Wer Imker Martin Ulrich besucht, dem fällt als allererstes sein blühender Garten auf. Eine Mischung zwischen Kulturgarten und Naturgarten, wie er es beschreibt. Apfelquitte, Nieswurz, Bärlauch und Storchenschnabel sind nicht nur eine Augenweide, sondern auch Nahrungsquelle für seine Schützlinge.
Einige Bienenkästen sind gut sichtbar im Garten verteilt: «Das ist der Kindergarten», sagt er und meint damit die Jungvölker seiner jeweils ungefähr 25 bis 30 Bienenvölker. Der Rest ist an einem anderen Standort weiter weg platziert.
Schon als kleiner Bub half Ulrich jeweils seinem Vater beim Imkern. Damals hat er das «klassische Imkern» mit dem Ziel eines hohen Honigertrags, wie es viele in der Schweiz anwenden, mitbekommen. Nun richtet er sich nach den Grundsätzen der naturgemässen Imkerei, die auch als extensive oder wesensgemässe Imkerei bekannt ist. Der Honigertrag ist für ihn nun nicht mehr das wichtigste. Zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Vater hat Ulrich eine Imkergemeinschaft, die mit dem goldenen Gütesiegel von Bienen Schweiz zertifiziert ist.
Bienen nicht ausbeuten
Für Martin Ulrich, der jüngst den Eidgenössischen Fachausweis Imker absolviert hat, bedeutet naturgemässe Imkerei, dass die Bienen nicht ausgebeutet werden sollen. «Es ist ein Geben und Nehmen, ein Austausch mit den Bienen auf Augenhöhe», sagt er. Die Umweltfaktoren für die Bienen seien in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zur Belastung geworden. Das einseitige und beschränkte Nahrungsangebot ist eine von zahlreichen Schwierigkeiten für alle Insekten. Kommt, wie letztes Jahr, noch der nasse und kalte Frühling hinzu, so ist das für die Bienen eine grosse Herausforderung. «Die Völker haben extrem gelitten», sagt er. «Wenn ich da noch Honig gewonnen hätte, hätte es vielleicht ein Fiasko gegeben».
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Diese Pflanzen wachsen im Garten der Familie Schneeberger und Ulrich:
- Giersch
- Esparsette
- Klappertopf
- Kornelkirsche
- Buchsbaum
- Traubenkirsche
- Meierisli
- Gämsbart
- Erdbeeren
- Günsel
- Iris
- Zaubernuss
- Wilde Karde
- Akelei
- Tränendes Herz
- Sanddorn
- Apfelquitte
- Pfaffenhut
- Beinwell
- Nieswurz
- Bärlauch
- Bachnelkenwurz
- Taubnessel
- Luzerne
- Storchenschnabel
- Winterjasmin
- Malve
- Rosmarin
- Küchenschelle
- Salbei
- Schachbrettblume
- Quittenbaum
- Blaudistel
- Klatschmohn
- Vogelwicke
- und viele mehr...
Durch das naturnahe Imkern will Martin Ulrich die Bienen gesund erhalten, indem vermehrt auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. «Ich überlege gut, ob und wo ich eingreife», sagt er. Wenn die Bienen durch Eingriffe im Bienenstock zu Mehrarbeit gezwungen würden, bleibe zum Beispiel die gegenseitige Körperpflege auf der Strecke, die wichtig sei für die Gesundheit des Bienenvolks, weiss er. Dazu gehört neben einem sorgfältig ausgewählten Standort auch, dass die Bienenkästen möglichst gut isoliert sein sollen, sodass die Bienen so wenig Energie wie möglich für den Wärme- oder Kälteausgleich brauchen.
Varroa-Behandlung nötig
[IMG 2] Nebst möglichst wenigen Eingriffen verwendet Martin Ulrich nur Holz für die Bienenkästen. Es soll möglichst naturbelassen und dickwandig sein. Ausserdem lässt er, wie im Demeter üblich, den Bienen Raum für den Naturwabenbau. Dabei installiert er nur einen Streifen Wachs im Rahmen, der Rest wird von den Bienen selber gebaut. Im Vergleich zur Betriebsweise von früher, lässt Ulrich mehr Honig für die Bienen zurück und verkauft deshalb auch weniger. «Ich glaube, dass dies ein Grund von zahlreichen ist, der die Winterverluste in den letzten Jahren stark reduziert hat», schliesst er. Die Völker seien gesund und ausgewogen ernährt und somit vital. Der Honigertrag sei so aber im Laufe der Jahre etwa um die Hälfte zurückgegangen.
Die Varroa-Bekämpfung sei aber auch bei ihm nötig: «Als Imker will ich im Dialog sein mit den Bienen und wenn ich merke, dass das Bienenvolk mit einer Krankheit kämpft, so mache ich etwas dagegen», sagt er. Aber auch den natürlichen Brutstopp, der durch das Abschwärmen des Volkes entsteht, macht er sich zu nutze für die Bekämpfung der Varroa-Milbe.
Keine Königinnenzucht bei Demeter
Für die naurgemässe Imkerei gibt es keine festen Regeln, sie ist aber Grundlage der Imkereipraxis nach Demeter- und Biorichtlinien. Obwohl Martin Ulrich seine Bienenvölker grösstenteils nach Demeterkriterien bewirtschaftet, ist die Imkergemeinschaft Ulrich und Schneeberger in Blumenstein, Kanton Bern, nicht zertifiziert. Der Grund: In der Imkerei werden nebst standbegatteten Königinnen, nach wie vor auch reinrassige Bienenköniginnen gezüchtet.
Bei Demeter gibt es keine Königinnenzucht im klassischen Sinn. Stattdessen soll der natürliche Schwarmtrieb mit der Teilung des Volkes und dem Hochzeitsflug der jungen Königin zur Gesunderhaltung beitragen. Dabei wird die Königin von Drohnen einer unbekannten Rasse oder von einem Rasse-Mix begattet, was eine Rassentreue verunmöglicht.
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In der Schweiz gibt es drei Bienenrassen, die mehr oder weniger in der ganzen Schweiz vorkommen. Martin Ulrich kommt ins Schwärmen, wenn er vom Rassemix redet: «Sie sind super, so freundlich und vital und manchmal auch etwas frech.» Doch manchmal müsse er auch eingreifen und die Königin austauschen, wenn sie zu aggressiv werden. Denn oft ist der Rasse-Mix stechlustiger als reinrassige Bienen, was ja durchaus als wesensgemäss bezeichnet werden dürfe, findet er.
Buchtipps von Martin Ulrich zur naturnahen Imkerei:
«Nachhaltig Imkern mit gesunden Honigbienen - aus Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft lernen» von Sigrun Mittl, Haupt Verlag, ISBN 978-3-258-08296-7
«Das Leben wilder Bienen - Wie Honigbienen in der Natur überleben» von Thomas D. Seeley, Ulmer Verlag, ISBN 978-3-8186-1335-8
«Bienenweide - 220 Trachtpflanzen erkennen und bewerten» von Günter Pritsch, Kosmos Verlag, ISBN 978-3-440-15991-0
Alle erhältlich im Buchhandel