Statistisch gesehen isst man in der Schweiz mit 110 Gramm pro Tag mehr als doppelt soviel Zucker, wie die WHO empfiehlt. Um den ungesund hohen Zuckerkonsum von Schweizerinnen und Schweizern zu senken, wurde von Bund und verschiedenen Schweizer Lebensmittelproduktionsfirmen 2015 die Erklärung von Mailand unterschrieben. Damit verpflichteten sich die Firmen, ihren Joghurts und Müeslis bzw. Flocken Schritt für Schritt weniger Zucker zuzusetzen. Nur soll der Konsument davon nichts mitbekommen.
Vier mögliche Strategien
Im «Leitfaden Zuckerreduktion in Joghurt» fassen Forschende von Agroscope zusammen, welche Möglichkeiten es dafür gibt:
- Schrittweise Reduktion des zugesetzten Zuckers
- Nutzen von sensorischen Interaktionen
- Technologische Anpassungen
- Verwendung von Zuckerersatzstoffen
Das Ziel dabei: Konsumentinnen und Konsumenten sollen sich schrittweise an weniger Zucker im Joghurt gewöhnen, ohne dass die Produkte weniger gemocht bzw. gekauft werden. Der Leitfaden sei besonders wertvoll für kleinere Unternehmen ohne eigene Forschungsabteilung, die so vom gesammelten Wissen von Agroscope profitieren können, heisst es in einer Mitteilung.
Erdbeerjoghurt darf weniger süss sein als Mokka
In Tests mit geschulten wie auch ungeschulten Teilnehmenden fand man heraus, dass je nach Ausgangskonzentration des Zuckers eine Reduktion mehr oder weniger gross ausfallen kann, bevor man sie wahrnimmt. Dabei kommt es allerdings auf das Aroma an. So schmeckte den Testpersonen ein sehr süsses Erdbeerjoghurt mit bis zu rund 17 Prozent weniger Zucker noch, während eines mit Mokka-Geschmack bei einem so tiefen Zuckerniveau geschmacklich negativ auffiel.
Während Mokkajoghurts mit 12 Prozent Zucker am beliebtesten waren, schnitt die Erdbeer-Variante mit 9 Prozent Zucker am besten ab. Da der Wert, ab dem die Zuckerreduktion wahrgenommen wird aromaspezifisch ist, muss für eine unbemerkte Anpassung der Rezeptur für jede Joghurt-Variante dieser sogenannte Unterschiedsschwellenwert neu bestimmt werden.
Ein sinnvoller Ansatzpunkt?
Mit der Erklärung von Mailand will man die schrittweise Reduktion des zugesetzten Zuckers in Frühstückscerealien und Joghurts voranbringen. Den meisten Zucker nehmen Schweizerinnen und Schweizer aber mit Abstand über Süssigkeiten und Getränke auf:
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV empfiehlt daher vor allem, Wasser als Durstlöscher zu verwenden und Süssigkeiten nur zum Genuss zu essen.
Bei sehr tiefen Konzentrationen braucht es Tricks
Damit auch Joghurts mit nur 4 bis 6 Prozent Zucker geschmacklich nicht auffallen, muss die wahrgenommene Aromareduktion ausgeglichen werden, wobei es Gleichgewicht zwischen süss, sauer und Aroma (z. B. Mokka) zu beachten gilt.
Möglich ist etwa der Einsatz mildsäuernder Bakterienkulturen. Das wird gemäss Agroscope bereits häufig gemacht und führt zu süsseren und aromaintensiveren Joghurts. Beim Genuss stichfester Mokkajoghurts werden die Aromastoffe langsamer freigesetzt als in gerührten, was die unbemerkte Zuckerreduktion erleichtert. Die Textur ist demnach neben anderen Starterkulturen ein weiterer Ansatzpunkt.
Alle müssen mitziehen
Damit eine stufenweise Zuckerreduktion in Joghurts flächendeckend gelingen kann, müssen alle Hersteller mitziehen, schreibt Agroscope. Ansonsten können Konsumentinnen und Konsumenten jederzeit auf das süssere Konkurrenz-Produkt ausweichen, was die angestrebte langfristige Umgewöhnung unterlaufen würde.
Immerhin konnte von 2016 bis 2018 der zugesetzte Zucker in Joghurts der Unterzeichnenden der Erklärung von Mailand um 3,5 Prozent gesenkt werden – und die Joghurts von Coop, Lanz. Nestlé oder Cremo schmecken immer noch.