Als Detektiv einen Fall knacken oder sich einmal wie Harry Houdini aus einer scheinbar ausweglosen Situation retten: Viele Menschen lieben diesen Nervenkitzel. Kein Wunder boomen seit einigen Jahren Escape Rooms – interaktive Abenteuerspiele, bei denen eine Gruppe von Teilnehmern in einem thematisch gestalteten Raum eingeschlossen wird und innerhalb einer bestimmten Zeit verschiedene Rätsel lösen muss, um zu entkommen. Jeder Escape Room hat eine eigene Hintergrundgeschichte, sei es ein Krimi, ein Schatzsuche-Abenteuer oder eine Flucht aus einem geheimen Labor.

«Auch ich bin ein grosser Fan», sagt Bäuerin Nicole Reusser aus Biezwil SO. Während die Indoor-Variante recht bekannt ist, wissen weniger Menschen, dass man einen Escape Room auch unter freiem Himmel anbieten kann. Genau das haben Nicole und Fritz Reusser vom «Zelgli-Träff» gemacht und mit ihrem «Trüffel-Trail» bereits den dritten Themenweg auf ihrem Hof eröffnet. Genau für dieses Projekt gewinnt das umtriebige Paar nun den Jubiläumspreis der BauernZeitung und der «grünen» in der Kategorie Kommunikation, dotiert mit 10 000 Franken. Mit dem «Trüffel-Trail» wollen Reussers ihre Trüffelplantage einem grossen Publikum zeigen und den Zugang zu dieser speziellen Kultur auf unterhaltsame und spielerische Weise ermöglichen.

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Technik vonnöten

Der Weg eignet sich ab zirka 14 Jahren zum aktiven Mitmachen, jüngere Kinder benötigen die Unterstützung von Erwachsenen. Ausserdem braucht man ein Smartphone mit Internetzugang – Reussers mussten aber erstmal einen technischen Partner haben. Diesen fand Nicole Reusser: «Ich habe eine ‹Geht nicht, gibt’s nicht-Mentalität›. Wenn ich eine Idee habe, fange ich sofort an zu recherchieren.» In diesem Fall machte sie sich schlau, welche Angebote es schon auf dem Markt gab und fand die Firma «Tourify», die im touristischen Bereich stark ist.

Der Familie war es wichtig, ein individuelles Erlebnis bieten zu können: «Wir hätten einen fertigen Krimi einkaufen können, aber das wollten wir nicht. Wir haben eine individuelle Variante zusammen mit einem Spieleentwickler erarbeitet. Man hört meine Stimme, sieht eines unserer sechs Kinder und lernt unseren Hund kennen.»

Betriebsspiegel Zelgli-Träff
Nicole und Fritz Reusser, Biezwil SO

LN: 30 ha
Kulturen: Ackerbau (6 ha Zuckerrüben, je 6 ha Brot- und Futtergetreide und 6 ha Raps), Trüffelplantage, Grasflächen
Weitere Betriebszweige: Gästebewirtung im Gewölbe­keller und auf der Aussenterasse, Selbstbedienungs-Hofladen, zwei Themenwege und ein Outdoor Escape Room (Trüffel-Trail), Kindergeburtstage
Arbeitskräfte: Vater des Betriebsleiters und Kinder (z.T. im Stundenlohn), eine Haushaltshilfe (20 Prozent), Aushilfen im Stundenlohn für Gästebewirtung

Natürlich sei der Aufwand dafür, nicht nur finanziell, deutlich höher gewesen: «Aber dieses Authentische macht uns eben aus. Nun haben wir eine massgeschneiderte Lösung, die niemand kopieren kann.» Mittlerweile laufen auch die beiden anderen Themenwege auf dieser digitalen Lösung: Das sind die «Zelgli-Milchstrasse», bei der man den Hof und seine Kulturen entdecken kann und der Weihnachtsweg, der alle zwei Jahre stattfindet.

Schon neue Pläne

In ihrem gebuchten Abo sind fünf Themenwege inbegriffen. Diesbezüglich haben Reussers bereits neue Pläne: «Eigentlich wollten wir die 10 000 Franken, die wir für den Jubiläumspreis gewonnen haben, erstmal ein bisschen zur Seite legen, denn wir haben in den letzten Jahren fast alles, was wir erwirtschaftet haben, wieder investiert», meint Nicole Reusser lächelnd, «aber unsere Tochter will als Abschlussarbeit einen vierten Themenweg umsetzen. Und für einen fünften haben wir eben auch schon eine Idee.»

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Fritz und sie seien schon immer «innovativ unterwegs» gewesen, sagt die gelernte Ernährungsberaterin, die später diverse Weiterbildungen, unter anderem als Coach, absolvierte. Heute arbeitet sie neben Hof und Familie extern am Startpunkt Wallierhof sowie am Inforama in der Aus- und Weiterbildung im Bereich Hauswirtschaft.

Auch Fritz Reusser hat einen Auswärtsjob. Der Meisterlandwirt mit einem abgeschlossenen Betriebswirtschaftsstudium ist Ortsagent bei der Emmental-Versicherung. «Ich denke, dass wir beide breite Aus- und Weiterbildungen haben, hat uns im Bereich Innovation geholfen», sagt Nicole Reusser, die auf einem Bauernhof zwei Dörfer weiter aufgewachsen ist.

Ein Direktsaat-Pionier

Jubiläum 2024 – Das DossierEigentlich habe sie nie einen Bauern heiraten wollen, verrät sie – einen Satz, den man von vielen Bäuerinnen zu hören bekommt – doch es kam anders heraus. 2003 übernahmen sie den Betrieb von Fritz Reussers Eltern. Sie gaben erst die Zucht-, später die Mastschweine auf und konzentrierten sich auf den Ackerbau.

Auch hier war Fritz Reusser früh innovativ, er ist ein Direktsaatpionier – erste Erfahrungen sammelte er zusammen mit seinem Lohnunternehmer schon 1993. Seit 24 Jahren wird alles direkt gesät. «Ich mache nur einmal in vier Jahren eine Bodenbearbeitung, ein feines Grubbern», sagt der Landwirt. «Alle Kulturen werden immer in eine bestehende Kultur gesät.» Auf 30 Hektaren produziert Reusser Zuckerrüben (6 ha), Brot- und Futtergetreide (je 6 ha) und 6 ha Raps, der Rest sind Grasflächen.

Zusammen gehts einfacher

Das eigene Mehl, die Teigwaren aus dem Mehl und den eigenen Eiern und viele weitere Produkte werden im Selbstbedienungs-Hofladen verkauft. «Wir haben schon früh auf Kooperationen gesetzt», sagt Nicole Reusser dazu. «Natürlich könnte ich die Teigwaren selbst herstellen, aber ich habe die Infrastruktur nicht hier und müsste mich recht hineinknien, um meine Qualitätsvorstellungen zu erreichen. Also arbeiten wir dafür mit der Firma ‹mit Härzbluet» zusammen, die darauf spezialisiert ist.» Für die Kindergeburtstage, ein weiteres Angebot, spannen sie schon seit Jahren mit dem bekannten Kinderliedermacher Simon Fankhauser alias «Pumpelpitz» zusammen. «Wir hatten Glück, dass wir damit schon begonnen haben, bevor er so bekannt wurde, wie er heute ist», erinnert sich Nicole Reusser zurück. 

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Sich nicht zu verzetteln ist den Eltern von sechs Kindern im Alter zwischen 20 und 6 Jahren wichtig: «Wir sind sehr durchstrukturiert und teilen uns Haushalt und Kinderbetreuung fair auf.» Anders geht es auch gar nicht, denn seit zehn Jahren bieten sie auch noch Gästebetreuung im eigenen Gewölbekeller an, ein Betriebszweig, der rasch gewachsen ist.

[IMG 6] Würdigung der Jury
Es gibt unzählige Projekte, mit denen der Bevölkerung, den Konsumentinnen und Konsumenten, die Landwirtschaft nähergebracht wird. Schwierig ist es, immer wieder neue Wege zu finden. Familie Reusser hat mit dem «Trüffel-Trail» einen solchen Weg beschritten. Es handelt sich bei diesem um einen sogenannten Outdoor-Escape-Room. Die Besucher lösen knifflige Aufgaben, erfahren gleichzeitig viel Interessantes über die Landwirtschaft und den Hof. Beeindruckend ist, dass der Trail nur die Fortsetzung und Ergänzung einer Vielfalt von Massnahmen ist, um die Landwirtschaft zu «verkaufen». Dazu gehören «Milchstross», «Weihnachtsweg», Landfrauen-Brunch, Grillplausch, Hofrundgänge, Agrotourismus, Hofladen.


Familie Reusser leistet bezüglich Kommunikation für die Landwirtschaft Herausragendes. Sie fördert das positive Image der Bäuerinnen und Bauern und trägt zu einem besseren Verständnis der Bevölkerung für die Landwirtschaft bei. Die Neuerung mit dem Trüffel-Trail und die Gesamtheit der Projekte sowie deren Integration in den Betrieb bewogen die Jury, den Betrieb Reusser zum Sieger der Kategorie Kommunikation zu küren.

Urs Schneider, Jurypräsident

Landfrauenküche gab Schub

Angefangen hat alles 2014 mit der Teilnahme am SRF-Gassenhauer «Landfrauenküche». «Wir hatten viele schöne Rückmeldungen und Anfragen, ob man bei uns auch so essen kommen könne, da haben wir gemerkt, dass da der richtige Zeitpunkt wäre, damit anzufangen.»

Eines Tages meinte ein Besucher im Gewölbekeller: «Hier müsst ihr Gäste bewirtschaften», erzählt Nicole Reusser. «Ich weiss nicht mal, ob der Herr bis heute weiss, dass wir das dann wirklich gemacht haben.» Alles begann mit dem Kauf eines Büffets, das die Bäuerin bei Ricardo ersteigerte. «Fritz war nicht begeistert, dass er das mit Wagen und Traktor abholen musste, weil wir gerade genug anderes zu tun hatten.» Also schloss das Paar einen Handel ab, Fritz holte das Buffet ab, seine Frau bewirtete im Gegenzug als erste Gäste seine Feuerwehrkameraden.

Schnell merkten die beiden, dass sich die Gäste sehr für die Landwirtschaft und den Betrieb interessierten. Regelmässig löcherten sie den Bauern, der eigentlich servieren sollte, mit Fragen. «Ich stand dann oben in der Küche, hatte den zweiten Gang fertig und fragte mich, wo er bleibt», gibt Nicole Reusser schmunzelnd eine weitere Anekdote zum Besten. «So entstand die Idee für unseren ersten Themenweg, die Zelgli-Milchstrasse.»

Noch viel Potenzial

Kommunikation ist dem Ehepaar neben der Innovation sehr wichtig: «Wir sind überzeugt, dass in der Landwirtschaft viel Tolles gemacht wird und dass es sich lohnt, das auch zu kommunizieren», so Nicole Reusser. Sie hätten bezüglich Landwirtschaft im Gespräch mit den Gästen und Kunden schon das eine oder andere Vorurteil abbauen können, ergänzt Fritz Reusser.

Einen Themenweg finden sie dafür die ideale Lösung: «Man kann eine Geschichte erzählen und den Menschen auf spielerische Weise Wissen vermitteln.» Sie sehen noch viel Potenzial mit der handybasierten Lösung, die auch für den Trüffel-Trail zum Einsatz kommt: «Ein Erdbeerbauer könnte damit auch nur für die Zeit der Ernte etwas auf die Beine stellen, es muss ja nicht gleich ein ganzer Trail sein.»

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Einfach mal wagen

Ihnen sei vor neuen Projekten oft eher abgeraten oder Angst gemacht worden, darum möchten sie Berufskollegen raten, einfach mal zu machen und den Mut zu haben, etwas anzupacken. Natürlich gibt es auch bei Reussers Schattenseiten: «Mit der Abgrenzung würden wir das heute anders handhaben. Manchmal stehen Menschen plötzlich in unserer Stube, weil sie denken, dass wir ein öffentliches Restaurant sind oder rufen uns zu jeder Tages- und Nachtzeit mit ihren Bedürfnissen an», so Nicole Reusser. Auch deshalb nimmt sich die Familie klare Auszeiten: «Frei zu nehmen funktioniert nur richtig, wenn wir nicht auf dem Hof sind. Wir sind Reisefüdli, gerne mit unserem Wohnwagen unterwegs und waren schon zweimal mit den Kindern in Australien.»

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Die eigenen Angebote zu bewerben, ist kein Selbstläufer und braucht viel Marketing, auch auf den sozialen Medien. Das merken sie nun aktuell beim Trüffel-Trail: «So ein Outdoor Escape Room ist wieder etwas ganz Anderes und wir müssen ein neues Publikum dafür erschliessen.» Umso mehr freut sie der Gewinn des Jubiläumspreises: «Wir hätten wirklich nicht gedacht, dass wir gleich gewinnen können! Wir bekommen viele schöne Rückmeldungen von unseren Kunden und Gästen, aber ein solcher Preis ist eine schöne Anerkennung, der noch über diese direkten Begegnungen herausgeht», sagt Fritz Reusser. 

Zum Zelgli-Träff

Hören Sie sich hier das komplette Interview mit Familie Reusser an

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[IMG 7] Die Jury
Das Ziel ist es, wegweisende Initiativen und Projekte zu identifizieren und zu würdigen. Die Jury, unter der Leitung von Urs Schneider, setzt sich aus internen und externen Experten zusammen, die mit ihrer umfangreichen Erfahrung und ihrem Engagement die eingereichten Projekte beurteilt haben. Das sind die Mitglieder der Jury: (oben v.l.n.r.) Urs Schneider, Urs Brändli, Andreas Stalder,(unten v.l.n.r) Eliane Berner, Simon Bernhard und Simone Barth. 

Lesen Sie hier die Steckbriefe der einzelnen Jury Mitglieder