10 Jahre Zeit räumt die Umweltverantwortungs-Initiative ein. Nach Ablauf dieser Frist soll die Schweizer Gesamtwirtschaft nur noch so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Ein zu straffer Zeitplan, findet der Bundesrat und lehnt den Vorstoss ab.
Mehrere Grenzen überschritten
Die Umweltverantwortungs-Initiative orientiert sich an den planetaren Belastbarkeitsgrenzen. Diese geben an, wie weit man in verschiedenen Umweltbereichen von gefährlichen Werten entfernt ist. Weltweit gelten diese Grenzen für Klima, Biodiversität, Phosphorkreislauf und Landnutzung als bereits überschritten, so die Initianten. Auch die Schweiz steht nicht allzu gut da, wie in der Botschaft des Bundesrats zu lesen ist: Insbesondere für den Klimawandel, die Biodiversitätsverluste und die Stickstoffeinträge seien die Belastbarkeitsgrenzen der Schweiz – gemessen am Bevölkerungsanteil – überschritten.
Ein weiter Weg zu gehen
Wie weit der Weg wäre, den die Schweiz nach einer Annahme der Umweltverantwortungs-Initiative innert 10 Jahren gehen müsste, zeigen weitere Zahlen des Bundes. So hätten bisherige Studien ergeben, dass gegenüber 2018 der Treibhausgas-Fussabdruck pro Person um über 90 Prozent sinken müsste, derjenige zur Biodiversität um 74 Prozent und beim Stickstoff wären bis zu 57 Prozent. «Weiter ist zu beachten, dass der Anteil der im Ausland anfallenden Umweltbelastung seit 2000 zunimmt», stellt der Bundesrat fest. 2018 habe er sich auf rund zwei Drittel belaufen. Eine Annahme der Initiative zöge auch eine stärkere Regulation von Importen nach sich, denn es ist darin die Rede von «wirtschaftlichen Tätigkeiten». Das schliesst das Importieren genauso wie ein wie das Produzieren. Im Vorstoss ist aber auch festgehalten, die Massnahmen seien für das In- und Ausland sozialverträglich zu gestalten.
Wohlstand «drastisch reduziert»
«Um die kurze und starre Frist von 10 Jahren einzuhalten, müsste die Schweiz rigorose Regulierungs- und Anreizmassnahmen treffen», argumentiert der Bundesrat. Das hätte seiner Meinung nach weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Zu den voraussichtlich stark betroffenen Bereichen zählt er auch Landwirtschaft und Ernährung. Für die erforderlichen Anpassungen würden unter anderem zusätzliche Kosten für Bildungs- und Informations-Massnahmen sowie Forschung und Entwicklung in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie entstehen, heisst es weiter. «Produkte für den Schweizer Markt müssten unter strengeren Vorgaben produziert werden als solche, die für den ausländischen Markt bestimmt sind.»
Man attestiert zwar auch, dass gewisse Ausgaben zur Abmilderung negativer Folgen von Umweltbelastungen wegfallen könnten. Insgesamt warnt der Bundesrat aber vor den finanziellen Auswirkungen einer Annahme der Initiative und einer «drastischen Reduktion des Wohlstands» der Schweizer Bevölkerung.
«Eine riesige Chance»
Ganz anders tönt es von Seiten des Initiativ-Komitees. Da die Wirtschaft nur dann weiter funktionieren könne, wenn ihr langfristig die nötigen Flächen und Ressourcen zur Verfügung stehen, gebe man ihr mit den planetaren Grenzen einen «selbstverständlichen Rahmen». Es werde eine grundlegende Veränderung der Wirtschaft brauchen, «das ist aber für uns alle eine riesige Chance: Mehr Lebensqualität, gesundes Essen und Millionen zukunftsfähiger Jobs.»
Die Übergangsfrist von 10 Jahren begründen die Unterstützer der Initiative mit der Dringlichkeit ihres Anliegens. Die Wissenschaft sage ganz klar, dass für die Bekämpfung von Umweltkrisen die nächsten 10 Jahren entscheidend sein würden. «Wir hätten die planetaren Grenzen nie überschreiten dürfen», schreiben sie. Um die Lebensgrundlagen zu erhalten, müsse schnell und entschlossen gehandelt werden. An Geld und Technologien für einen ökologischen Wandel mangle es nicht, wohl aber bisher am politischen Willen.
Ziele gesetzt, Massnahmen eingeleitet
Nach Meinung des Bundesrats sind die bestehenden Regelungen und laufende Arbeiten an der Gesetzgebung ausreichend, um die natürlichen Ressourcen in der Schweiz zu schonen. Er verweist auf die Bemühungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft sowie in den Bereichen Agrar- und Klimapolitik. Man habe sich bereits verschiedene Ziele gesetzt und Massnahmen eingeleitet und daher findet es der Bundesrat zielführender, diese Gesetzgebungs- und Strategieprozesse weiterzuführen. Entsprechend lehnt er die Umweltverantwortungs-Initiative ab und will auch keinen Gegenvorschlag dazu ausarbeiten.
Unterstützung aus Wissenschaft und Landwirtschaft
Die Umweltverantwortungs-Initiative ist 2021 von den Jungen Grünen lanciert worden. Zu den Unterstützenden zählt ein breites Wissenschaftskomitee mit Forschenden aus verschiedenen Bereichen. Von Seiten Landwirtschaft sprechen sich die Kleinbauern-Vereinigung und die Bergheimat für das Volksbegehren aus.