AboSichere ErnährungNeue Initiative betrifft vor allem Geflügel- und SchweinehalterDienstag, 13. Juni 2023 «Heute steht dieser Tresor auf dem Bundesplatz, als Symbol für unsere grösste Schatzkammer», sagt Franziska Herren, Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle». Als grösste Schatzkammer bezeichnet sie dabei die Erde mit ihrer Natur. Mit 113'103 Stimmen reichte der Verein am 16. August die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser»  bei der Bundeskanzlei in Bern ein. 

Mehr pflanzliche Lebensmittel für die menschliche Ernährung

Die Initiative verlangt unter anderem eine Erhöhung des Selbstversorgungsgrads der Schweiz. «Wir wissen, dass wenn wir mehr pflanzliche und weniger tierische Lebensmittel produzieren, wir unseren Selbstversorgungsgrad erhöhen können», so Franziska Herren. Heute jedoch fördere die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik tierische Lebensmittel fünfmal mehr als pflanzliche.

Diese Subventionspolitik sei der Grund dafür, dass auf 60 Prozent der Ackerfläche in der Schweiz Futtermittel statt mehr pflanzlicher Lebensmittel für die menschliche Ernährung angebaut werden, so die Initiantin weiter. Dieser Futtermittelanbau sei die Hauptursache dafür, dass die Schweizer Lebensmittelversorgung heute zu 50 Prozent vom Ausland abhängig sei. Würden auf den Ackerflächen mehr pflanzliche Lebensmittel angebaut werden, könnte laut Herren der Nettoselbstversorgungsgrad von heute 50 Prozent auf bis zu 70 Prozent erhöht werden. 

Der Anbau und die Verarbeitung von mehr pflanzlichen Lebensmittel in der Schweiz würden ihr zufolge zudem nicht nur den Selbstversorgungsgrad steigern, sondern auch den Landwirtinnen und Landwirten neue Perspektiven im klima- und umweltbewussten Markt von pflanzlichen Lebensmitteln ermöglichen. «Mit mehr Selbstversorgung erhalten die Bäuerinnen und Bauern mehr Produktions- und Abnahmesicherheit für ihre Ernte und dadurch auch faire Produzentenpreise», so die Initiantin weiter. Genau dies werde jedoch durch die heutige Landwirtschaftspolitik verhindert. 

Schwerwiegende Folgen für die Umwelt

Weiter fordert die Initiative die Sicherstellung der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit. Neben dem Anbau von Futtermitteln auf Ackerflächen werde die Ernährungssicherheit durch den Einsatz von Pestiziden und die Überschreitung der Höchstwerte für Dünger gefährdet. Dies führe zum Verlust der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit, welche die Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion bildeten. Die Gratisdienstleistungen der Natur würden nach Meinung der Initianten neben höheren Erträgen für einen natürlichen Pflanzenschutz und eine natürliche Düngung sorgen. 

Vom Bund verlangt die Initiative, dass die Höchstwerte für Dünger nicht mehr überschritten werden dürfen. Die 16 Millionen Nutztiere, die heute permanent in der Schweiz leben, seien heute zur Hälfte mit Importfutter ernährt. Dies hat laut den Initianten zu schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Obwohl die Höchstwerte für Dünger zum Schutz und zur Erhaltung der Ökosysteme, Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Wasserqualität schon seit 2008 in den Umweltzielen der Landwirtschaft verankert sind, würden diese massiv überschritten, so die Argumentation. 

Initiativtext

Eidgenössische Volksinitiative
«Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser (Ernährungsinitiative)»


Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt:

Art. 104a Ernährungssicherheit
1 Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln einschliesslich sauberen Trinkwassers schafft der Bund Voraussetzungen für:
a. die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere des Kulturlandes, der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit sowie die Förderung von natürlichem, samenfestem Saat- und Pflanzgut;
abis. die Sicherung der Grundwasserressourcen für die nachhaltige Trinkwassergewinnung;
b. eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion;
c. eine auf den Markt ausgerichtete und zugleich nachhaltige, klimabewusste Land- und Ernährungswirtschaft;
d. grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen;
e. einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln.
2 Der Bund strebt einen Netto-Selbstversorgungsgrad von mindestens 70 Prozent an. Zu diesem Zweck trifft er insbesondere Massnahmen zur Förderung einer vermehrt auf pflanzlichen Lebensmitteln basierenden Ernährungsweise und einer darauf ausgerichteten Land- und Ernährungswirtschaft.
3 Bund und Kantone richten ihre Subventionen, die Förderung von Forschung, Beratung und Ausbildung sowie andere staatliche Anreize so aus, dass sie den Bestimmungen nach den Absätzen 1 und 2 nicht zuwiderlaufen.

Art. 74 Umwelt
Art. 74a Erhaltung der Ökosysteme und der Biodiversität

1 Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Erhaltung der Ökosysteme und der Biodiversität.
2 Der Bund lässt namentlich nicht mehr zu, dass die für die Gewässerqualität, die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität essenziellen, im Jahr 2008 vom Bundesamt für Landwirtschaft und vom Bundesamt für Umwelt als Umweltziele für die Landwirtschaft definierten Höchstwerte für Stickstoffverbindungen und Phosphor überschritten werden.

Art. 197 Ziff. 15 Übergangsbestimmungen zu den Art. 74a und 104a
1 Bund und Kantone erlassen ihre Ausführungsbestimmungen zu den Artikeln 74a und 104a Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstaben a, abis und c sowie Absätze 2 und 3 innert fünf Jahren nach deren Annahme durch Volk und Stände.
2 Die Ausführungsgesetzgebung des Bundes regelt namentlich die Instrumente, die es ermöglichen, die neuen Vorgaben der Artikel 74a und 104a Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstaben a, abis und c sowie Absätze 2 und 3 innert zehn Jahren nach deren Annahme zu erfüllen. Bezüglich des angestrebten Netto-Selbstversorgungsgrades legt das Gesetz auch Zwischenziele fest.
3 Die nötigen Anpassungen der landwirtschaftlichen Produktion sind sozialverträglich auszugestalten und werden vom Bund finanziell unterstützt.