«Die Risiken sind genau da, wo auch die Chancen liegen: in der Familie.» Diese Aussage von August Oetkers, bis 2019 Leiter des gleichnamigen, deutschen Lebensmittelkonzerns, trifft den Nagel auf den Kopf. In den Familienbetrieben aller Branchen ist die Familie selber die grösste Kraftquelle – gleichzeitig aber auch die sensibelste, was Störungen anbelangt.
Alles am gleichen Ort
Berufstätige Personen bewegen sich im Alltag zwischen Beruf, Familie und Freizeit. Die Bereiche, sowie die damit verbundenen Rollen und Aufgaben, sind meistens örtlich getrennt und durch unterschiedliche Personen geprägt. Die Menschen im (landwirtschaftlichen) Familienbetrieb bewegen sich jedoch in den zwei Kreisen «Familie» und «Unternehmen» gleichzeitig. Eines (oder mehrere) Familienmitglieder ist zusätzlich Eigentümer und bewegt sich auch im dritten Kreis «Eigentum».
Dazu kommt: Alle drei Kreise befinden sich am gleichen Ort. Das heisst: Die gleichen Menschen stehen sich am gleichen Ort immer wieder gegenüber – immer wieder in wechselnden Rollen und Zuständigkeiten. Als Bauernfamilie kennt man nichts anderes, trotzdem ist es anspruchsvoll, die Situation immer zu durchschauen und richtig zu reagieren.
Vor- und Nachteile von Familienbetrieben
Vorteile | Nachteile |
langfristige Perspektive: denken in Generationen nicht in Quartalen | Familienkonflikte wirken ungefiltert auf das Unternehmen ein |
starke Unternehmenskultur und Bindung der Mitarbeitenden und Familienmitglieder | Erwartungshaltungen innerhalb der Familie und der Generationen. Man kann das System nicht einfach, oder nur schwer, verlassen. |
hohes Bewusstsein für gute fachliche Arbeit und Qualität der Produkte | gehemmte strategische Entwicklung durch hohe Arbeitsbelastung/Tagesgeschäft und fehlender Aussensicht |
kurze Entscheidungswege, schnelle Entscheidungen sind möglich | Wenig/kein Controlling, fehlende Transparenz, wie Entscheidungen getroffen werden |
Gegenseitiges Vertrauen als grosses Kapital | Misstrauen, persönliche Angriffe, als Belastung |
Quelle Lisa Vogt Altermatt
Drei Kreise – drei Logiken
Sich in zwei, oder sogar drei, der Kreise auszukennen ist eine grosse Chance für das Familienunternehmen. Sich bewusst in den verschiedenen Kreisen zu bewegen, hat aber seine Tücken, weil jeder Kreis seine eigene Logik und Werte hat.
- In der Familie stehen zum Beispiel die (nicht austauschbaren) Menschen im Zentrum. Die «Währung» heisst Liebe, Treue, Loyalität.
- Im Unternehmen geht es aber um Funktionen und Kompetenzen und als «Währung» gelten Arbeitskraft und Engagement.
Da steht das berühmte Fettnäpfchen überall bereit und Missverständnisse sind vorprogrammiert.
Personalentwicklung kommt meist zu kurz
Im Normalfall verfolgen Familienbetriebe das langfristige Ziel, das Unternehmen so aufzustellen, dass auch die kommende Generation eine gute Lebensgrundlage hat. Die Ausrichtung des Betriebes richtet sich dabei nach den vorhandenen Fähigkeiten und den Interessen der aktiven Generation. Personalentwicklung, um sich auch in Zukunft am Markt positionieren zu können, kommt in kleinen Familienbetrieben jedoch eher zu kurz.
Realisieren die Entscheidungsträger, dass betriebliche Entscheidungen nicht immer auf sachlichen oder wirtschaftlichen Faktoren basieren, sondern auch durch familiäre Emotionen geprägt oder gar überlagert sind, ist bereits ein wichtiger Schritt in Richtung Abgrenzung und Bewusstsein gemacht.
Hinschauen beim Generationenwechsel
Das vielfältige Tagesgeschäft ist immer ein guter Vorwand, warum grundsätzliche Dinge und Zuständigkeiten nicht geregelt werden. Abgesehen davon, dass viele Familien(betriebe) Regelungen anstrengend und überflüssig finden – schliesslich ist man ja Familie.
Spätestens beim Generationenwechsel und wenn neue Personen zur Familie stossen, lohnt es sich aber, die drei Kreise genau anzuschauen: Die Rollen und die Zugänge zu den Kreisen werden neu verteilt und von aussen kommt frischer Wind hinzu. Das sollte genutzt werden, um die Segel neu zu setzen und für das Unternehmen wie auch für die Familie eine Strategie zu entwickeln, damit alle wissen, was wo gilt.
Konflikt als Chance nutzen
Im System Familie-Unternehmen-Eigentum gibt es viel Potenzial für Missverständnisse und Konflikte. Oft geht es um die Vermischung von unternehmerischen und persönlichen Themen oder unklare Rollen und Zuständigkeiten.
Die gute Nachricht: Konflikte sind normal und ein gutes Zeichen für hohes Engagement und Interesse der beteiligten Personen. Die Herausforderung: Die Familie muss lernen, in Konflikten die Chancen zu sehen und, anstelle von Schuldzuweisungen, eine Kultur von Lösungsorientierung, Weiterentwicklung aufbauen.
Lösungen finden
Hilfreiche Anker auf dem Weg der Konfliktbewältigung im Familienunternehmen sind folgende Punkte:
- Niemand ist schuld, wir suchen den Fehler im Prozess, im System, bei den Umständen.
- Worum geht es genau? In welchem Kreis steckt der Wurm drin? In welchen Rollen befinden wir uns?
- Verhandeln über die Sache, statt streiten und
sich gegenseitig Vorwürfe machen. - Offenheit und echter Wille, unterschiedliche Bedürfnisse zu erkennen und zu verstehen.
- Echter Wille, die Kultur von Lösungsorientierung und Verbesserung zu pflegen.