Im Verkehrshaus sind nicht nur historische und moderne Mobilität und Kommunikation zu erleben. Fachausstellungen zu Bereichen, welche dem breiten Publikum eher unbekannt sind, bereichern jeweils die Attraktivität dieses bestbesuchten Schweizer Museums. So auch letztes Wochenende an den erstmaligen Farming Days vom 2. bis 4. September 2022. Dies als Vorgeschmack auf eine Dauerausstellung nächstes Jahr, zum Anlass des 30-jährigen Bestehens der Fenaco. Der Agrarkonzern sucht im Rahmen seines Jubiläumsprogramms die Zusammenarbeit mit dem Verkehrshaus und lanciert so für die Öffentlichkeit eine Ausstellung zur Land- und Ernährungswirtschaft.
Zu bestaunen und erleben gab es letztes Wochenende so einiges: Demonstration von Landwirtschaftsroboter und Drohnen, alte und moderne Traktoren inklusive Testfahrt, Süssmosten anno dazumals , Vorstellung von Berufsfeldern, moderne Tierhaltung oder Forschung im Bereich Kreisläufe und nachhaltige Ernährung. Und Ex-Mister Schweiz und Biobauer Renzo Blumenthal moderierte Farming Talks mit Berufstätigen aus der Landwirtschaft.
Roboterhunde und Drohnen haben Potenzial
Die Fachhochschule Ost präsentierte den Roboterhund von Boston Dynamcis. Dank der Aufbautechnik mit Sensoren passt sich das Schreitgefährt der Umgebung an, kann auch Hindernissen ausweichen. Und mit eingebauten Spritzdüsen sind künftig Anwendungen wie Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft denkbar, beispielsweise in Rebbergen. Oder Blackenbekämpfung auf Alpweiden.
Die Agrarpiloten liessen kleine und grosse Drohnen fliegen, wie sie bereits in praktischem Einsatz sind. So etwa zur Platzierung von Trichogrammen, den Nützling gegen den Maiszünsler. Der «Traktor unter den Drohnen» ist mit 50 kg Gesamtgewicht deutlich grösser und kann mit einem 20 Liter Tank ausgestattet werden. Damit kann er zum Spritzen in Kartoffel-, Mais- oder Kürbiskulturen, oder auch für Untersaaten oder zum Streuen von Schneckenkörnern eingesetzt werden. Mit dem Fluggefährt können Behandlungen in Kulturen erfolgen, die bei nassem Wetter sonst nicht möglich wären.
Spritzmittel einsparen dank künstlicher Intelligenz
Schweizweit sind schon 30 Stück der Feldspritze Ara von Ecorobotix im Einsatz, mit dem hochpräzis und selektiv Einzelpflanzen behandelt werden können, auf Basis von künstlicher Intelligenz. Einsparen lassen sich so bis 90 Prozent der Spritzmittel. Die fenaco hat einige dieser 130'000 Franken teuren Geräte angeschafft und mietet diese an Kunden aus, wie Pascal Meyer von Agroline erklärte. Nach anfänglichen Kinderkrankheiten letztes Jahr funktioniere die Spritze nun problemlos, meinte Ramon Widmer von der Landi Luzern West, welcher damit in der Region diese Saison auf 300 Hektaren im Einsatz war. Vor allem im Grünland zur Bekämpfung von Blacken, aber auch gegen Disteln.
Im World Food System Center der ETH arbeiten 52 Forschungsgruppen interdisziplinär zusammen. Ziel ist ein Beitrag für die globale Ernährung, Reduktion des Umweltdrucks und Stärkung der Akteure in der Ernährungswirtschaft. Geforscht wird beispielsweise mit Pilzen, welche auf Kaffeesatz wachsen, Mehlwürmern zum Abbau von organischer Substanz wie Getreidenebenprodukten, Abfallumwandlung durch Larven, welche Kompost und Futtermittel herstellen oder der industriellen Herstellung von Mikroalgen als Proteineinsatz.
Der Dialog ist ist wertvoll
Suisseporcs-Präsident Meinrad Pfister erläuterte zusammen mit Schweine- und Mutterkuhhaltern die moderne Tierhaltung und den Fokus auf Tierwohl. Der Dialog mit den Besuchern sei sehr wertvoll. «Wir konnten viele interessante Gespräche führen, auch mit kritischen Konsumenten, welche ein verklärtes Bild von einer romantisierenden Landwirtschaft haben.»
Viel über die moderne Landwirtschaft erklären müsse sie ihren Kolleg(innen), meinte auch Linda Oswald, Stadtzürcher Quereinsteigerin in den Beruf Landwirtin bei einem der Farming Talks. «Das Wissen ist gering und viele Leute sind weit weg von der Landwirtschaft.» Und Sara Brügger, Ressortleiterin Schweine bei der Ufa wies darauf hin, dass Tierwohl und Tiergesundheit immer mehr im Fokus bei Beratungen stehe. Herausfordernd sei die immer grössere Spezialisierung in der Landwirtschaft, welche auf modernste Technik setze. Das mache den Dialog mit den Konsumenten noch anspruchsvoller.
Dauerausstellung 2023
Die Dauerausstellung zur Land- und Ernährungswirtschaft im Verkehrshaus Luzern wird am 1. Juni 2023 eröffnet. Mit interaktiven Elementen sollen die Technologie, Nährstoffkreisläufe, Biodiversität, Energie und Mobilität gezeigt werden. Ein eigens erstellter Bauernhof im Innenbereich des Verkehrshauses mit Fuhrpark, Heulager und Stall bildet den Rahmen. Von hier kann der Weg der Lebensmittel vom Feld und Stall bis auf die Teller verfolgt werden. Damit soll auch ein Dialog zwischen Stadt und Land geleistet werden und die Besucher sollen ein authentisches Bild der nachhaltig produzierenden Schweizer Landwirtschaft erhalten, betont Martin Keller von der fenaco.