Kurze Transportwege können einen Beitrag zum Tierwohl leisten, sind sich die beiden Nationalrätinnen Anna Giacometti (FDP/GR) und Martina Munz (SP/SH) einig. Zusammen haben sie eine Motion eingereicht, mit welcher der Bundesrat zur Schaffung neuer gesetzlicher Grundlagen zur Förderung regionaler Schlachtkapazitäten beauftragt werden soll. Dafür sieht dieser aber keinen Bedarf.
Art und Weise statt Dauer
«Im Hinblick auf den Tierschutz sind die geeignetsten Transportwerge zu bevorzugen», sagte Bundesrat Alain Berset während der Debatte in der Grossen Kammer. Das müsse nicht unbedingt die kürzeste Strecke sein: «Zwei Stunden Transport auf der Autobahn unter guten Bedingungen sind wahrscheinlich tierfreundlicher als ein 45-minütiger Transport auf einer kurvigen Bergstrasse.» Wichtige Faktoren seien weiter die Qualität der Fahrzeuge und die Professionalität der Fahrer. Man könne sich also nicht nur auf die Frage der Dauer beschränken, schloss Berset.
Wie viele denn nun?
Um Tiere zu Schlachten, müssen Betriebe eine amtliche Bewilligung haben. Die entsprechende Liste ist öffentlich einsehbar und zählt insgesamt 879 «Schlachtbetriebe». Darunter fallen aber auch eine ganze Reihe, die z. B. lediglich Hasenartige schlachten dürfen oder auf Schafe und Ziegen spezialisiert sind. Für die Schlachtung von Rindvieh verbleiben auf der Liste 411 Betriebe.
Es kommt also schwer darauf an, von welcher Nutztiergattung die Rede ist. Dem ist sich auch der Bundesrat im Prinzip bewusst. «Die Schweiz zählt im Jahr 2023 600 Schlachthöfe, die der amtlichen Fleischkontrolle unterstellt sind», erläuterte Alain Berset. Das entspreche zwar durchschnittlich einem Schlachthof pro 68 Quadratmeter. Aber «es stimmt, dass nicht alle die gleichen Funktionen haben», räumte der Bundesrat ein. Trotzdem ist er der Überzeugung, dass es in Sachen Schlachthöfen bereits eine starke Dezentralisierung gibt.
Aus den Bergregionen bereits bekannt
Allerdings stellen der Bundesrat, die Motionärinnen und der Schweizer Bauernverband (SBV) unisono fest, dass die Anzahl Schlachtbetriebe in der Schweiz in den letzten Jahren abgenommen hat. In seiner Stellungnahme zur Motion von Martina Munz sprach der Bundesrat 2021 noch von 650 bewilligten Schlachtbetrieben. Nach Auskunft des SBV sind immer höhere Auflagen zur Hygiene, Geruch, Bauten, Tierschutz und Ähnliches mehr Gründe dafür. «Das bringt einen hohen Investitionsbedarf, der sich für nur wenige Tiere nicht lohnt.» Die Rechnung geht nicht mehr auf, die kleineren Schlachtbetriebe sind nicht mehr wirtschaftlich zu führen. In den Bergregionen haben sich die Probleme, die mittlerweile – je nach Quelle – scheinbar schweizweit auftreten, schon etliche Jahre vorher gezeigt, so der SBV. «Dort werden schon heute regionale Schlachtkapazitäten durch die Kantone gefördert.»
Auch für Notschlachtungen und gegen Food Waste
«Der Erhalt dezentraler Schlachtkapazitäten ist wünschenswert», hält der SBV auf Anfrage fest. Einerseits wegen kürzerer Transportwege. Andererseits weil so auch Tiere übernommen werden können, die schnell geschlachtet werden müssen. «Verunfallte Tiere können so als Fleisch genutzt und müssen nicht als Kadaver verbrannt werden. Das ist auch im Sinne der Vermeidung von Food Waste», gab Nationalrätin Munz zu bedenken. Die Situation sei aber in den Regionen sehr unterschiedlich, ergänzt der SBV – die Motion solle die bestehenden Transporte zu den grossen Schlachthöfen nicht einschränken, sondern ein ergänzendes Angebot schaffen.
Martina Munz betonte ausserdem im Nationalrat, auch regionale Schlachtviehmärkte sollten nicht von der angestrebten neuen Regelung betroffen sein. Sie solle es weiterhin geben, die Märkte gelten als wichtig für die Preisbildung.
«Primär an den Produzenten»
Damit regional geschlachtet wird, sieht der Bundesrat in erster Linie Produzent(innen) und Abnehmer in der Pflicht. Sie bestimmten, wo ein Tier geschlachtet bzw. welches Fleisch gekauft wird, so die Argumentation. «Es ist vorstellbar, dass Label-Organisationen privatrechtlich maximale Transportzeiten festlegen und für entsprechend gelabelte Produkte ein Mehrpreis erzielt werden kann», so der Bundesrat weiter und verweist auf die Hof- und Weidetötung. Eine Entwicklung in diese Richtung ist bereits festzustellen. Seit diesem Frühling bietet etwa Coop online explizit Naturaplan-Demeter-Fleischpakete aus Hoftötung an und KAG Freiland unterstützt im Projekt «Lebwohl» Bio-Landwirt(innen) bei der Umstellung auf die Hof- und Weidetötung.
Naher Schlachthof ist die Voraussetzung
Der Gedankengang des Bundesrats geht aber nur teilweise auf, denn auch für die Hof- und Weidetötung braucht es regionale Schlachthöfe. Insbesondere, da nach geltendem Recht vom Schiessen bis zum Ausweiden nur 45 Minuten vergehen dürfen. Eine Ausweitung dieser Dauer auf 90 Minuten ist in Vorbereitung und soll weiteren Betrieben die Umstellung ermöglichen.
«Da immer mehr Betriebe direktvermarkten, steigt das Interesse an lokaler Schlachtung wieder», beobachtet der SBV. Wie der Bundesrat weist aber auch der Bauernverband darauf hin, dass in der Schweiz bezüglich Tierschutzgesetz bereits strenge Vorgaben für Transporte gelten. Acht Stunden inklusive Fahrzeit im Inland sei im internationalen Vergleich wenig.
An die Kommission
Im Nationalrat war die Zustimmung zur Förderung regionaler Schlachtkapazitäten klar: Mit 158 Ja- zu 15 Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen wurde die Motion klar angenommen. Sie geht nun an die Kommission des Ständerats.