«Smart Farming ist für mich ein Hilfsmittel, aber ich lasse mich nicht von der Technik beherrschen», sagt Cyril Tappolet. Er steht in der Werkstatt neben der eingewinterten Feldspritze, die mit diversen Sensoren und verschieden farbigen Düsen ausgestattet ist. «Sie ist die modernste Maschine auf dem Betrieb», merkt Tappolet an. «Pflanzenschutz ist ein sehr sensibles Thema, darum setze ich hier auf Hightech.» Dies ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Tappolet digitale Technologien nutzt.
Auf zweitem Bildungsweg Landwirt gelernt
Cyril Tappolet ist gelernter Software-Ingenieur und hatte zusammen mit einem Partner eine IT-Firma im Gesundheitsbereich, bevor er in die Landwirtschaft einstieg.
«Das ist eine Eigenheit in unserer Familie, schon mein Grossvater und Vater haben erst auf dem zweiten Bildungsweg Landwirt gelernt.»
Cyril Tappolet lernte Landwirt als Zweitberuf
Lange Zeit war offen, wer von den drei Geschwistern den elterlichen Betrieb einst übernehmen würde. «Ich konnte mir das immer vorstellen, aber auch meine Schwester hatte Interesse an der Landwirtschaft», sagt der 49-Jährige. Sie und ihr Mann hätten ihr Glück dann aber in Kanada gesucht und gefunden.
Einst ein klösterlicher Gutsbetrieb
Der Hof Gennersbrunn ging aus einem Gutsbetrieb des Klosters Sankt Agnesen hervor. Ab 1870 war der Hof ein Institut für schwer er-ziehbare Jugendliche aus der Stadt Schaffhausen. Seit 1870 ist der Hof im Besitz der Familie Tappolet. Eine Eigenheit sei, dass es schon immer ein klassischer Ackerbaubetrieb gewesen sei und schon immer die Grösse von rund 50 Hektaren hatte, führt der heutige Betriebsleiter aus. «Früher war hier ein rechtes Treiben. In der Erntezeit arbeiteten und wohnten bis zu 50 Angestellte auf dem Hof», berichtet Tappolet. Es gab sogar eine eigene Schmitte. Heute führt das Betriebsleiterehepaar den Betrieb zu zweit, ohne Angestellte.
Cyril Tappolet stieg 2004 in die Landwirtschaft ein. 2007 übernahm er den Betrieb zur Hälfte, indem er eine Betriebsgemeinschaft mit dem Vater gründete. 2011 übernahmen Cyril und Ehefrau Zara Tappolet den Betrieb vollständig. Sie bauten eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Hühnerstalls. Dafür hat der Betrieb KEV-Verträge mit dem Bund abgeschlossen. Strom für den eigenen Betrieb kann Tappolet nicht abzweigen und eine zweite Anlage wird er in absehbarer Zeit nicht bauen. Denn dafür müsste das Elektrizitätswerk eine grössere Trafostation bauen, welche am bestehenden Ort nicht realisierbar wäre.
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Elektronisch gesteuert und überwacht
Die zweite grosse Veränderung auf dem Betrieb war die komplette Digitalisierung, und zwar im Ackerbau und in der Pouletmast. «Technik und Landwirtschaft gehören für mich zusammen», sagt der Betriebsleiter. So sind die drei Fendt-Vario-Traktoren (516, 312 und 211) mit automatisierten Lenksystemen und GPS-Technologie ausgerüstet. Dünger und Pflanzenschutzmittel werden mit Hilfe von Satellitenbildern ausgebracht. «Ich bin aber immer noch mit auf dem Feld und sitze hinter dem Steuer», gibt er zu verstehen.
Auch die Aufzucht der Küken für die Pouletmast läuft grösstenteils vollautomatisch. Futter- und Wassermenge, Temperatur, Luftfeuchte oder der CO2-Gehalt werden elektronisch geregelt und überwacht. Trotzdem geht Zara Tappolet mehrmals täglich in den Hühnerstall und schaut, wie es den Tieren geht. Die Frage, ob so viel Digitalisierung nicht auch ein Risiko für den Betrieb darstellt, verneint Cyril Tappolet: «Wichtig ist auf jeden Fall, dass man ein Notfallkonzept hat.» Gerade im Hühnerstall, wo alles hochgradig automatisiert ist, sei dies wichtig. Fällt dort der Strom aus, besteht eine Notstromversorgung.
Eine ganz andere Sache ist es mit den für den Betrieb benötigten Daten und Technologien, wobei Tappolet das Risiko nicht höher einstuft als für private Zwecke. Er sagt, er sei so eingerichtet, dass er auch arbeiten könnte, wenn ihm die Dienste nicht zur Verfügung stehen würden.
«Unsere Traktoren haben immer noch ein Steuerrad und der Düngerstreuer und die Spritze lassen sich auch manuell bedienen.»
Cyril Tappolet kann auch arbeiten, wenn die IT ausfallen würde
Kein Bock auf Elektro- und Gastraktoren
Auch wenn Cyril Tappolet sehr digital unterwegs ist, setzt er auf herkömmliche Traktoren und Maschinen. Alternative Antriebstechniken beim eigenen Fuhrpark kann er sich (noch) nicht vorstellen. «Elektrotraktoren sind für unseren 50-ha-Betrieb utopisch.» Die Zeitfenster für die Feldarbeiten seien meist kurz, dann müsse er fahren können. «Und die Reichweite von Elektrotraktoren ist sehr beschränkt», schiebt er nach.
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Auch Gastraktoren sind für Tappolet kein Thema. Zwar gibt es im zehn Kilometer entfernten Thayngen eine Gastankstelle, «aber mit dem Traktor bräuchte ich mit Anfahrt und Auftanken eine Stunde». Ausserdem müsse ein Gastraktor im harten Einsatz mehrmals täglich aufgetankt werden. Eine eigene Biogasanlage will er nicht bauen. «Dafür müssten wir viel Fläche hergeben, die nachher für die Nahrungsmittelproduktion fehlt. Das widerstrebt mir», führt Tappolet aus.
Der Betrieb verfügt über einen grossen Maschinenpark mit eigenem Mähdrescher. Auf überbetrieblichen Maschineneinsatz verzichtet Tappolet. «Es wäre mir zu unsicher», sagt er, «wenn ich die Maschine brauche, muss sie verfügbar sein.» Dabei erwähnt er, dass er noch verschiedene Mandate habe, für die er oft unterwegs sei.
Smart Farming lässt sich unmöglich amortisieren
So präsidiert er seit drei Jahren den Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverband Schaffhausen (GVS). «Eine faszinierende Firma, die in der Schweizer Landwirtschaft sehr breit abgestützt ist.» Dieses Engagement ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Angesprochen auf die Swiss Future Farm (SFF), wo der GVS auch Partner ist, sagt Cyril Tappolet: «Die SFF hat meiner Meinung nach ein Schattendasein in der Schweiz.»
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Viele Landwirte hätten das Gefühl, die SFF sei völlig futuristisch und abgehoben. Sie seien sich zu wenig bewusst, wie viel sie eigentlich davon profitieren könnten. Der Schaffhauser nennt ein Beispiel: «Applikationskarten werden immer mehr ein Thema und werden auch auf politischer Ebene diskutiert. Damit arbeitet man auf der SFF schon seit vier oder fünf Jahren.» Ändern könne man dies nur durch aktive Kommunikationspolitik. Tappolet ist überzeugt: «Digitalisierung kommt immer mehr im landwirtschaftlichen Alltag, daran wird niemand vorbeikommen.» Er gibt aber auch zu: «Smart Farming macht man für die Umwelt. Amortisieren lassen sich diese Investitionen in der Schweiz nicht.»
Betriebsspiegel Gennersbrunn
Name: Cyril und Zara Tappolet
Ort: Schaffhausen
LN: 52 ha, konventionell
Kulturen: Weizen (Saatgutproduktion), Gerste, Mais, Sonnenblumen, Zuckerrüben, Raps
Tierhaltung: Pouletmast (18'000 Plätze)
Weiteres: Photovoltaik (250 kW)
Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar