Nach einer Kaskade von Abstimmungen zu verschiedenen Anträgen habe man mit 13 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung einem Vorschlag von Nationalrat Martin Haab (SVP/ZH) zugestimmt, teilt die Wissenschaftskommission des Nationalrates (WBK-N) mit. Damit wird der Bundesrat beauftragt, bis spätestens Mitte 2024 einen Entwurf vorzulegen, wie eine «risikobasierte Zulassungsregelung» für die neuen Züchtungstechnologien – z. B. Genom-Editing – aussehen könnte.
Mehrwert muss nachweisbar sein
Eine Ausnahme vom allgemeinen Gentech-Moratorium, das zum vierten Mal verlängert werden soll, ist aber an Bedingungen geknüpft: Sie soll nur gewährt werden, sofern die neuen Züchtungstechnologien einen «nachgewiesenen Mehrwert» für die Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsument(innen) haben, schreibt die WBK-N. Ausserdem soll sie nur für Pflanzen, Pflanzenteile, Saatgut und anderes pflanzliches Vermehrungsmaterial ohne artfremde Gene gelten.
Damit folge man dem Grundsatz des Ständerats, die Tür für Genom-Editing und Co. nicht vollständig zu verschliessen. Noch sei aber zu prüfen, wie dies im Detail umgesetzt werden soll.
Minderheiten möchten mehr Bedingungen
Minderheiten in der WBK-N möchten die Zulassungsregelung ergänzen, etwa um die Sicherstellung der Koexistenz, die Regelung von Fragen der Verantwortlichkeit oder der Wahlfreiheit für Konsument(innen). Eine weitere Minderheit möchte gar keine Ausnahmen vom Moratorium gewähren, sondern die Berichte des Bundesrats in Sachen neue Züchtungsverfahren sowie die Neuregelung durch die EU abwarten.
Das Geschäft wird voraussichtlich in der Frühjahrssession im Nationalrat behandelt.
«Nach Schnellschuss dringend notwendig»
Aus Sicht des Schweizer Bauernverbands (SBV) zeichnet sich nun ein Konsens in der Frage um neue Züchtungsmethoden ab. Das sei nach dem «Schnellschuss» des Ständerats, der eine generelle Ausnahme für Cisgene Pflanzen vorgesehen hatte, dringend nötig. Der Entschied der WBK-N ermögliche nun, die neuen Verfahren «mit Weitblick» zu regeln und deren Mehrwerte zu nutzen. Man hoffe, dass der Nationalrat seiner Kommission folgt.
Diesem Wunsch schliesst sich der Verein «Sorten für morgen» an. Damit in neue Züchtungsverfahren investiert werde und diese somit bei der Bewältigung anstehender Herausforderungen helfen können, brauche es Regeln, die sowohl die gesellschaftlichen Anliegen aufgreifen als auch Rechtssicherheit und nachhaltige Perspektiven bieten. «Genau diesen Weg will nun offenbar erfreulicherweise auch die WBK-N einschlagen» schreibt der Verein.
«Wahlfreiheit torpediert»
Die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) kritisiert die WBK-N. Es sei ein Vorpreschen von Vertretern des SBV und ein Torpedieren der Wahlfreiheit von Bauern wie auch Konsumenten. Man wolle den wichtigen Prozess der Abklärungen verkürzen und gefährde damit eine verantwortungsvolle und transparente Regelung neuer gentechnischer Verfahren. Zwar begrüsst die VKMB, dass die neuen Technologien nicht sofort vom Moratorium ausgenommen werden sollen. Ihrer Ansicht nach müssten aber so hergestellte Pflanzen gekennzeichnet und die Warenflüsse getrennt sowie eine Koexistenzregelung eingeführt werden.
Wichtigste Labels schliessen GVO aus
Kritik für die WBK-N gibt es auch von Bio Suisse. Die Kommission habe einen riskanten Weg eingeschlagen, heisst es in einer Mitteilung. Bio Suisse spricht von «Gentechnik durch die Hintertür». Das schaffe Unsicherheit für Konsumenten und Produzenten. «Die wichtigsten Schweizer Nahrungsmittel-Labels schliessen den Einsatz von Gentechnik aus: Neben Bio Suisse auch IP-Suisse, Suisse Garantie und der Grüne Teppich», hält der Verband fest. Wie die VKMB sieht Bio Suisse die Wahlfreiheit und auch die Planungssicherheit in Gefahr, wenn gewisse GVO nicht einmal mehr deklariert werden müssten.