Nach dem Nationalrat will auch die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK-S) die Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche im Ackerbau (Acker-BFF) ganz kippen. Sie hat eine entsprechende Motion von alt Nationalrat Jean-Pierre Grin (SVP, VD) mit 8 zu 3 Stimmen angenommen, wie die Parlamentsdienste mitteilen. Grin hatte die Motion vor zwei Jahren eingereicht, ihre Annahme glich Anfang Jahr einem Paukenschlag: Zuvor noch hatte das Parlament beschlossen, die auf Januar geplante Acker-BFF-Pflicht zu verschieben.
«Sinnvoller Kompromiss»
Der Entscheid sei nach einer Anhörung von Vertretungen der Kantone (Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK sowie Landwirtschaftsdirektoren-Konferenz LDK), des Schweizer Bauernverbands (SBV), Bio Suisse und IP-Suisse gefallen, so die Begründung der WAK-S. Während sich der SBV wie an der Laka beschlossen gegen eine Einführung der Pflicht zu 3,5 Prozent Acker-BFF aussprach, vertraten Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli und IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler in der WAK-S die gegenteilige Haltung. Beide unterstützen explizit den Vorschlag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) im Rahmen des Landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2024. Damit würde die Acker-BFF-Pflicht u.a. auf die offene Ackerfläche begrenzt und weitere Massnahmen als Acker-BFF aufgenommen (z. B. Hecken). «Für uns stellen die aktuell vorgeschlagenen Anpassungen einen sinnvollen Kompromiss dar», sagte Eggenschwiler. Denn so werde die Biodiversität «entscheidend gefördert, ohne die Produktivität zu beeinträchtigen». Er verwies auf die Wirkung der Acker-BFF gegen Erosion und zugunsten der Wasserspeicherung sowie der Förderung von Insekten und Nützlingen. «Wir nehmen damit unsere Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen wahr und pflegen unsere Partnerschaft mit der Natur», fasste der IP-Suisse-Geschäftsführer zusammen.
Flächen werden frei
Etliche der von Bio Suisse gewünschten zusätzlichen Massnahmen seien vom BLW als weitere Acker-BFF aufgenommen worden, bedankte sich Urs Brändli. Zwar gebe es weitere sinnvolle Elemente zur Förderung der Biodiversität. Doch der Bio-Suisse-Präsident erinnerte daran, dass die Wirksamkeit der 3,5 Prozent Acker-BFF nach den Plänen des Bundes zeitnah evaluiert und laufend Vorschläge für die Verbesserung gemacht werden sollten.
Gleichzeitig versuchte Brändli mit seiner Stellungnahme, dem gegnerischen Argument verlorener Produktionsflächen den Wind aus den Segeln zu nehmen. So würden durch die Anpassung der Ernährunsgmuster, wie sie die Klimastrategie für Landwirtschaft und Ernährung 2050 vorsieht, bisher für den Anbau von Futtergetreide genutzte Flächen frei. «Mehr Biodiversität an diesen Standorten ist nicht nur sinnvoll, sondern hilft uns, unsere Ernährungssicherheit und Resilienz langfristig zu gewährleisten», ist Brändli überzeugt.
Ausserdem warnte er davor, wie in Deutschland in Nachhaltigkeitsmassnahmen den Grund für die Probleme des Bauernstands zu suchen. «Die Bauernbetriebe hier und dort sind gefangen in einem System, das immer höhere Erträge zu immer tieferen Preisen verlangt», gab er zu bedenken. IP-Suisse und Bio Suisse seien sich einig, dass eine Abschaffung der Acker-BFF «ein Tiefschlag für all jene wäre, die bereits heute ihren Teil zur Lösung der Biodiversitätskrise beitragen und – langfristig gesehen – ein Schuss ins eigene Knie für die gesamte Landwirtschaft», so Brändli.
Qualität statt neue Flächen
Die Mehrheit der WAK-S liess sich von der Argumentation der Acker-BFF-Gegner überzeugen. Es gelte, eine Schwächung der ackerbaulichen Produktion sowie des Selbstversorgungsgrads zu vermeiden. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit bräuchte es nicht mehr Flächen zur Förderung der Biodiversität, sondern eine bessere Qualität bestehender BFF. Eine Minderheit war gemäss Mitteilung der Meinung, die Acker-BFF seien einfach umzusetzen, würden von den Kantonen sowie «einem grossen Teil der Bauernschaft unterstützt und die Biodiversität genau in jenem Bereich stärken, wo sie heute schwach ist». Nun wird der Ständerat entscheiden.