Vorstandstätigkeit, besonders das Präsidentinnenamt in einem Verband, ist mit Arbeit verbunden. Ein Grossteil davon basiert auf Freiwilligkeit und wird nicht von hohen finanziellen Entschädigungen begleitet. Die beiden kantonalen Bäuerinnenpräsidentinnen Astrid Derungs-Koller (Bündner Bäuerinnen- und Landfrauenverband) und Petra Artho (St. Galler Bäuerinnen) treten auf das kommende Jahr von ihren Ämtern zurück. Während für die eine Präsidentin rasch eine Nachfolgerin gefunden werden konnte, ist man im anderen Kanton noch auf der Suche.

Zeit, zu gehen

«Ich werde die Tätigkeiten vermissen, doch zehn Amtsjahre sind genug», sagt Petra Artho. Sie kann sich zurücklehnen, was ihre Nachfolgebesetzung betrifft. Die eigenen Vorstandsfrauen informierte die St. Gallerin bereits nach der DV 2023 über ihre Rücktrittsabsichten. Es wurden intensive Gespräche geführt, ob ein aktuelles Vorstandsmitglied als Präsidentin nachrutschen möchte. Da dies nicht der Fall ist, wurden letzten Dezember die örtlichen Präsidentinnen brieflich informiert, dass das Amt neu zu besetzen ist. Vier Monate später war die Nachfolgerin gefunden.

In Graubünden läuft die Suche noch. Im Herbst 2023 hatte Astrid Derungs-Koller ihren Vorstandsfrauen verkündet, dass sie zurücktreten wird. An der jährlichen Präsidentinnenkonferenz der Bündner Sektionalpräsidentinnen letzten Januar wurde offiziell über den Rücktritt informiert und dazu aufgefordert, nach einer Nachfolgerin Ausschau zu halten. «Ich hatte eine gute Zeit als Präsidentin und wurde immer von meinem Vorstand unterstützt. Doch jetzt ist es für mich Zeit, zu gehen», erklärt die 62-Jährige. Trotz öffentlicher Ausschreibung und persönlicher Telefonate mit potenziellen Kandidatinnen konnte das Amt bisher nicht besetzt werden.

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Viele Frauen schrecken vor Vorstandsämtern zurück, trauen sich die Tätigkeiten nicht zu oder zweifeln daran, zu genügen. Petra Artho erklärt, es sei ein langjähriger Prozess, das Bild der ultrakompetenten und allwissenden Präsidentin herunterzubrechen: «Wir sind Frauen wie andere auch. Es braucht keine spezielle Ausbildung, wichtig ist das Interesse. Die Bäuerinnen und Landfrauen sollten einer Präsidentin am Herzen liegen, alles andere kommt von allein.»

Voneinander lernen

AnalyseDie Städter drücken sich und die Bauern arbeiten freiwillig noch mehrMontag, 19. August 2024 Zudem pflegen die kantonalen Präsidentinnen der Ostschweiz einen freundschaftlichen Austausch untereinander. Auch wenn die Kantone sehr divers aufgebaut und nicht zu vergleichen sind, so profitieren die Präsidentinnen gegenseitig von Erfahrungen und Ideenaustausch. Astrid Derungs-Koller bestätigt, dass die meisten Frauen mit Ablehnung reagieren, weil sie das Gefühl haben, sie hätten die Fähigkeiten nicht dazu.

Ein weiteres Argument ist die fehlende Zeit: «Neben Familie und Betrieb fehlt den Frauen schlicht die nötige Zeit. Es braucht Flexibilität, besonders, wenn man anderweitig beruflich eingespannt ist», weiss die Bündner Präsidentin aus eigener Erfahrung. Astrid Derungs-Koller schätzt ihre Tätigkeiten für den BBLV auf etwa 20 Stellenprozent. Ihre Kollegin aus dem Sankt-Gallischen widmet etwa zwei Tage pro Woche der Verbandsarbeit, kommt Einladungen nach oder trifft sich mit Politisierenden und anderen Verbänden. Vor allem zwischen September und Ende April sind die Monate intensiv. Wird es draussen wärmer, nimmt das Arbeitspensum tendenziell ab, was den beiden Bergbäuerinnen sehr entgegenkommt.

Auf Augenhöhe

Auch wenn der Zeitaufwand nicht zu unterschätzen ist, überwiegen für die beiden Präsidentinnen die positiven Seiten ihrer Ämter. Beide schätzen den Ausbau ihrer Netzwerke und sind überzeugt, dass man als Präsidentin in einer kantonalen Bäuerinnen- und Landfrauenorganisation für die «Frauen vom Land» aktiv Verbesserungen bewirken kann.

Zu den präsidialen Tätigkeiten gehören auch Repräsentationsaufgaben und der Austausch mit Politisierenden. «Besonders in der bäuerlichen Politik haben wir einen gewissen Stellenwert. Unsere Meinung ist gefragt und wichtig», erläutert Astrid Koller-Derungs. Bis zur Delegiertenversammlung 2025 bleibt noch etwas Zeit. Gleichzeitig würde es Astrid Derungs-Koller schätzen, wenn sie sich mit ihrer zukünftigen Nachfolgerin austauschen könnte: «Unser Vorstand hat viele Ideen. Doch ich möchte nicht neue Projekte anreissen, hinter denen die nächste Präsidentin vielleicht gar nicht stehen kann.»

Ein gut funktionierender Vorstand, erfolgreiche Zusammenarbeit sowie eine wertschätzende und engagierte Vereinskultur sind wichtige Faktoren, um neue Mitglieder für den Vorstand oder eine Kandidatin für das Präsidentinnenamt zu begeistern. An Motivation und Engagement mangelt es im Bündner Bäuerinnen- und Landfrauenverband nicht. Daher ist Astrid Derungs-Koller überzeugt, in der noch verbleibenden Zeit eine Nachfolgerin oder ein Co-Präsidium zu finden.


«Es braucht guten persönlichen Kontakt»

Kathrin Bieri, was hindert Frauen daran, ein Amt in einem Verein oder Verband zu übernehmen?

Kathrin Bieri: Frauen haben oft hohe Ansprüche an sich selbst, sind selbstkritisch und hinterfragen sich, ob sie genügend Kompetenzen für ein Amt mitbringen. Zudem ist das Sichexponieren nicht «jederfraus» Sache und kann ein Hemmnis sein. Weiter ist die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Amt immer wieder ein Thema. Auch Frauen sind darauf angewiesen, dass sie vom Partner, der Familie oder dem Arbeitgeber unterstützt und entlastet werden, um sich in eine Vorstandstätigkeit eingeben zu können.[IMG 3]

Wie können Vereine und Verbände ihre Mitglieder motivieren, sich im Vorstand zu engagieren?

Es braucht einen guten persönlichen Kontakt und Austausch, um Mitglieder für den Vorstand zu motivieren. Die Entschädigung in Form von persönlichem Erfahrungsgewinn, Netzwerkaufbau sowie der Möglichkeit, etwas mitzugestalten, können auch Ansporn für ein Engagement sein. Bei Anfragen steht oft der Aufwand für ein Amt im Fokus. Doch auf der anderen Seite gehören auch die Freude, die persönliche Entwicklung und das Erfüllende einer Tätigkeit in die Waagschale. Persönlich finde ich es ideal, wenn neue Frauen in den Vereinen regelmässig in verschiedene kleinere Aufgaben involviert werden, sodass sie idealerweise Freude daran bekommen und sich gut in den Verein eingebunden fühlen. So können sie in Aufgaben hineinwachsen und sind vielleicht später bereit, im Vorstand mitzuarbeiten.

Weshalb sollten Mitglieder sich überhaupt für ein Vorstandsamt zur Verfügung stellen?

Um den Verein lebendig und attraktiv zu halten, ihn weiterzuentwickeln und mitzugestalten. So ist die Organisation weiterhin zeitgemäss unterwegs und ihre Zukunft kann gesichert werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, wenn über längere Zeit kein neues Vorstandsmitglied gefunden werden kann?

Zu klären ist, wie viele Vorstandsmitglieder gemäss den Vereinsstatuten mindestens vorgeschrieben sind, damit der Vorstand beschluss- und funktionsfähig bleibt. Je nach Situation kann ein Vergrössern des Vorstandes bewirken, dass die Ämter kleiner und besser stemmbar werden. Im Gegenzug kann ein Verkleinern des Vorstandes Prozesse verschlanken und die Arbeiten allenfalls einfacher und effizienter machen. Interview Corina Blöchlinger-Dürst

Wann ein- und aussteigen?

Verbandsarbeit / Zwei Bäuerinnen sprechen über ihr Engagement und den richtigen Moment zum Aufhören.
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Jenny Grin ist in Aufbruchstimmung: In wenigen Tagen fährt sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern eine Woche in die Ferien. «Erst in die Nähe von Nantes in Frankreich zu einer befreundeten Bauernfamilie, dann einige Tage Camping», erzählt sie mit Vorfreude. Doch auf dem Hof ist bis zum Reisestart noch viel zu tun.

Die Westschweizerin arbeitet mit ihrem Mann Yann auf einem Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb mit 70 Kühen in Belmont-sur-Yverdon VD. Er gehört zu einer Betriebsgemeinschaft, der zweite Hof ist in Valeyres-sous-Ursins VD, dort sind die Milchkühe untergebracht. Seit dem Frühling engagiert sie sich zudem neu im Vorstand des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV).

Sichtbar werden

Bereits seit vielen Jahren ist Jenny Grin in der Waadtländer Bäuerinnenorganisation (APV) aktiv. «Das erschien mir logisch», sagt die Bauerntochter, die auf einem Betrieb mit Milchwirtschaft und Pferdezucht im Vallée de Joux aufgewachsen ist. «Es geht mir dabei darum, die Arbeit und die Rolle der Frauen auf den Betrieben aufzuzeigen. Sie bleiben oft unsichtbar.» Der Grund dafür? «Man redet zu wenig in der Landwirtschaft.»

So sei sie «schockiert» gewesen, als sie in den ersten Jahren beim APV realisierte, dass viele Frauen in der Landwirtschaft gar nicht oder nur unzureichend sozialversichert seien, sagt die 39-Jährige. «Denn das haben wir bei uns auf dem Hof ganz anders geregelt. Ich bin als landwirtschaftliche Mitarbeiterin auf dem Betrieb angestellt.»

«Ich arbeite dort, wo es gerade gefragt ist», erklärt die ausgebildete sozialpädagogische Assistentin weiter. Die grossen Maschinen überlässt sie aber lieber ihrem Mann. Zusätzlich zur Hof- und Familienarbeit und ihrem Engagement für die APV steckt Jenny Grin mitten in der Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis.

Unterstützung annehmen

Nun kommt noch die Arbeit für den SBLV-Vorstand dazu. Die Frage, ob und wie sie das alles unter einen Hut bringe, treibt Jenny Grin nicht um. «Die Kinder sind schon etwas grösser und sowohl mein Mann als auch die Schwiegereltern und meine Mutter unterstützen mich bei Bedarf.» Zudem sei sie recht gut im Organisieren, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Sie weiss aus dem APV, wie schwer es sein kann, Freiwillige für Ämter zu finden. Dort ist seit einiger Zeit ein Vorstandsposten vakant. Doch die Arbeit in den Vereinen und Verbänden sei wichtig, so Jenny Grin. «Der Kontakt mit anderen Frauen macht Mut. Man merkt, dass man nicht allein ist, dass andere ähnliche Probleme haben.» Und sie möchte sich dafür einsetzen, dass die Frauen auf dem Land nicht länger unsichtbar bleiben, dass sie die An-erkennung bekommen, die sie verdienen.

Der richtige Moment

Im Gegensatz zu Jenny Grin kann Flavia Meier auf fünf Jahre Erfahrung zurückblicken: Bekannt unter ihrem ledigen Namen Flavia Ursprung war sie bis diesen Frühling im SBLV-Vorstand. «Ich war sehr gern dabei», sagt die Bäuerin aus Seengen AG. «Doch ich wollte aufhören, bevor die Arbeitsbelastung zu gross wird.»

Denn Flavia Meier und ihr Mann haben Anfang Jahr den Hof von ihrem Schwiegervater übernommen. «Entweder ganz oder gar nicht, das braucht vor allem in der ersten Zeit Einsatz und Flexibilität.» Bei ihrer 60-Prozent-Anstellung am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg habe sie dafür etwas Spielraum.

Diese Anstellung aufzugeben, war aus finanziellen Gründen keine Option. Zwar wird das Engagement im SBLV-Vorstand bezahlt und der Aufwand entspricht etwa einem 20- bis 30-Prozent-Job. Doch die Einsätze sind unregelmässig übers Jahr verteilt und werden entsprechend unregelmässig vergütet.

So ganz alles aufgeben, das wollte Flavia Meier aber nicht: Sie ist unter anderem immer noch in der Junglandwirte-Kommission (Jula) und in der schweizerischen Bürgschaftsgenossenschaft. «Das will ich nicht missen», sagt die 28-Jährige. «Und wer weiss, vielleicht engagiere ich mich in zehn Jahren wieder vermehrt beim SBLV.» Cornelia von Däniken