«Den Bauerngarten» gibt es nicht. Zwar wiederholt sich die Grundstruktur der Bauerngärten immer wieder und die Bepflanzung ist üblicherweise ein Dreiklang aus Gemüse, Kräutern und Blumen. Denn der Garten sollte zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln, Heil- und Gewürzkräutern beitragen wie auch floralen Schmuck für Stube, Friedhof oder Kirche liefern. Zudem wurde der Bauerngarten meist vor dem oder in der Nähe des Wohnhauses angelegt, damit ihn die Bäuerin überblicken konnte. So diente er auch als eine Art «Schmuckteppich» für die Hausbewohner.

Das Reich der Bäuerin

Aber je nach Region gibt es Eigenheiten. Hinzukommen Unterschiede je nach Wohlstand des Besitzers, verschiedene historische Einflüsse aus dem Ausland und nicht zuletzt der persönliche Stil und die Vorlieben derjenigen Person, die im Garten die Harke schwingt. Dabei handelte es sich früher (und wahrscheinlich oft auch heute) um die Bäuerin, denn die Aufgabe ihres Gatten war die Feldarbeit. Interessant ist, welche verschiedenen Einflüsse man an einem Garten ablesen kann.

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Im bernischen Oberbalm haben sich Anina Marbot und Marie Gerber ihr grünes Reich geschaffen. Neues hat darin ebenso Platz wie Traditionelles. Weiterlesen

Typisch mit Wegkreuz und Zaun

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Bauerngärten sind typischerweise rechteckig und in vier Beete unterteilt, in deren Mitte ein Hauptweg verläuft. Ein Rundweg entlang des inneren Randes um die Beete herum ist häufig, aber nicht zwingend und setzt sowieso eine gewisse Flächengrösse voraus. Das Wegkreuz ist oft verziert mit einem runden Blumenbeet oder einem niedrigen Brunnenbecken. Je bescheidener allerdings die Verhältnisse der Bauernfamilie waren, desto einfacher wurde auch der Garten gestaltet. Was nicht fehlen darf, ist ein Zaun. Dieser besteht aus Holzlatten, Metall oder einem Mäuerchen und hält Vieh und Wildtiere von Gemüse und Blumen fern und schliesst die Gartenfläche gegen aussen ab. Diese Grundzüge findet man nicht nur in der Schweiz, sondern in einem weiten Gebiet nördlich der Alpen, in Deutschland und Holland. 

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Elemente von Klöstern, Schlössern und Patriziergärten

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Die Einteilung der Fläche über gerade Wege folgt den Kreuzganggärten in Klöstern, heisst es in einem Merkblatt des Bundes zur Inventarisierung von Bauerngärten. Von dort und aus Schlossanlagen wurden vor allem im Kanton Bern zusätzlich kleine Häuschen, Pavillons oder Gartenlauben übernommen. Die Berner Bauerngärten berühmt, denn nirgendwo sonst in der Schweiz wurden sie so stark weiterentwickelt. Vor der Terrasse, die üblicherweise zwischen Garten und Haus platziert und mit rankenden oder Topfpflanzen beschattet wurde, richtete man Ornamente aus Blumenbeeten ein. Auch die Mittelachse zierten zusätzliche Blumenflächen. Diese komplizierten Formen können als Anlehnung an die Patriziergärten der wohlhabenderen Bürgerschicht verstanden werden. Beim genaueren Hinschauen zeigt sich, dass die Strukturen im Garten die runde Giebelform des Bauernhauses und Teile der Fassade aufnehmen. «Die Gärten gehören zum Haus, übernehmen deren Form und Sprache», heisst es dazu in einem Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte von 1976.

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Der Buchs kam im 16. Jahrhundert 

Über die Zeit veränderten Trends und gesellschaftliche Entwicklungen die einheimischen Bauerngärten. Nach dem klösterlichen Einfluss im frühen Mittelalter, der insbesondere die geraden Wege und die Aufteilung der Fläche brachte, hielt der Buchs im 16. Jahrhundert Einzug. Er gehört zu den italienischen Renaissancegräten, wurde schon von den Römern zur Umrandung gepflanzt und im 18. Jahrhundert auch gerne zu Pyramiden oder Torbögen gezogen. Die Renaissance-Gartenkunst lernte man auf Reisen, durch Berichte oder in Italien arbeitende Landsleute kennen. In dieser Zeit waren seltene und exotische Gewächse sehr beliebt, man spricht von einer «Tulpomanie». Das galt nicht nur für Zier-, sondern auch Nutzpflanzen: In der Literatur ist die Rede von Mandel-, Oliven- oder Feigenbaum, Lorbeer und Melonen.

 

Die Welt und verschiedene Kulturen im Garten

Im Laufe der Zeit prägten Trends und historische Entwicklung neben der Form der Bauerngärten auch deren Bepflanzung. Die Naturforschende Gesellschaft Baselland hat sich vor Jahren damit beschäftigt, woher die verschiedenen Gewächse stammen. Dabei zeigt sich: vor Schweizer Bauernhäusern gedeiht das Erbe diverser Kulturen und aus aller Welt.

  • Kelten: Amaranth, Schlafmohn, Erbse, Königskerze, Puffbohne.
  • Römer: Zwiebeln, Feige, Fenchel, Rosmarin, Buchs.
  • Germanen: Lauch, Maiglöckchen, Baldrian und Akelei. 
     
  • Nordamerika: Sonnenblume, Nachtkerze, Sonnenhut, Thuja.
  • Mexiko und Mittelamerika: Dahlien, Stangenbohnen, Zinnie.
  • Südamerika: Prunkwinde, Tomate, Petunie, Kartoffel, Kapuzinerkresse.
  • Afrika: Agapanthus, Geranium, Gladiole.
  • Asien: Forsythie, Lampionblume, Gurke.
  • Australien: Strohblume.

Zu den exotischen Pflanzen kann man allgemein sagen, dass einheimische was die Biodiversität angeht in der Regel wertvoller sind. Wichtig ist aber, sich keine invasiven Neophyten wie amerikanische Goldruten in den Garten zu holen. Die schwarze Liste mit invasiven Neophyten von Info Flora finden Sie hier. 

Angelehnt an die späteren französische Barockgärten spielte die Architektur auf der Grünfläche eine grössere Rolle, der Bau des Hauses gab den Plan des Gartens vor. Man orientierte sich auch für Bauerngärten an Vorbildern aus der Oberschicht. Das Resultat: Springbrunnen, Gartenhäuser, seltene und exotische Blumen.

Selbstversorgung und Ästhetik 

Viele Bauerngärten im französischen Stil verschwanden im 19. Jahrhundert, als Massenarmut herrschte und die Beete in erster Linie zur Selbstversorgung dienen sollten. Einfache Gestaltung und wenig abwechslungsreiche Bepflanzungen prägen diese Zeit, es gab im Wesentlichen Mangold, Spinat, Kefen, Kabis und Zwiebeln. Allerdings scheint man nicht in allen Regionen den Nutzen eigener Gemüseproduktion erkannt zu haben. So sollen Bauerngärten z. B. im Tessin oder im Kanton Zürich deutlich seltener gewesen sein als in Basel, Bern oder Thurgau.

Es kamen auch neue Pflanzen auf, sowohl Gemüse wie Buschbohnen, Wirz, Rosenkohl und Kohlrabi, als auch Blumen, Zwergbäume, und Obst in Pyramiden- oder Spalierform. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Ästhetik wieder mehr im Vordergrund, die ersten Rosenbäumchen werden in Bauerngärten gepflanzt.

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Eine Frage von Zeit und Arbeitsaufwand 

Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte noch jeder Hof einen Garten, nach 1945 verloren diese Grünflächen und die damit verbundene Selbstversorgung zusehends an Bedeutung. Dabei habe die Überbeanspruchung von Bäuerinnen und Bauern eine grosse Rolle gespielt, wie auch das zunehmende wirtschaftliche Denken. Zudem wurden Gemüse und Früchte aller Art in Läden verfügbar und ein moderner Garten mit Rasen gefiel auch in der bäuerlichen Bevölkerung. Hinzukommen Strassenverbreiterungen, denen viele Bauerngärten zum Opfer fielen. 

«Bauerngärten sind in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes und sehr Wertvolles», schreibt die Nationale Informationsstelle Kulturerbe (Nike) in einer Annäherung. Aber es könne sie nur geben, wenn Menschen sich ihnen mit Liebe und Geduld, mit Arbeits- und Zeitaufwand zuwenden.

 

Andere Garten-«Effekte» 

Neben den historischen bzw. geographischen Einflüssen gibt es noch andere, die z. T. auch heute noch bedeutsam sein könnten. Eine Arbeit an der Uni Bern von 1993, die sich mit systematisch mit Bauerngärten im Kanton Bern beschäftigt, unterscheidet vier «Effekte»:

 «Gärtnereieffekt»: Da Gärten im bäuerlichen Alltag wichtig waren und man immer wieder Kontakt zu Gärtnereien hatte, wurde manch ein Bauernsohn Gärtner. So wanderten überzählige Setzlinge in die Beete, wie auch Neuigkeiten und Wissen aus der gärtnerischen Lehrzeit.

 «Nachbareffekt»: Viele Pflanzenarten treten in benachbarten Gärten innerhalb eines Dorfes gehäuft vor. Dies einerseits deshalb, weil ausläuferbildende oder gut zu teilende Gewächse über den Gartenzaun weitergereicht werden. Andererseits gebe es auch eine Art friedlichen Wettstreit zwischen den Bäuerinnen, die sich Neuheuten, die im Nachbarsgarten blühen, möglichst schnell auch anschaffen.

«Naturgarteneffekt»: Dieser sei bei Bauern- weniger stark gewesen als bei Stadtgärten. Zwar sei die Bauernschaft gut über die Forderungen des Umwetschutzes informiert gewesen. Man sei aber nicht allzu gut darauf zu sprechen, da sie den wirtschaftlichen Lebensnerv des Betriebs treffen. Das Bemühen, den Anliegen trotzdem gerecht zu werden, sei aber im Gespräch spürbar gewesen.

«Klassikereffekt»: Manche Bauerngärten hätten das Gefühl eines Modellgartens vermittelt, mit perfekten Buchsumrandungen und bilderbuchmässiger Bepflanzung. Letztere war in diesen Gärten auch in ihrer Zusammensetzung stark vereinheitlicht. Man vermutete Bücher über Bauerngärten als Auslöser.

Speziell der «Klassikereffekt» scheint dem Autor der Arbeit nicht gefallen zu haben. Dadurch bekomme der Garten einen kulturhistorischen Beigeschmack und verliere seine besondere Ausstrahlung, die durch seine spezielle Geschichte und die Persönlichkeit der Bäuerin entstehe. In diesem Sinne: Mut zur Individualität im Bauerngarten!

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Quellen und weitere Informationen