Auf ihrem Bauernhof produziert die Familie Cattin mit einer Biogasanlage Strom für über 1000 Haushalte. Die Ende 2020 fertig erstellte Anlage ist mittlerweile ein fester Betriebszweig des Betriebs. Die Anfänge waren aber alles andere als rosig.[IMG 2]

«Wenn mich kurz nach der Erstellung der Anlage jemand nach meiner Motivation gefragt hätte, warum ich diese gebaut habe, dann hätte ich geantwortet: Ich wolle sonntags arbeiten und sonst auch mehr Probleme auf dem Betrieb haben», antwortete Julien Cattin lachend. Gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet er einen 60 ha grossen landwirtschaftlichen Betrieb in der Region Ajoie im Kanton Jura.

Neues Standbein für Betrieb

«Wir haben lange nach etwas gesucht, um unseren Betrieb zu diversifizieren», erzählt Julien Cattin. Auf die Idee einer Biogasanlage kamen sie über einen Bekannten. Anfangs wollten sie zusammen mit fünf weiteren Landwirten eine zentral gelegene, grössere Anlage aufstellen. Das ging jedoch von der Raumplanung her nicht.

Schliesslich haben sie sich dazu entschieden, das Projekt im Alleingang auf ihrem Hof durchzuführen. «Die anfangs grössten Schwierigkeiten hatten wir in der Planungsphase, aber auch hier wieder mit der Raumplanung», beschreibt Cattin die Herausforderungen zu Beginn. Es sei zum Beispiel verlangt worden, dass die Gärbehälter nicht weiter als 15 m vom Hofgebäude entfernt stehen dürfen oder, dass die Abdeckung in brauner Farbe zu streichen sei. Gegen Letzteres habe man sich dann erfolgreich gewehrt; die Deckel der Gärtanks sind nun im Werk-Grün gehalten. Als dann die Baubewilligung vorlag, ging schliesslich alles sehr schnell. Sowohl die Anlage als auch die Maschinen waren rasch aufgestellt. Die grössten Probleme standen den Cattins jedoch noch bevor.

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Schwieriger Start

Als am 1. November 2020 die Anlage schliesslich stand, fingen die Probleme erst so richtig an. Der Computer für die Steuerung und eine von der Herstellerfirma als «Wunder» angepriesene Pumpe haben überhaupt nicht funktioniert. «Die Nerven lagen bei uns blank», beschreibt Cattin die Situation. «Wir haben jedoch nicht aufgegeben und uns von Problem zu Problem durchgearbeitet.». Eineinhalb Jahre habe man schliesslich gebraucht, bis man sämtliche Probleme und Fehler behoben habe und die Anlage endlich voll produzieren konnte.

Bei Stromspitzen Vollgas

Produzieren heisst, dass aus dem auf dem Betrieb anfallenden Ausgangsmaterial wie Gülle, Maishäckselstroh, Mist und sonstigen pflanzlichen Abfällen Methangas (CH4) entsteht. Dieses wird im Gasmotor verbrannt und mittels Generator in elektrische Energie umgewandelt. Diese wird in das örtliche Stromnetz eingespeist. Ein Abnahmevertrag garantiert die Abnahme einer gewissen Mindestmenge an Strom (siehe unten). Dieser wurde mit der Elektrizitätsgesellschaft abgeschlossen, welche auch den Generator aus der Ferne steuert. Die Anlage wird also je nach Bedarf im Netz zu- oder abgeschaltet. «Auf Vollgas läuft der Motor, wenn wir helfen, die Bedarfsspitzen abzudecken, dann verdienen wir auch mehr am Strom», ergänzt Julien Cattin. Nach so einem Vollgaseinsatz sei jedoch der Gasspeicher wieder leer. Dann wird der Motor für eine Weile abgeschaltet, damit sich die Gasvorräte wieder auffüllen können.

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Richtige Fütterung gibt Gas

Damit diese sich auch genug rasch auffüllen, ist es entscheidend, die Anlage richtig zu «füttern». Die Qualität des zu vergärenden Ausgangsmaterial kann je nach Witterung oder weiteren Faktoren (z. B. Tiere auf Weide) stark variieren. Am Anfang habe man darum regelmässig Proben (u.A. Fettsäuren-, Wassergehalt) entnommen und analysiert, um ein Bild von der Qualität der Vergärung zu bekommen. Mittlerweile verfüge man jedoch über die nötige Erfahrung und genug Feingefühl, um die richtige Mischung hinzubekommen.

Von der Zukunft erhofft sich Julien Cattin weniger administrativen Aufwand und mehr Freiheiten. Den Bau der Anlage bereue man nun nicht mehr. Sie läuft nämlich mittlerweile einwandfrei, im Schnitt verbringe man zwei Stunden pro Tag für Routinearbeiten (Kontrolle, Fütterung). Es bleibe wieder genügend Zeit für Feldarbeiten und die Tiere.

Betriebsspiegel Ferme Cattin

Name: Familie Cattin – Biogaz de la Baroche
Ort: Miécourt JU
Kulturen: 60 ha, Silomais, Körnermais, Proteinerbsen, Roggen, Gerste, Raps und Zuckerrüben
Viehbestand: 300 Mastmunis

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Biogas-Produktion kurz erklärt

Organisches Ausgangsmaterial wie Mist wird in speziellen Behältern vergoren. Bei diesem Prozess werden die im Material enthaltene Zuckerarten, Fettsäuren und Proteine vergoren, d.h. abgebaut.

Vergärung erzeugt Gas

Dieser unter Sauerstoffausschluss stattfindenden Prozesse geschehen mithilfe von verschiedenen Mikroorganismen. Diese bauen das Ausgangsmaterial zu zahlreichen Nebenprodukten und zuletzt zu brennbarem Methangas (CH4) und Kohlendioxid (CO2) um. Im Idealfall entsteht so zum Beispiel aus einer Tonne Rindergülle 25 m3 Biogas mit einem Methangehalt von 60 Prozent.

Reinigung und Verbrennung

Für die Nutzung muss dieses erzeugte Gas zuerst entschwefelt (Schwefelwasserstoff H2S wird in geringen Mengen bei der Vergärung gebildet), getrocknet (Entzug Wasserdampf) und vom CO2 (zum Beispiel mit Hilfe einer Membran) befreit werden. Ein nachgelagerter Gasmotor verbrennt das produzierte Gas und erzeugt mit Hilfe eines Generators daraus Strom, welcher in das Stromnetz eingespeist wird.

Biogaz de La Baroche

Im Jahr werden etwa 9000 m3 flüssig und 3000 m3 fest vergoren. Daraus werden jährlich 4,7 Mio kW/h produziert.

  • Totales Fassungsvermögen: Vorlager 500 m3, 1. Bioreaktor für Hauptgärung 2400 m3, 2. Bioreaktor für Nachgärung 1800 m3, 3. Behälter für Lagerung 6000 m3.
  • Zeit zur Vergärung: Zwischen 50 und 60 Tage pro m3.
  • Leistung Gasmotor: Im Durchschnitt 550 kW/h, bei Volllast 732 kW/h.
  • Abnahme Strom: Für 4,5 Mio kW/h besteht ein Abnahmevertrag für Fr. 0.34 pro kW, der Rest wird zum aktuellem Marktpreis verkauft.

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