Die Luft ist frisch und über den sanften Hügeln des Emmentals liegt eine Stille, die nur durch das gelegentliche Blöken der Schafe unterbrochen wird. Die Strasse zur Moosegg windet sich durch die Landschaft, vorbei an steilen Weiden, die den Hof von Doris und Hanspeter Blaser in Landiswil umgeben.

Mit festem Schritt steigt Doris Blaser die steilen Hänge hinunter, in der Hand einen Kessel, gefüllt mit «Gläck» für die Schafe. Sie sind über die Weide verteilt und heben aufmerksam die Köpfe. Es ist noch nicht Stallzeit, das wissen die Tiere genau, und zunächst trotten sie widerwillig der Bäuerin nach. Doch Blasers vertraute Stimme und der verlockende Klang des Kraftfutters im Kessel überzeugen sie schliesslich. Langsam setzt sich die Herde in Bewegung, einige ältere Tiere vorneweg, gefolgt von den jüngeren. Unter ihnen staksen ein paar wenige Tage alte Lämmer, noch unsicher auf den Beinen, aber schon eifrig, der Mutter zu folgen.

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Ein Kleinstbetrieb im Emmental

Der Hof von Familie Blaser ist einer, wie man ihn hier noch oft findet: klein, abgelegen und eingebettet in die für die Region typische Hanglage. Doch was auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen mag, ist ein Musterbeispiel für kluge Umstrukturierung und innovative Betriebsführung. Mit dem Jubiläumspreis der Schweizer Agrarmedien im Bereich Umstrukturierung werden Blasers für ihre Weitsicht und ihren Mut ausgezeichnet, ihren Hof nachhaltig zu erneuern. Der Erfolg dieses Kleinbetriebs zeigt, wie viel Herzblut und Erfindergeist notwendig sind, um in einer Zeit des Umbruchs in der Landwirtschaft bestehen zu können.

Betriebsspiegel der Familie Blaser
Doris und Hanspeter Blaser, Landiswil BE

LN: 7,6 ha und knapp 3 ha Wald
Kulturen: Grünland
Tierbestand: 50 Schafe der Rasse Schwarzbraunes Bergschaf (SBS) plus Lämmer
Weitere Betriebszweige: Zuchtschafe, Fleischprodukte (Schaf und Lamm, Trutenmast im Sommer sowie einige Mastpoulets) und Naturwürfeli (Dünger aus 100 % Schafschurwolle)
Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar

Ein Unfall mit Folgen

Das Jahr 2014 markierte den Beginn des Wandels auf dem Hof. Hanspeter, der bis dahin sieben Kühe im Stall gemolken hatte, verletzte sich, als er von einem Lastwagen stürzte und sich das Knie zertrümmerte. Die Arbeit mit den Milchkühen wurde unmöglich und das Ehepaar sah sich gezwungen, über die Zukunft des Betriebs nachzudenken. «Es war sehr bald einmal klar, dass wir so nicht weitermachen konnten», erinnert sich der Landwirt. «Das stellte uns unweigerlich vor die Frage: Was jetzt?»

Glücklicherweise hatten Blasers zu diesem Zeitpunkt bereits einige Schafe auf ihrem Betrieb. «Wir hatten fünf oder sechs Tiere, einfach so nebenbei», erzählt Doris. Dennoch: Der Schritt, komplett auf Schafhaltung umzusteigen, fiel den beiden nicht leicht. «Wir liebten die Kühe», erinnert sich die Bäuerin, die noch den Tag, ja gar die Stunde weiss, in der die letzte Kuh den Hof verliess. «Zudem waren Schafe nicht gerade das, was man hier als zukunftsträchtig ansah», schmunzelt Hanspeter. Doch die beiden liessen sich nicht entmutigen.

2016 verliessen die Kühe den Hof

2016 fiel dann die endgültige Entscheidung: Die Kühe mussten weichen und Schafe wurden zum Hauptbestandteil des Betriebs. Rückblickend war das eine kluge Wahl. Heute halten Blasers rund 100 Tiere der Rasse Schwarzbraunes Bergschaf – 50 Schafe und deren 50 Lämmer. Fleischproduktion steht im Vordergrund: Die Produkte reichen von Wurstwaren über Trockenfleisch bis hin zu halben oder ganzen Mischpaketen, die auf Bestellung direkt vermarktet werden. Was nicht verkauft werden kann, geht ins Schlachthaus nach Thun. Auch Zuchtschafe werden verkauft, denn in den beiden steckt auch ein Züchterherz.

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Nachhaltiger Wandel

Jubiläum 2024 – Das Dossier Doch der Wandel beschränkte sich nicht nur auf die Tierhaltung. 2022 begannen Doris und Hanspeter Blaser, die Schafschurwolle ihrer Tiere auf eine ganz besondere Weise zu nutzen: als natürlichen Dünger. Schafschurwolle, die sonst als Abfall gilt, wird auf dem Hof in Würfelform gepresst und als nachhaltiges Produkt verkauft. «Die Wolle wird erhitzt und bleibt dank des Fettes, das in ihr steckt, lange haltbar», erklärt der Landwirt. Bekannt ist Schafschurwolle noch nicht sehr lange als Dünger, sondern eher dafür, Schädlinge fernzuhalten. «Bei Zucchini funktioniert das wunderbar – einfach offene Wolle um den Stock legen, und die Schnecken bleiben weg», weiss die gelernte Gärtnerin Doris, die in einem Teilzeitpensum in der Friederika-Stiftung in Walkringen BE arbeitet. Hanspeter arbeitet ebenfalls im Teilzeitpensum als Car- und Lastwagen-Chauffeur bei der Sommer AG in Grünen BE. Durch die Umstrukturierungen wird er nun mehr Zeit auf dem eigenen Hof verbringen.

Doch so schlüssig die Geschichte sich anhören mag, die Entwicklung dieser speziellen Nutzung der Schafschurwolle war kein einfacher Prozess. Hanspeter Blaser und sein Bruder Martin verbrachten unzählige Stunden damit, Maschinen und Werkzeuge anzupassen, um die widerspenstige Wolle in handhabbare Würfel zu verwandeln. Denn Schafschurwolle ist extrem schwer zu schneiden, besonders, wenn sie in grossen Mengen anfällt. Es war ein mühseliger Weg, immer wieder mussten sie improvisieren und Rückschläge hinnehmen. «Wir haben oft gedacht, dass wir es nicht hinbekommen», erinnert sich Hanspeter. Die Wolle verklumpte, die Maschinen blockierten, und es dauerte Monate, bis sie schliesslich eine Methode fanden, die funktionierte. «Es brauchte viele Versuche und Anpassungen. Manche Nächte habe ich wachgelegen und überlegt, wie wir das Problem lösen könnten», sagt der Landwirt. Die Tüftelei zog sich über Wochen hin, und oft mussten sie von vorne anfangen, weil die Schafwolle durch ihre Struktur und Dichte den geplanten Verarbeitungsprozess vereitelte.

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Es ist ein Naturprodukt

Trotz dieser Herausforderungen hat sich der Durchhaltewille gelohnt. Heute haben sich die Schafschurwollewürfel in der Region etabliert, die Nachfrage wächst stetig. «Das Produkt ist ein Naturprodukt. Es kann Feuchtigkeit speichern und langsam wieder an die Pflanzen abgeben, fast wie ein Schwamm», erklärt Doris Blaser. Besonders bei Zierpflanzen wie Geranien oder Gemüse wie Zucchini lässt sich ein deutlicher Unterschied erkennen: Pflanzen, die mit den Schafschurwollewürfeln gedüngt werden, wachsen kräftiger und bleiben länger gesund. Zudem verleiht die Wolle den Pflanzenwurzeln Luft und trägt zu einem stabileren Wachstum bei. Auch Mäuse und Schnecken halten sich zunehmend fern, wo mit Schafwolle gearbeitet wird. Blasers haben festgestellt, dass Mäuse, die sonst gerne in die Gärten eindringen, merklich seltener gesichtet werden. «Der Geruch erinnert an Schafe», so Hanspeter. «Und genau das mögen sie offenbar nicht.»

Umstrukturierung und Wachstum

Der Wandel, den Doris und Hanspeter Blaser auf ihrem Hof vollzogen haben, wäre ohne die Unterstützung der Familie kaum möglich gewesen. «Es war ein harter Weg», erzählt Doris. «Ohne die Familie hätten wir es wohl aufgegeben», erinnert sie sich. Besonders Hanspeters Bruder Martin hat einen grossen Anteil am Erfolg des Projekts mit den «Natürwürfeli», wie der Dünger genannt wird.

Heute umfasst der Betrieb 7,6 Hektar, soll aber bereits bis 2025 auf 12 Hektar vergrössert werden. Die steilen Weiden in der Bergzone II machen es schier unmöglich, andere Tierarten zu halten. Schafe hingegen können die steilen Hänge problemlos bewirtschaften und so setzen Blasers weiterhin auf die robuste Rasse. «Unser Ziel ist es, auf etwa 70 bis 80 Muttertiere aufzustocken», erklärt Hanspeter Blaser. Die Flächen des Betriebs werden gezielt bewirtschaftet, auch der angrenzende Wald wird in die Hofarbeit miteinbezogen. Mit einer Schnitzelheizung haben Blasers die Nutzung des Holzes optimiert, sodass die Arbeit rund um den Wald weniger aufwändig geworden ist.

Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk und alle Rückschläge wurden gemeinsam bewältigt. «Es gab viele Momente, in denen es schwierig war», erinnert sich der Landwirt. Zum Beispiel, als die ersten Pellets nicht wie erwartet aussahen, oder auch als technische Probleme die Produktion verzögerten. «Aber bei jedem Rückschlag haben wir gelernt», bekräftigt er.

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Blasers sind bodenständig geblieben

Trotz aller Erfolge bleiben Blasers bodenständig. «Wir haben keine Pläne, riesig zu wachsen», betont die Bäuerin. Das Ziel sei vielmehr, das Produkt und die Produktion am Hof zu behalten und nicht auszulagern. «Gesund wachsen» lautet das Motto. Statt riesige Lagerhallen zu mieten und auf industrielle Produktion zu setzen, wollen sie das Projekt langsam und nachhaltig ausbauen. Die Zusammenarbeit mit EM Schweiz, die bereits zu Beginn unterstützend war, bleibt ein wichtiger Teil ihrer Strategie. «Wenn du mir das Würfeli bringst, helfe ich dir, es zu vermarkten», hatte Ueli Rothenbühler seinerzeit Hanspeter Blaser versprochen. Von Vorteil ist sicherlich auch die örtliche Nähe zu EM Schweiz, deren Hauptsitz im Nachbardorf Arni BE liegt. Und tatsächlich hat sich diese Partnerschaft als fruchtbar erwiesen. Heute wird der Schafwolldünger nicht nur online verkauft, sondern auch zunehmend in der Region genutzt.

Hanspeter Blaser, der als kantonaler Schafexperte unterwegs ist, kauft inzwischen Wolle von Kollegen zu, da die eigene Produktion für die Würfel nicht mehr ausreicht. Dabei sei die Qualität zwar wichtig, aber eben nicht unbedingt die, an die man im ersten Moment denkt. Die geeignetste Schurwolle stamme von Tieren, deren Wolle kürzer und weicher ist – also nicht zu lang. Dabei dürfe es durchaus auch jene sein, die sich nicht als Erstklasswolle verkaufen lasse, auch ein wenig Mist daran schade nicht. «Es ist ja Dünger», so der Landwirt.

Zukunft dank Hartnäckigkeit

Doris und Hanspeter Blaser haben mit ihrer Umstrukturierung bewiesen, dass es auch kleinen Betrieben möglich ist, sich durch Innovation und harte Arbeit eine Zukunft zu sichern. «Man kann aus kleineren Betrieben mit einer Idee etwas schaffen», sagt Hanspeter. Und manchmal, so fügt er hinzu, «wirst du erst belächelt und dann beneidet.»

Ihr Erfolgsgeheimnis? «Viel Herzblut und Freude an dem, was wir tun», sagt Doris Blaser. Die Grösse des Betriebs sei dabei nicht entscheidend. Was zähle, sei der Mut, etwas Neues zu wagen und gleichzeitig die eigenen Wurzeln nicht zu verlieren. Ein Vorbild, das zeigt: Auch kleine Höfe haben eine Zukunft, wenn man es richtig anpackt.

Zu Naturwürfeli

[IMG 5] Würdigung der Jury

Ein Nebenerwerbsbetrieb mit sieben Hektaren Landwirtschaftlicher Nutzfläche im tiefsten Emmental, mit schwierig zu bewirtschaftenden Steillagen, sieben Milchkühen, ohne familieneigene Nachfolge. Nach einer schweren, bei einer auswärtigen Tätigkeit erlittenen Knieverletzung hätte es wohl ein Dutzend Gründe gegeben, den Betrieb aufzugeben. Kaum ein Grund sprach für eine Fortführung. Für Hanspeter und Doris Blaser aber gab es Gründe für eine Weiterbewirtschaftung, darunter die Leidenschaft und Freude «am Buure». Sie gaben die Milchproduktion auf und setzten auf Schafhaltung mit Zucht und Fleischproduktion. Mehr noch: Sie fanden eine Möglichkeit, auch die Wolle in Wert zu setzen. Mit akribischer Tüftelei bauten sie Maschinen um, die es ihnen ermöglichen, die Schafwolle zu pelletieren, damit sie als wertvoller Spezialdünger zu einem guten Preis verkauft werden kann. Aus dieser Einnahmequelle und dem Verkauf von Zuchtschafen und Schaffleisch sowie einer Charge Truten im Sommer und den Einkünften aus dem Hofladen resultiert genügend Einkommen, dass der Betriebsleiter fast gar nicht mehr auswärts arbeiten muss. Im Verhältnis zur Grösse des Betriebes sind die Veränderungen gewaltig. Die Jury würdigt mit ihrem Entscheid den Mut und Durchhaltewillen von Blasers. Ihnen ist es gelungen, durch eine Neuausrichtung, markante Veränderungen und innovative Ideen dem Kleinbetrieb das Überleben zu sichern. Das verdient den Sieg in der Kategorie «Umstrukturierung».

Urs Schneider, Jurypräsident

 

[IMG 6] Die Jury
Das Ziel ist es, wegweisende Initiativen und Projekte zu identifizieren und zu würdigen. Die Jury, unter der Leitung von Urs Schneider, setzt sich aus internen und externen Experten zusammen, die mit ihrer umfangreichen Erfahrung und ihrem Engagement die eingereichten Projekte beurteilt haben. Das sind die Mitglieder der Jury: (oben v.l.n.r.) Urs Schneider, Urs Brändli, Andreas Stalder,(unten v.l.n.r) Eliane Berner, Simon Bernhard und Simone Barth. 

Lesen Sie hier die Steckbriefe der einzelnen Jury Mitglieder