichts. 

Aber Achtung, das heisst nicht, dass Sie nicht mehr reden sollen, sondern, dass Sie neue Gesprächsformen suchen müssen. Laden Sie Ihren Mann ein, gemeinsam neue Gesprächsformen zu suchen, wo es nicht darum geht, wer recht hat, sondern darum, wie Sie einander besser verstehen können.

Was Sie selber betrifft 

Wie lange sind Sie schon unglücklich? Wie lange denken Sie schon, dass Sie mehr reden sollten? Wie lange fühlen Sie sich nicht mehr verstanden von Ihrem Mann? Vermutlich nicht erst seit gestern.

Warum haben Sie so lange zugewartet? Jeder Mensch hat das Recht glücklich zu sein und seinem Partner zu erzählen, was es dazu braucht. Selbstverständlich darf man ein solches Gespräch nicht als Forderung verstehen. Beide sagen einander ihre Wünsche. Es ist der Anfang von einem fairen Austausch auf Augenhöhe, wo beide den Standpunkt des andern zu verstehen versuchen. 

Es liegt mir fern aufzuzeigen, wer in solchen Situationen schuldiger ist! Die Schuldfrage ist eine Sackgasse. In einer Beziehungskrise ist nicht der Partner, sondern die negative Dynamik schuld an der Krise. Leider hatten die wenigsten von uns in der Schule ein Fach für verständnisfördernde Gesprächskultur. Vielleicht wurden in einem Fach ein paar Stunden «Kommunikationslehre» hineingequetscht, aber die hat uns in diesem Alter noch nicht interessiert. 

Es ist nie zu spät, eine faire Kommunikation auf Augenhöhe zu lernen! Jeder Mensch hat das Recht glücklich zu sein und auch das Recht, Bedürfnisse zu ändern. In einer lebendigen Partnerschaft müssen wir deshalb lernen, über unsere Gefühle und Bedürfnisse zu reden – und einander zuzuhören!