Es klopft und hämmert in der Nähe der Kirche Tafers im Kanton Freiburg und ein Blick auf den in ein Gerüst eingepackten Kirchturm verrät: Hier tut sich etwas. Beeindruckend hoch oben sind vier Schindelmacher aus dem Gantrischgebiet am Werk, die das Dach mit neuen Holzschindeln auskleiden. Für sie ist diese Arbeit eine Herzensangelegenheit. «Es ist eine Berufung» sagt Wernu Riesen, einer der Vier. Er hat zusammen mit seinem Geschäftspartner Fritz Künzle vor rund 21 Jahren mit der Herstellung und Verlegung von Schindeln begonnen. Mittlerweile sind weitere dazugekommen, die sich für die «Schindelei», wie er es nennt, begeistern.
Für Schindeln braucht es das richtige Holz
[IMG 4] So auch Peter Nydegger, der eigentlich Landwirt ist, aber aus gesundheitlichen Gründen seinen Betrieb aufgab. Er fasst zwei Schindeln und legt sie sorgfältig über die bereits vorhandenen, platziert einen Nagel und schlägt die beiden Schindeln zusammen ans Dach. So wird auch die untere Reihe nochmals festgenagelt. «Das schwierigste und auch das wichtigste bei den Schindeln ist, dass man das richtige Holz ausliest» weiss er. Denn die Jahrringe dürfen nicht zu breit sein, das Holz sollte also langsam gewachsen sein. Geeignet dafür sind ältere Bäume, die in hohen Lagen wuchsen und nicht zu viele Äste haben. Das Holz, dass sie verwenden, ist Fichtenholz und stammt mehrheitlich aus der Region Gantrisch, wo Nydegger wohnt und im Winter die Schindeln von Hand herstellt. Für die Auswahl geeigneter Bäume seien die Schindelmacher auf die gute Zusammenarbeit mit Förstern angewiesen, die Bäume erkennen können, die dafür in Frage kommen, weiss Nydegger. Bei der Ernte des Holzes schaut er auch auf den Mond: Die Bäume werden gefällt, wenn er abnehmend und absteigend ist.
Fassaden halten länger als Dächer
Peter Nydegger macht im Winter «Schipfeni», wie er die Schindeln nennt, und hilft im Sommer, diese zu verlegen. Er ist eher zufällig darauf gestossen, als er gefragt wurde, ob er helfen könne, eine Berghütte mit Schindeln zu decken. «Da hat es mir den Ärmel reingenommen» sagt er und beschloss, dass er nicht nur Schindeln legen, sondern im Winter auch selbst welche herstellen will. Er habe schon immer gern mit Holz gearbeitet.
In Zahlen
180 m2 Fläche hat das Dach des Kirchturms Tafers.
220 Schindeln braucht es für 1 m2.
40 000 Schindeln braucht es in etwa, um den Kirchturm neu zu decken.
20 000 Schindeln fertigt ein Schindelmacher oder eine Schindelmacherin in etwa pro Winter.
2500 bis 3000 Schindeln entstehen aus einem Baumstamm von 6 Meter Länge (je nach Durchmesser des Baums).
12 bis 13 Baumstämme à 6 Meter braucht es, um den Kirchturm Tafers neu zu decken.
Bevor die neuen Schindeln montiert werden können, müssen zuerst die Alten entfernt werden. Nach etwa 50 Jahren ist es bei einem Dach meist wieder nötig, sie zu ersetzen. Die Schindeln einer Hausfassade halten 100 Jahre und mehr, weil sie nicht so stark dem Wetter ausgesetzt sind, weiss Peter Nydegger. «Nach Jahren sieht ein Schindeldach schnell mal verwittert aus. Aber innen ist es noch dicht», weiss er.
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Schindeln sind ein nachhaltiges Produkt aus der Region
Vor dem Montieren werden die Schindeln in Wasser eingelegt, sodass sie flexibler werden und beim Nageln nicht spalten. Für die Montage gilt es, eine bestimmte Folge zu beachten: So werden die Schindeln in der gleichen Reihenfolge montiert, wie sie aus den Holzblöcken, den sogenannten «Weggen», gespalten wurden. Das erklärt Marco Kreuter, der Jüngste der vier Schindelleger, bevor er die nächsten Schindeln ans Dach nagelt. Er hat vor zehn Jahren bei Wernu Riesen angefangen. Im gefällt am Schindelmachen zum einen besonders, dass die Rohstoffe aus der Region kommen. «Das Material steht hier im Wald», sagt er. Und zum anderen, dass er von A bis Z alles selbst machen kann. Wernu Riesen und Peter Nydegger pflichten ihm bei. «Ich kann den Baum selbst ummachen, ihn rüsten und noch dazu die Schindeln aufs Dach verlegen. Das fasziniert mich», sagt Peter Nydegger und Riesen ergänzt: «Es gibt keinen Abfall und es ist ein nachhaltiges Produkt aus der Region. Grüner geht es fast nicht mehr», sagt er und lacht. [IMG 3]
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Marco Kreuter greift die nächsten zwei Schindeln, die auf dem Fassadenknecht liegen. Das ist eine Art Schemel, der am Dach lehnt und auf dem die Schindeln parat liegen. «So muss ich mich nicht bücken», sagt er. Ab und zu arbeitet er als Zimmermann in seinem gelernten Beruf, versucht aber, vom Schindelmacherhandwerk zu leben. «Hauptsache Schindeln», findet er. Auch er ist darauf gestossen, als er gefragt wurde, auszuhelfen. Die «Schindelei» sei eine Fleissarbeit im Sommer wie im Winter, sagt Kreuter.
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20 000 Schindeln pro Person und Jahr
Im Winter fertigen bis zu sieben Leute, darunter auch drei Frauen, die Schindeln, die sie im Sommer verlegen. Die Arbeit nennen sie «klopfen», denn die Schindeln werden nicht gesägt, sondern abgespalten. So werde das Holz nicht zerstört und ist widerstandsfähiger gegenüber der Witterung, sagt Peter Nydegger. In dieser Region ist es meistens Fichtenholz, dass zu Schindeln verarbeitet wird. Je nach Region sei es aber auch Lärche, zum Beispiel im Wallis oder Graubünden, weiss Marco Kreuter. Heute montieren sie die Schindeln, die Peter Nydegger letzten Winter gefertigt hat. Sie verrechnen untereinander, von wem sie wieviel Schindeln verarbeitet haben. Pro Winter fertigt jeder von ihnen von November bis April je etwa 20 000 Schindeln.
[IMG 5]Sie seien mehrheitlich im Sensebezirk des Kantons Freiburg unterwegs, aber die Hochburg der Schindeln sei im Greyerz, sagt Marco Kreuter, was auch im Kanton Freiburg liegt. Das traditionelle Handwerk wird zum Teil mit Unterstützungsbeiträgen von Heimatschutz, Kanton, Bund, Fonds für Landschaft Schweiz und der Berghilfe unterstützt. Die Beiträge unterscheiden sich jedoch von Kanton zu Kanton. «Es ist ein altes Handwerk, dass ich noch lernen durfte von Wernu und Peter und das ich jetzt weitertragen kann. Ich bin die neue Generation der Schindelmacher, das macht mich schon etwas stolz», sagt der junge Schindelmacher.
Ein altes Handwerk für moderne Bauten
«Aber hat denn das Handwerk auch Zukunft?» frage ich in die Runde. «Ja!» finden Wernu Riesen und Andreas Hofer, der vierte Schindelleger, der heute am Werk ist. Er hilft je länger je mehr beim «Schindeln» mit und arbeitet sonst als Zimmermann. «Wir haben auch schon ein Gebäude der UNO in Genf mit Schindeln ausgekleidet», sagt er. Schindeln würden bei moderner Architektur oft bei Fassaden eingesetzt. [IMG 8]
Peter Nydegger, Wernu Riesen, Andreas Hofer und Marco Kreuter sind sich einig: Finanziell lukrativ sei die Schindelei nicht. Aber sie wirken zufrieden. Es geht noch etwa zwei Wochen, bis das Dach des Kirchturms in Tafers fertig gedeckt ist. Bis dann arbeiten sich die Vier dem immer dünner werdenden Kirchendach hoch, bis sie zuoberst angelangt sind. Danach fängt schon bald die Winterarbeit an.
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