Ein bekanntes Sprichwort besagt: «Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen.» Ich glaube, es braucht vor allem ein Dorf, wenn eine Bäuerin auf dem Betrieb mithilft. Oder einfach sehr genügsame, geduldige und hilfsbereite Kinder.
Meine Kinder sind eher von der Sorte wild, frech und wunderbar anstrengend. Sie kommen zwar mit in den Stall, aber haben nach gut einer Stunde genug. Der Kleinste wäre voll dabei, jedoch dauert mit ihm alles einiges länger und man muss saumässig aufpassen.
Doch was, wenn man kein Dorf hat? Wenn die Grosseltern noch arbeiten, bereits zu alt sind oder einfach nur ihren wohlverdienten Ruhestand geniessen. Was, wenn befreundete Familien das Wochenende als reine Familienzeit sehen, weil man unter der Woche genug arbeitet. Kitas, die am Wochenende geöffnet haben und das bereits ab 5 oder 6 Uhr, kenne ich auch keine.
Seit ich regelmässig im Stall arbeite, zähle ich unseren Fernseher zu meinem Dorf. Immerhin unterhält er die zwei Grossen einen Morgen lang. Meine Tragehilfe konnte ich für eine kurze Zeit auch zu meinem Dorf zählen, leider ist der Kleinste mittlerweile herausgewachsen. So gehören neu der «Buggy» und viele Snacks zu meinem Dorf. Denn bei gewissen Arbeiten muss K3 irgendwo in meinem Blickfeld warten.
Das Dorf hat viele Gesichter
Doch nicht nur in der Kinderbetreuung fehlt mir ein Dorf. Während ich im Stall bin, bleibt alles im Haus liegen. Niemand macht das Frühstück oder kocht das Mittagessen. Darum ist ein weiterer Dorfbewohner der Pizza-Lieferdienst. Während ich miste, wird unser Essen vorbereitet und pünktlich zum Feierabend an die Tür geliefert.
Oft frage ich mich, wie andere Bauernfamilien das lösen. Haben alle ein Dorf? Oder tatsächlich sehr interessierte Kinder, die freudig mithelfen und geduldig warten? Wer weiss, vielleicht gibt es da draussen noch mehr Bäuerinnen mit dem etwas anderen Dorf. Egal wie der Arbeitsalltag mit Kindern gestaltet wird, Hauptsache die Familie ist damit zufrieden. Mehr oder weniger.
Zur Person
Rahel Iten ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist Bloggerin, Texterin und Kolumnistin. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann eine Schweinezucht mit zwei Mitarbeitern und ist Hobbybäuerin.
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