WAK-SDie Zeichen stehen weiterhin auf Abschaffung der Acker-BFFMontag, 6. Mai 2024 Zu den bekannten Argumenten gegen die Einführung der Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau (Acker-BFF) – Flächen für die Lebensmittelproduktion nutzen, bereits übertroffene Mindestanforderung zu BFF-Anteilen auf Schweizer Betrieben, administrativer Mehraufwand, neue Kontrollen – gesellte sich in der Debatte im Ständerat ein neues. Genauer gesagt versuchten Esther Friedli (SVP, ZH) und Peter Hegglin (Mitte, ZG), den Befürwortern den Wind aus den Segeln zu nehmen. «Die 3,5 Prozent waren nicht in der Pa. Iv. 19.475 enthalten», so Peter Hegglin. Diese Massnahme sei vorgängig nie im Parlament zur Debatte gestanden, sondern via Bundesrat auf Verordnungsebene zur Umsetzung der Absenkpfade vorgeschlagen worden.

Im Abstimmungskampf genutzt

Die Pflicht zu 3,5 Prozent Acker-BFF sei aber eine wirksame Massnahme zur Umsetzung der  Absenkpfade, hielt Tiana Angelina Moser (GLP, ZH) dagegen. «Es ist fraglich, ob die Ziele ohne diese Pflicht erreicht werden können.» Auch seien die 3,5 Prozent als Teil des Umsetzungsplans für die Absenkpfade im indirekten Gegenvorschlag zur Trinkwasser- und Pestizidverbots-Initiative veröffentlicht worden. Man habe damit für die Ablehnung dieser Initiativen argumentiert, erinnerte Moser.

«Es ist genau andersherum»

Celine Vara (Grüne, NE) erinnerte an die Glaubwürdigkeit des Parlaments, die durch ständige Meinungswechsel geschädigt würde. Angesichts dessen, dass im Auftrag des Parlaments (im Rahmen der Motion Friedli) bereits zusammen mit der Branche Anpassungen ausgearbeitet worden sind, seien Vorstösse zur weiteren Verbesserung oder Abschaffung der 3,5 Prozent Acker-BFF «völlig überholt». Ausserdem glaubten die Motionäre zu Unrecht, dadurch die Lebensmittelproduktion zu unterstützen. «Es ist genau andersherum», ist Moser überzeugt. Schliesslich stellten gesunde Böden, Biodiversität und sauberes Wasser die Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion dar.

Nur 1 Prozent BFF im Ackerbaugebiet

Aktionsplan Pflanzenschutzmittel«Grosse Lücken im Pflanzenschutz»: Der Bundesrat spricht KlartextMittwoch, 8. Mai 2024 Unterstützung fand die Neuenburgerin bei Ihrer Luzerner Mitte-Kollegin Andrea Gmür-Schönenberger. «Auch ich habe der Motion Friedli zugestimmt, aber jetzt fühle ich mich etwas über den Tisch gezogen», bemerkte Gmür. Für sie ähnle es einer Salamitaktik, die Einführung der 3,5 Prozent zuerst zweimal zu verschieben und dann am Ende ganz abschaffen zu wollen. Und auch wenn der Anteil an BFF an der gesamten LN bei 19 Prozent liege, so betrage er auf Ackerfläche nur ein Prozent – obwohl wissenschaftliche Studien nahelegen würden, dass 5 Prozent drin liegen sollten. Er sei doch sonst ein grosser Bienenförderer, sagte Gmür an Peter Hegglin gewandt. Sie spielte damit auf dessen Motion zur Sicherung der Bestäubung an, die den Bundesrat mit der Schaffung passender Gesetzesgrundlagen und neuen Massnahmen beauftragt. Aus Sicht der Luzernerin wäre es nur konsequent, wenn Hegglin für die Pflicht zu Acker-BFF stimmen würde.

Bereits am Ziel des Aktionsplans

Dieser wiederum blätterte im Ständerat im Zwischenbericht zur Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel und zitierte daraus, dass die gesteckten Ziele bis 2027 bereits erreicht seien. Nur beim Grundwasser sei das noch nicht der Fall, was Peter Hegglin auf die langsame Grundwasserbildung zurückführte. Die Autoren kämen auch zum Schluss, dass es keine neuen Massnahmen brauche und man sich besser auf die Umsetzung bestehender fokussieren sollte.

Ursachen «nicht ganz klar ausgewiesen»

Die 3,5 Prozent Acker-BFF waren ursprünglich als Teil der Absenkpfade zur Reduktion der Nährstoffverluste und Pflanzenschutzmittelrisiken gedacht. Doch im Streit um ihre Einführung war der direkte Effekt dieser Massnahme zum Schutz der Biodiversität ein wichtiger Aspekt. «Die Biodiversität hat gelitten», räumte Peter Hegglin im Ständerat ein. «Es wäre aber falsch zu sagen, es sei vor allem die Landwirtschaft daran schuld.» Die Gründe für den Rückgang der Biodiversität seien «nicht ganz klar ausgewiesen» und es gebe immer neue Studien, die andere Ursachen benennen würden. Ausserdem nutze die Landwirtschaft nur 18 Prozent der Landesfläche – «Es gibt mehr als 80 Prozent andere Flächen, die auch einen Beitrag leisten sollten und können.»

Entscheid für weitere Planungssicherheit

AboAcker-BFF sind bereits im letzten Jahr angelegt worden. Zahlen zu den genauen Flächen liegen aktuell keine vor. Biodiversität im AckerbauAuch ohne Pflicht zu Acker-BFF: Die Beiträge würden bleibenSamstag, 25. Mai 2024 Nach Meinung von Peter Hegglin haben die 3,5 Prozent von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden. «Manchmal ist es besser, ein Projekt abzubrechen und neu zu starten, statt es immer wieder anzupassen und zu verändern», findet der Zuger. Der Bundesrat habe mit der Vernehmlassung zu seinen Anpassungvorschlägen und der zweimaligen Verschiebung davor alles gemacht, was das Parlament ihm aufgetragen habe, hielt Agrarminister Guy Parmelin fest. Jetzt brauche es einen Entscheid, damit wieder Planungssicherheit herrscht.

Keine Pflicht, Beiträge bleiben

Mit 25 Ja- zu 16 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen hat der Ständerat seine Entscheidung getroffen, die Motion Grin angenommen und damit die Pflicht zu 3,5 Prozent Acker-BFF vor ihrer Einführung abgeschafft. Wie das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Vorfeld bereits gegenüber der BauernZeitung erklärt hat, bleiben die Beiträge für Acker-BFF gemäss Direktzahlungsverordnung aber weiterhin bestehen.

 

Hauptgrund liege in der EU

Der Schweizer Bauernverband hat sich wiederholt gegen die 3,5 Prozent Acker-BFF ausgesprochen und zeigt sich in einer Mitteilung entsprechend erfreut über den Parlamentsentscheid. Ausschlaggebend dafür sei ein ähnlicher Meinungsumschwung im EU-Parlament gewesen. Dieses will nun auf die Stilllegung von 4 Prozent des Ackerlands verzichten. Als weiteren Hauptgrund für das Kippen der 3,5 Prozent in der Schweiz sieht der SBV die Erkenntnis, dass «immer mehr unentschädigte Auflagen ein wichtiger Grund für die Unzufriedenheit in der Landwirtschaft und die Bauernproteste darstellen.» Weiter habe der Bundesrat in der Vernehmlassung zur Anpassung der Vorgaben selbst deren Streichung als Variante vorgeschlagen und sei daher ebenfalls ein Faktor, der zur Abschaffung beigetragen habe. «Der SBV erachtet den Entscheid im Sinne der Ernährungssicherheit als richtig», heisst es weiter. Für mehr Biodiversität gebe es ein «reiches Angebot» an entsprechenden Labelprogrammen.

Thema weiterhin offensiv angehen
«Der unbestrittene Bedarf an mehr Biodiversität im Ackerland bleibt bestehen», ist sich die Agrarallianz sicher. Ihrer Meinung nach ist der Entscheid des Parlaments «enttäuschend». Damit falle eine bedeutende Massnahme zur Umsetzung der Absenkpfade weg. Man appelliere aber an die landwirtschaftlichen Akteure und Marktpartner, das Thema Biodiversität weiterhin offensiv anzugehen. Mehrere grosse Projekte bzw. Labelprogramme würden zeigen, dass Biodiversitätsförderung und Lebensmittelproduktion Hand in Hang gingen. «Ein Schlüsselfaktor all dieser Erfolgsmodelle besteht in der übergreifenden Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Landwirtschaft, Marktpartnern und Umweltorganisationen», schliesst die Agrarallianz.

Ja zur Initiative
Die Umweltverbände nehmen die Streichung der 3,5 Prozent-Pflicht zum Anlass, um für ein Ja zur Biodiversitäts-Initiative zu werben. Die Politik ignoriere das Artensterben, es fehle aber angesichts des «dramatischen Zustands» der Biodiversität die Zeit für weitere Umwege und Debatten.