Die grosse Kammer hat am Mittwoch, dem 21. September die Detailberatung beendet. In der Gesamtabstimmung hat sie der Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) und damit zusammenhängenden Erlassen mit 104 zu 83 Stimmen bei 5 Enthaltungen zugestimmt. Sie bilden die Grundlage für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates.
Die Volksinitiative empfiehlt der Nationalrat dagegen mit 101 zu 72 Stimmen bei 19 Enthaltungen zur Ablehnung.
Stichentscheid beim Leistungsnachweis
Zum Abschluss der Detailberatung beschloss der Rat, dass auch regionale und lokale Biotope in den ökologischen Leistungsnachweis aufgenommen werden sollen. Der entsprechende Passus im Landwirtschaftsgesetz (LWG) kam allerdings nur mit dem Stichentscheid der grünen Ratspräsidentin Irène Kälin (AG) zustande (97 zu 96 Stimmen). Der Bundesrat hatte diese Änderung des LWG damit begründet, dass auch die vorschriftsgemässe Bewirtschaftung regionaler und lokaler, nicht nur nationaler Biotope zentral sei, um sie als Kerngebiete für die ökologische Infrastruktur zu erhalten. Der Vollzug sei beim ÖLN ja bereits eingespielt, argumentierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Und die Integration der nationalen Biotope habe sich schliesslich bewährt.
Weiter hat der Nationalrat im indirekten Gegenvorschlag verankert, dass die Schutzgebiete untereinander vernetzt werden sollen. Insbesondere die SVP wehrte sich vergeblich gegen die Schaffung dieser grünen Korridore.
Nicht nur die Landwirtschaft in der Pflicht
Es gehe vor allem darum, die Qualität der bereits ausgeschiedenen Flächen zu verbessern, sagte Gabriela Suter (SP/AG). Diesbezüglich liege die Verantwortung nicht nur bei der Landwirtschaft, sondern auch bei den Siedlungsgebieten und Agglomerationen. Mit diesem Ziel vor Augen sieht der indirekte Gegenvorschlag vor, den Siedlungsraum ökologisch aufzuwerten. Solche urbanen Flächen könnten als Vernetzungs- aber nicht als Kerngebiete angerechnet werden.
Ferner hat der Rat eine Wiederherstellungspflicht befürwortet, wenn jemand die Ufervegetation in Biotopen beschädigt. Schliesslich sollen auch private Stellen für den Vollzug und die Erfolgskontrolle der Massnahmen herangezogen werden können.
Baukultur wird separat behandelt
Bereits am 20. September hatte die grosse Kammer das vom Bundesrat vorgeschlagenen Flächenziel von 17 Prozent Biodiversitätsflächen bis ins Jahr 2030 aus der Vorlage gestrichen. Er will der Biodiversität in der Schweiz über einen qualitativen Ansatz zu mehr Gewicht verhelfen, der auch den Kantonen ein Mitspracherecht einräumen will bei der Ausscheidung der Flächen.
Ganz aus der Vorlage ausgegliedert wurde Förderung der Baukultur von hoher Qualität. Sie soll im Rahmen der Kulturbotschaft behandelt werden.
Sommarugas verspricht: Kein Kulturlandverlust
Jenen, die durch die Massnahmen einen weiteren Kulturlandverlust für die Nahrungsmittelproduktion befürchteten, versicherte Sommaruga, man werde sich beim Ausbau der Flächen immer innerhalb des bereits bestehenden Rahmens bewegen. Tatsächlich wird es der Bundesrat in der Hand haben, in welchem Umfang Kern- und Vernetzungsgebiete ausgeschieden werden müssen und welchen Anforderungen diese genügen sollen: Der indirekte Gegenvorschlag würde ihm diese Kompetenz verleihen, was vom Schweizer Bauernverband kritisiert wird (siehe Kasten unten).
Auf den bereits ausgeschiedenen 192'000 Hektaren für Biodiversität gebe es viele Aufwertungsmöglichkeiten, meinte die Umweltministerin wweiter. «Der Bundesrat sieht nicht vor, dass mit dem indirekten Gegenvorschlag in der Summe mehr Biodiversitätsförderflächen dazukommen.» Der Bundesrat wolle die Qualität fördern. Es werde auch niemand enteignet.
«Der ländliche Raum würde völlig ausgebremst»
Der Schweizer Bauernverband (SBV) zeigt sich in einer Mitteilung zum Entschluss des Nationalrats bestürzt. Trotz der Beteuerungen der Umweltministerin und obwohl das konkrete Flächenziel von 17 Prozent der Landesfläche für die Biodiversität aus dem indirekten Gegenvorschlag gestrichen worden ist (siehe oben), befürchtet er massive Kulturlandverluste. Der Verband rechnet mit zusätzlichen 150‘000 ha für die vorgesehenen Kerngebiete sowie mehrere Hunderttausend Hektaren für Vernetzungsgebiete. Ausserdem gebe der indirekte Gegenvorschlag dem Bundesrat allzu weitreichende Kompetenzen zu Ausscheidung von Flächen. «Die Beschlüsse des Nationalrats würden den ländlichen Raum völlig ausbremsen, die Lebensmittelproduktion, die Produktion erneuerbarer Energien und den Tourismus massiv einschränken», warnt der SBV.
Auch angesichts der bisherigen Leistungen der Landwirtschaft für die Biodiversität hält es der SBV für nicht sinnvoll, weitere Flächen aus der Produktion zu nehmen. Damit würde immer mehr importiert, so die Befürchtung. Die Hoffnungen des Verbands ruhen nun auf dem Ständerat, der als Nächstes sowohl über die Biodiversitäts-Initiative als auch den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats beraten wird.