Die Biodiversitäts-Initiative hat weder den Bundesrat noch den Nationalrat überzeugt: Beide lehnen das Volksbegehren ab, wollen ihm aber einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellen. Dieser solle dafür sorgen, dass schweizweit genügend Schutzflächen zur Sicherung des Lebensraums von Tieren und Pflanzen geschaffen und vernetzt werden. Die Meinung des Schweizer Bauernverbands (SBV) zu diesem Vorhaben ist klar. «Der ländliche Raum würde völlig ausgebremst.»
Zusätzlich Hunderttausende von Hektaren
So lautete die Reaktion des Verbands auf die Zustimmung der Grossen Kammer für den indirekten Gegenvorschlag. Dass der Nationalrat das konkrete Flächenziel von 17 Prozent der Landesfläche aus der Vorlage durch einen qualitativen Ansatz ersetzt hat, änderte nichts daran, dass der SBV massive Kulturlandverluste befürchtet. Er rechnet mit zusätzlichen 150‘000 ha für die vorgesehenen Kerngebiete sowie mehreren Hunderttausend Hektaren für Vernetzungsgebiete. Ausserdem gebe der indirekte Gegenvorschlag dem Bundesrat allzu weitreichende Kompetenzen zur Ausscheidung von Flächen. Die Regierung sollte es in der Hand haben, in welchem Umfang Schutzgebiete ausgeschieden werden müssten und welchen Anforderungen sie zu genügen hätten, so der Gegenvorschlag.
In den Kriterien für Biodiversitätsflächen liegt denn auch die Krux: In verschiedenem Zusammenhang werden Prozentzahlen genannt, dabei ist aber immer die zugrundeliegende Definition zu beachten.
30 Prozent für die Biodiversität bereits möglich
Die Weichen für die Beratungen zur Biodiversitäts-Initiative im Ständerat sind nun in die andere Richtung gestellt: Die vorberatende Kommission der kleinen Kammer (Urek-S) hat dem indirekten Gegenvorschlag mit sechs zu fünf Stimmen bei einer Enthaltung eine knappe Abfuhr erteilt. In der Schweiz würden die Voraussetzungen bereits bestehen, um genügend Flächen für die Biodiversität zu bestimmen. Damit sei es möglich, die Forderung des internationalen Übereinkommens von Kunming-Montreal zu erfüllen, die mindestens 30 Prozent Flächen zur Biodiversitätsförderung zu sichern vorgibt. Hier ist die Definition entsprechender Gebiete allerdings unklar.
Zwar argumentiert die Kommissionsmehrheit mit anderen Nutzungsinteressen, die der Gegenvorschlag zu wenig berücksichtige. Sie hat aber primär den Ausbau der Energieproduktion im Blick und nicht die Landwirtschaft.
Fokus auf die Qualität legen
Nichts destotrotz zeigt sich der SBV erleichtert und schreibt, die Vernunft habe in der Urek-S gesiegt. Bereits heute seien fast 20 Prozent der für die Lebensmittelproduktion nutzbaren Flächen für die Förderung der Biodiversität reserviert und fast drei Viertel davon auch vernetzt. «Statt die Flächen stetig weiter zu erhöhen, muss der Fokus nun auf die Qualitätsförderung gerichtet werden», findet der SBV. Als nächstes wird der Ständerat über die Vorlage beraten.
Initiative und Gegenvorschlag
Die Biodiversitäts-Initiative schlägt für einen besseren Schutz der Artenvielfalt in der Schweiz eine ausdrückliche Verpflichtung von Bund und Kantonen vor, die erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Stärkung und Sicherung der Biodiversität zur Verfügung zu stellen. Es sollen entsprechende Schutzobjekte ausgeschieden werden.
Ziel: 17 Prozent
Nach Ansicht des Bundesrats würde damit der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen zu stark eingeschränkt. Mit seinem indirekten Gegenvorschlag will er aber dem anerkannten Handlungsbedarf Rechnung tragen und schlägt ein Ziel von 17 Prozent der Landesfläche für die Biodiversität vor (aktuell sei man bei 13,4 Prozent). Diese soll aus Kerngebieten bestehen, wozu nationale, regionale und lokale Biotope zählen würden. Dazu gehörten u.a. auch Trockenwiesen und -weiden oder landwirtschaftliche BFF mit hoher Lebensraumqualität (BFF QII). Hinzukämen Vernetzungsgebiete als Korridore zwischen naturnahen Lebensräumen. Als weiteren Fokus will der Bundesrat den ökologischen Ausgleich im Siedlungsgebiet voranbringen, wobei naturnah gestaltetes Siedlungsgebiet ebenfalls zur Vernetzungsfläche zählen soll. Pro Jahr wäre für die Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags eine Summe von 96 Millionen Franken vorgesehen.
Flächenziel gestrichen
Der Nationalrat hat den Gegenvorschlag in der Herbstsession teilweise entschärft, indem er das konkrete Flächenziel gestrichen hat und den Kantonen mehr Mitspracherecht einräumen will. In der Grossen Kammer versicherte die damalige Umweltministerin Simonetta Sommaruga, der Bundesrat wolle in der Summe nicht mehr Biodiversitätsförderflächen. Vielmehr gehe es darum, deren Qualität zu fördern und es würde auch niemand enteignet. Auf den bereits ausgeschiedenen Flächen gibt es nach Meinung des Bundesrats viele Aufwertungsmöglichkeiten.