AboZahlungsrahmen 2026 bis 202992 Millionen Direktzahlungen einsparen – «Bauernfamilien sollen bluten»Mittwoch, 11. Oktober 2023 Seit der Bundesrat zum ersten Mal eine Kürzung des Agrarbudgets wegen des aus den Fugen geratenen Bundeshaushalts in Aussicht gestellt hat, liefen Landwirtschaftsvertreter dagegen Sturm. In der Vernehmlassung zum landwirtschaftlichen Zahlungsrahmen für die Jahre 2026 bis 2029 bekamen sie Unterstützung von allen bürgerlichen Parteien, SP, den Grünen und 22 Kantonen. Doch der Bundesrat weicht nicht von seinem Plan ab.

230 Millionen Franken weniger

1,6 Prozent oder 230 Millionen Franken tiefer liegt der heute verabschiedete Zahlungsrahmen im Vergleich zur laufenden Periode (2022 bis 2025). Aus Sicht des Schweizer Bauernverbands (SBV) stellt der Bundesrat damit den Sinn einer Vernehmlassung infrage. Das Festhalten an den Sparplänen im Sektor Landwirtschaft sei ausserdem nicht nachvollziehbar, da dieser Ausgabenbereich – im Gegensatz zu anderen – seit Jahrzehnten stabil geblieben sei, die Anforderungen an die Betriebe für den Erhalt von Direktzahlungen stetig stiegen und die Einkommen bereits auf tiefem Niveau seien.

Besser gerüstet für die Zukunft

Mehr Pflanzliches auf dem TellerDer Bundesrat soll beim Pflanzenbau nicht nur A, sondern auch B sagenDienstag, 18. Juni 2024 Was beim SBV hingegen auf Zustimmung stösst und was in der Vernehmlassung grossmehrheitlich begrüsst worden ist, ist die vorgesehene Stärkung der «Investitionen in die Produktionsgrundlagen». Zu diesem Zweck sollen die Mittel für Strukturverbesserungen sowie Pflanzenzüchtung und nachhaltigen Pflanzenschutz um 84 Millionen respektive 24 Millionen Franken steigen. Im Vorfeld zum Bundesratsentscheid bezüglich Zahlungsrahmen hatten der SBV, IP-Suisse und die Produzentenverbände aus dem Bereich Pflanzenbau in einer gemeinsamen Mitteilung unter anderem eine Stärkung von Züchtung und Sortenprüfung gefordert.

«Auf diese Weise will der Bundesrat die Resilienz der Lebensmittelversorgung und die Ernährungssicherheit langfristig verbessern», heisst es von Seiten Bund. Das seien auch zentrale Anliegen von Parlament und Bundesrat für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik 2030. Einen Haken beim Aufbau der Mittel für die Strukturverbesserung hat allerdings die Vernehmlassung zutage gefördert: die Kantone Solothurn, Nidwalden, Glarus und Baselland haben darauf hingewiesen, dass sie die entsprechende Erhöhung aus kantonalen Mitteln für die Kofinanzierung nicht zusichern könnten.

«Moderate Umverteilung»

Wenn die Finanzen für die Landwirtschaft insgesamt sinken sollen, sind Umlagerungen angesichts der oben ausgeführten Aufstockungen unumgänglich. Nach dem Willen des Bundesrats soll sie zulasten der Direktzahlungen und des Zahlungsrahmens Produktion und Absatz gehen. Namentlich sind Kürzungen bei den Versorgungssicherheits-Beiträgen (vor allem beim Basisbeitrag) vorgesehen. Bei Produktion und Absatz sollen «geringfügige Anpassungen» mehr Mittel zum Umverteilen freischaufeln, etwa ein kleineres Budget für die Milchzulagen (weil mit einer geringeren Milchmenge gerechnet wird). Landwirtschaftliche Branchenorganisationen haben die Kompensationen in der Vernehmlassung kritisiert. Für das Basismarketing müssten insbesondere aus Sicht der Milchbranche gleich viele Mittel wie bisher zur Verfügung stehen. Zuckerwirtschaft sowie Produzenten und Verwerter von Ölsaaten haben sich gegen tiefere Einzelkulturbeiträge ausgesprochen.

Verschiebung «dämpft» Einkommen  

Der Bundesrat geht, basierend auf einer Modellierung von Agroscope, davon aus, dass sich die Verschiebung von Direktzahlungsmitteln zu den Strukturverbesserungsmassnahmen «kurzfristig dämpfend» auf das landwirtschaftliche Einkommen auswirken wird. Die positive Einkommenswirkung von Investitionshilfen werde sich erst verzögert zeigen. In der Vernehmlassung wurden die Grundlagen für diese Berechnungen aber mehrfach infrage gestellt. So haben gemäss Bericht bäuerliche Kreise geltend gemacht, dass die Erhöhung der Marktpreise um 3,6 Prozent zu optimistisch geschätzt sei. Mit einer Erhöhung des Produktionswerts ist ihrer Ansicht nach nicht zu rechnen, da der Pflanzenschutz zunehmend eingeschränkt und er Klimawandel herausfordernder werde. Auch sei nicht von einer sozialverträglichen Entwicklung zu sprechen, da tiefere Direktzahlungen für die Bauernfamilien direkt einkommenswirksam sind. «Der Bundesrat ist gesetzlich verpflichtet, Massnahmen für angemessene Einkommen zu ergreifen», erinnert der SBV. «Nun tut er das Gegenteil.»

SBV will sich wehren

In Stein gemeisselt sind die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft noch nicht. Die definitiven Voranschlagkredite müssen jährlich beantragt und vom Parlament beschlossen werden. «Der Bauernverband wird sich vehement gegen die geplante Kürzung wehren», so die Kampfansage des SBV. 2023 konnte die ursprünglich vom Bundesrat vorgesehene lineare Senkung der Direktzahlungen dank der Debatte im Parlament abgewendet werden.