Zwei Jahre haben die Analysen im Auftrag eines Postulats gedauert, nun ist der Bericht des Bundesrats zu den Einkommen der Bauernfamilien veröffentlicht. Angesichts der Bauernproteste auch in der Schweiz komme er «wohl genau zum richtigen Zeitpunkt», meinte Christian Hofer vor den versammelten Medien. Der Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) stellte die Resultate vor – einiges davon ist bekannt, doch nicht in diesem Detailgrad.
Tief, aber besser
Die Resultate zeichneten ein differenziertes Bild, hielt Christian Hofer fest. Einerseits seien die Einkommen in der Landwirtschaft pro Stunde und im Vergleich zu jenen im zweiten und dritten Sektor tief (durchschnittlich 17 Franken Stundenlohn). Andererseits zeige sich zwischen 2015 und 2021 ein durchschnittlichen Anstieg um 32 Prozent. Der für die Analyse gewählte Zeitraum habe dabei methodisch Gründe, erklärte Mitautor Pierrick Jan, Agroscope. Ab 2015 lägen nach einem Wechsel in der Art der Erhebung vergleichbare Daten vor.
Von 2021 auf 2022 verringerte sich allerdings das landwirtschaftliche Einkommen erstmals wieder nach einem jahrelangen Aufwärtstrend. Als Gründe nannte Christian Hofer einerseits die Verteuerung der Produktionsmittel und die Zinswende andererseits, aber auch die Schwierigkeiten auf dem Schweinemarkt. «Das ist ein relativ wertschöpfungsstarker Bereich», gab er zu bedenken.
Der Betriebsleiter als Unternehmer
Auffallend bei den Einkommensdaten aus der Landwirtschaft ist deren grosse Heterogenität. Zwischen Berg-, Hügel- und Talregionen gibt es ein Gefälle, je nach Ausrichtung und Grösse der Betriebe aber auch innerhalb einer Höhenzone. «Der Einfluss des Betriebsleiters oder der Betriebsleiterin als Unternehmer ist sehr relevant», schlussfolgerte der BLW-Direktor. Als die beiden grossen Hebel für die Einkommenswirkung identifiziert der Bericht den Markterlös und die Fremdkosten. An erstem Punkt setzen die Bauerproteste an, auf die Hofer mehrmals Bezug nahm und für die er Verständnis habe. «Ein um 1 Rappen höherer Milchpreis bedeutet 30 Millionen mehr Umsatz in der Branche», bemerkte er. Seine Hoffnung sei, dass der Bericht mit seinen ausführlichen Zahlen zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen werde.
80 Prozent besseres Einkommen bei höherer Ausbildung
[IMG 2]Überrascht war man beim BLW davon, als wie einkommensrelevant sich das Ausbildungsniveau des Betriebsleitenden herausstellte. Das habe auch, aber nicht nur damit zu tun, dass höher ausgebildete Landwirt(innen) eher grössere Betriebe führten, so Mitautor Conrad Widmer, BLW. Durchschnittlich verdienen demnach Betriebsleiter mit höherer Fachprüfung, einen Fachhochschul- oder Uniabschluss 80 Prozent besser als ihre Berufskollege ohne abgeschlossene Ausbildung. Bei Letzterem dürfte es sich vor allem um ältere Betriebsleiter handeln.
«Falsch» investiert?
Investitionen sind ein heikles Thema, gerade im Zusammenhang mit sich ändernden Vorschriften. Der Bericht des Bundesrats kommt zum Schluss, dass jene Betriebe am unteren Ende der Einkommensrangliste häufig «übermässig in Maschinen und Gebäude investiert haben». Die besten Betriebe erzielten aus 100'000 Franken Anlagevermögen 53'000 Franken Betriebsertrag, während der Wert in gegenteiligen Extrem lediglich 28'000 Franken betrug. «Das sind einfach Fakten», betonte Christian Hofer, «wir sagen nicht, der eine macht es falsch und der andere richtig». Ein grosser, aber gut ausgelasteter Traktor könne auch Sinn machen, fuhr er fort. Wenig rentable Investitionen seien im Übrigen trotz Skaleneffekten auch auf grossen Betrieben möglich, ergänzte Agroscope-Forscher Pierrick Jan.
Der Bund kann es (nicht) richten
Die neuen Erkenntnisse sollen in die Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP 30+) einfliessen, so der BLW-Direktor. Man sei über die Begleitgruppe mit der Branche in Austausch und bei der Ausgestaltung der AP 30+ solle ein Schwerpunkt sowohl auf der Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektive in der Land- und Ernährungswirtschaft als auch einer Vereinfachung des Instrumentariums bzw. einer Reduktion des administrativen Aufwands liegen.
«Wir nehmen die Anliegen sehr ernst», meinte Christian Hofer zu den Protesten und Mahnwachen der letzten Wochen. «Wir sind von unserer Seite sehr stark daran, die Rahmenbedingungen für die Bauernfamilien zu verbessern», versicherte er. Das Ziel sei, dass so die Betriebe ihr Einkommenspotenzial auch abrufen könnten.
Es steht aber ausser Frage, dass zwei gewichtige Akteure in dieser Rechnung bisher nicht zur Sprache kamen: Abnehmer und Konsumenten. Darauf angesprochen verwies Hofer auf den letzten Satz seiner Schlussbetrachtung: «Die Landwirtschaftsbetriebe selber, die vor- und nachgelagerten Stufen und auch der Bund können zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommen betragen.»
Den ganzen Haushalt betrachten
Um die Beobachtung und den Einkommensvergleich in der Landwirtschaft zu verbessern, will der Bundesrat unter anderem künftig auch das landwirtschaftliche Haushaltseinkommen berechnen. Dies, um es mit der Entwicklung desselben Messwerts im Rest der Bevölkerung zu vergleichen. Da bei dieser Berechnung Einkünfte von nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten – die bei 93 Prozent der Betriebe dazugehören – einberechnet sind, stellt sich die Frage, ob man denn nicht allein von der Landwirtschaft sollte leben können. «Wir haben das auch in der Begleitgruppe intensiv diskutiert», schilderte Christian Hofer. Denn am Bericht des Bundesrats hätten auch der Schweizer Bauernverband und der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband mitgewirkt. Es handle sich bei dieser Betrachtung lediglich um einen zusätzlichen Aspekt, betonte der BLW-Direktor. Damit soll eine Abschätzung des Lebensstandards und der Kaufkraft einer Bauernfamilie möglich werden.[IMG 3]
«Wir haben das auf dem Radar»
Zum Thema Investitionen wurde am Mediengespräch der Umstand angesprochen, dass beispielsweise Stallbauten für mehr Tierwohl auf den Betrieben unter anderem wegen steigender Kosten für das Material kaum mehr zu bezahlen sind. «Das haben wir auf dem Radar», sagte Christian Hofer. Im aktuellen Zahlungsrahmen seien höhere Budgets für Investitionskredite und à-Fond-Perdu-Beiträge vorgesehen – nicht nur für den Stallbau, sondern auch z. B. für die Erneuerung von Drainagen. Es gehe darum, auch für künftige Generationen eine gute Produktionsgrundlage zu schaffen bzw. zu erhalten. Mit der AP 30+ strebe man Stabilität, so der BLW-Direktor weiter. Ständige Wechsel auf Gesetzesebene sollten vermeiden werden.
Das Landwirtschaftliche Einkommen verbessern
In seinem Bericht listet der Bundesrat mögliche Wege zur Verbesserung der Einkommen in der Landwirtschaft auf.
Auf Ebene Betrieb:
In Aus- und Weiterbildung investieren: Z. B. im Bereich der Buchhaltung.
Kostenstruktur und Kapitalintensität optimieren: Durch betriebliches Wachstum oder überbetriebliche Zusammenarbeit.
Marktposition: Sie liesse sich durch den gemeinsamen Einkauf und eine gemeinsame Vermarktung verbessern. Einkaufsgemeinschaffen ermöglichen etwa die Umgehung hoher Margen dank Paralellimporten.
Diversifizierung: Direktverkauf, Hofverarbeitung, Agrotourismus usw.
In der Politik:
Verbesserung der Marktposition: In der Revision des Kartellrechts ist eine neue Regelung vorgeschlagen, die das Entstehen marktmächtiger Unternehmen auch im Agrarbereich erschweren soll. Weiter laufen Arbeiten zur Erfüllung zweier Postulate. «Die Verantwortung für das Funktionieren der Märkte kann aber nicht allein an den Bund delegiert werden», so der Bericht.
Komplexität reduzieren: Die Agrarpolitik so weiterentwickeln, dass Massnahmen mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis bevorzugt werden. Wirksamkeit, einfacher Vollzug und Eigenverantwortung der Branche sollen die Ziele sein.
Innovation stärken: Förderung im Bereich Forschung, Beratung und Wissenstransfer.
Bodenrecht: Anpassungen könnten den Strukturwandel unterstützen, indem «Entwicklungspotenzial für professionell geführte landwirtschaftliche Betriebe» geschaffen wird.
Betriebswirtschaftliche Kompetenzen verlangen: Da die Ausbildung offenbar einen wichtigen Einfluss auf das Einkommen habe, könnten die bildungstechnischen Anforderungen für den Erhalt von Direktzahlungen erhöht werden. Auch die Verknüpfung einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung mit der Gewährung von Investitionshilfen oder Darlehen wäre möglich.