Im Bereich der Klauenpflege galt das 5-Punkte-System der Schweizer Klauenpflegervereinigung viele Jahre als indiskutabel. Es wurde bis vor Kurzem auch in der landwirtschaftlichen Grund- und Weiterbildung flächendeckend angewendet. Am Landw. Zentrum SG in Flawil werden seit 2017 nur noch Klauenpflegekurse nach Bürgi durchgeführt. Auch die Lehrlinge werden im Lehrbetriebsverbund SG/AI/AR/FL seit diesem Schuljahr nur noch nach System Bürgi unterrichtet.
In die USA ausgewandert
Karl Bürgi ist im Kanton Zürich aufgewachsen und zog vor rund 40 Jahren in die USA, wo er als landwirtschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Noch heute lebt er in Baraboo, Wisconsin. Er bildete sich zum Klauenpfleger weiter und verfeinerte aufgrund seiner Erfahrungen sein eigenes System der Klauenpflege stets weiter. Zudem hat er Hilfsmittel wie Klauenpflegestände und Stallbodenbearbeitungsgeräte entworfen. Er ist mittlerweile weltweit als Ausbildner gefragt. Seine Erklärungen zu Anatomie und funktioneller Klauenpflege überzeugen. Sehr viele Kühe auf der ganzen Erde geben ihm recht.
Die Klauen werden eingekürzt, der Winkel wird nur in den vorderen 7,5 cm der Klauenspitze korrigiert, ohne Horn im Ballenbereich abzutragen. Der innere Tragrand überragt ganz leicht den äusseren. Die Hohlkehlung wird hinten nur aussen, dafür sehr grosszügig erstellt. An den Vorderklauen erfolgt die Hohlkehlung nur innen. Ballenfäule wird entfernt. Afterklauen werden eingekürzt. Fertig. Wo liegen nun aber die Vorzüge des neuen Systems gegenüber der herkömmlichen Lehre?
Nur das Nötigste wird entfernt
Der korrekte Winkel der Klaue erhält eine grosse Beachtung. Sobald an den Ballen kein Horn mehr abgetragen wird, stehen die Kühe steiler auf der Fessel und weisen mehr Trachtenhöhe auf. Sie verlagern dadurch das Gewicht auf die starke Klauenspitze. Weisse, abgeschliffene Klauenunterseiten sind Vergangenheit. Nur das Nötigste wird entfernt. Man sucht nicht nach Rissen, wenn die Kuh nicht lahm geht. Die Hohlkehlung erfolgt nur an den äusseren Hinterklauen und den inneren Vorderklauen. So wird das Hauptgewicht auf die starken inneren Hinter- beziehungsweise vorderen Aussenklauen verlagert. Dadurch werden Druckschäden, Sohlengeschwüre, Wandrisse (Weisse-Linie-Defekt) und übermässiges Hornwachstum an der Aussen-/Innenklaue verhindert.
Es wird nie mehr ein Tragrand gebrochen oder abgerundet. Es wird nie mehr zwischen den Klauen geschliffen, wodurch der innere Tragrand zerstört wurde. Dadurch kam es zu Reizungen in den Zwischenklauenspalten, was wiederum zu «Zwischenklauenwarzen» führte. Solche sind meist auf unsachgemässe Klauenpflege zurückzuführen. Der starke Tragrand trägt die Kuh. Da der Tragrand überhaupt nicht gebrochen wird, ist die Klaue gesamthaft tragfähiger und sie gewinnt zusätzlich an Halt auf glatten Böden.
Christian Manser
Der bekannte «Kuhflüsterer» ist Ressortleiter Tier/Technik beim Land- wirtschaftlichen Zentrum Flawil SG.