Visp In der Urgeschichte des Oberwallis wurde innerhalb der Viehzucht dem Schaf immer der Vorzug gegeben. Man geht davon aus, dass das Schwarznasenschaf aus einer Mischung zwischen Kupferschaf und dem schwarzen Schaf entstanden ist. Das Rhonetal war lange Zeit Sumpfgebiet und das Schaf musste mit dem spärlichen Futter an den magersten und kargsten Hängen auskommen. Seine in Jahrhunderten erworbenen Eigenschaften, wie Anpassungsfähigkeit an das rauhe Gebirgsklima, Futterverwertung, Fruchtbarkeit, Genügsamkeit und Standorttreue, machen diese Rasse einzigartig. Das urwüchsige Schwarznasenschaf wurde im letzten Jahrhundert nicht gezüchtet, um irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile zu erhalten, sondern es wird wegen seinem Eigensinn, wegen seiner Schönheit und seiner Ursprünglichkeit geliebt.

Keine Hochleistungstiere

Die Sömmerung auf Hochalpen verlangt robuste, berggängige und zutrauliche Tiere von mittlerem Gewicht. Schwarznasen werden ausschliesslich in Ne­benerwerbsbetrieben gehalten. Gesamtwirtschaftlich erfüllen diese Schafe aber einen wertvollen Beitrag und globalen Nutzen an die Gesellschaft, den Tourismus und die Landwirtschaft. Von der Biodiversität mit dem Erhalt einer grossen Pflanzenvielfalt angefangen bis zur Ver­minderung der Verbuschung, Erosions- und Lawinengefahr sowie mit der Düngung ist der Kreislauf wieder geschlossen.

Im Zuchtziel wird nebst dem Körperbau grossen Wert auf die Wolle und die ausgesprochene Färbung gelegt. Die Bemuskelung wurde von den Züchtern angestrebt, aber nicht so ausdrücklich wie bei den anderen Schweizer Rassen.

"Wir sind aber auf unsere Vorfahren sehr stolz", erwähnt ein strahlender Daniel Steiner, welcher den Oberwalliser Schwarznasenzuchtverband präsidiert, "dass sie an der Reinzucht festgehalten haben und die Schwarznasenschafe mit ihrer Ausstrahlung und dem Wollkleid heute zu den schönsten Schafen aller Rassen gehören".

Zucht statt Kraftfutter

Der Zuchtverband will nun, dass Widder mit mehr Gewicht auf Brust, Lende und breitem Vorderkreuz eingesetzt werden, erzählt der versierte Züchter Paul Julen. Schlussendlich zählt das Schlachtkörpergewicht am Haken, doppelt der gelernte Metzger Christian Furger nach.

Wenn im Herdebuch zuverlässige 40-Tage-Gewichte ermittelt werden, können die Mutterleistungen bei Zwillings-und Einzelgeburten mit 17 beziehungsweise 20 kg LG beurteilt werden. Während Frühlingslämmer mit den Muttertieren auf die Alp gehen und im Herbst mit sieben bis elf Monaten schlachtreif sind, haben Herbstlämmer dank Kraftfutter mit vier bis fünf ­Monaten eine viel kürzere Mastperiode. Auch ältere Lämmer aus dieser Rasse liefern ein zartes und wegen dem geringeren Fettanteil bekömmliches Fleisch.

Eine wachsende Nische

Mit der Förderung des Tourismus werden den Gästen aus aller Welt einheimische Produkte schmackhaft gemacht. Fleischverarbeiter und Hoteliers wünschen sich beim Schlachtkörper von Schwarznasenschafen eine bessere Fleischigkeit, gehört doch dieses fettarme, feinfaserige Fleisch zu den zartesten und schmackhaftesten und damit beliebtesten Lammfleischarten überhaupt, betont Daniel Steiner. Gefordert sind die Lämmerproduzenten für eine höhere Qualität und die Vermarkter mit Innovationen.

In der Vergangenheit ist der Lämmerabsatz praktisch ausschliesslich über die öffentlichen Annahmen erfolgt. Auffallend ist, dass Posten mit leichten bis überschweren Lämmern geliefert werden, wodurch viele Ressourcen und Geld für die Züchter verloren gehen. Die Schlachtviehannahmen bleiben aber für die Absatzsicherheit entscheidend, besonders für die Marktabräumung bei Überangeboten. Die beliebten Hausschlachtungen sind weitgehend verschwunden und die Direktvermarktung erfordert regionale Schlachthäuser, wovon im Oberwallis nur noch wenige vorhanden sind. "Es ist eine Frechheit, dass während der Trockenheit im Sommer 2018 der wegen mangelndem Futter grössere Lämmeranfall von Handel und Verarbeitern schamlos ausgenutzt wurde und selbst für Top-Lämmer massive Preisabschläge hingenommen werden mussten", schildert ein verärgerter Daniel Steiner.

Ein neuer Weg

Mit der Initiative aus lokalen Unternehmern und privaten Investoren ist ein neuer Verarbeitungsbetrieb im Oberwallis ­entstanden. Mit "Valais Prime Food" will die engagierte Geschäftsführerin Marcelline Kuonen Walliser Frischfleisch und Spezialitäten online vermarkten. "Wir wollen eine Konsumentengruppe erreichen, welche grossen Wert auf Herkunft und Produktionsweise legt. Mit unserem Credo ‹Kompromisslos Wallis› garantieren wir ein rückverfolgbares Naturprodukt von der Geburt bis zur Schlachtung", betont sie. Frische Lebensmittel online einzukaufen etabliert sich immer mehr – die Weiterentwicklung von "Direkt ab Hof". Heute im Shop bestellt, wird das frische Produkt morgen per Post zugestellt. Die spezielle Verpackung garantiert die Kühlkette über 48 Stunden. "Wir wollen und können nicht ins Massenbusiness einsteigen, sondern wollen ein Spezialgeschäft für eine neue, moderne Generation werden", betont die Geschäftsführerin. Zurzeit geht 48% des Volumens in die Gastronomie, 38% zu Direktkunden und 14% in Lohnschlachtungen. Während schon über die Hälfte der Produkte ausserhalb des Kantons verkauft werden, hat das Online-Shopping nebst dem Telefonmarketing bereits einen Anteil von 50% mit steigender Tendenz. Aktuell liefern 60 Produzenten im Umkreis von 30 km ihre Schlachttiere. Bezahlt wird nach offizieller CH-Taxierung plus ein Bio-Zuschlag. Die angebotenen Spezialitäten umfassen Walliser Trockenfleisch von Schaf und Rind sowie Trockenwürste, Walliser Hauswurst oder alte Rezepte ­wie beispielsweise Lammragout nach Grossmutterart sowie neue Rezepte wie Rohwürste, Lammbraten, Racks, Hamburger und vieles mehr.

Wolf bedroht Betriebe

Trotz dieser Lichtblicke haben die Walliser auch Sorgen. "Mit den zahlreichen, aufwendigen Schutzmassnahmen haben wir das Wolfsproblem nicht gelöst", erwähnt ein sichtlich nachdenklicher Paul Julen. Es brauche weitere Ideen und es sei zu hoffen, dass mit dem revidierten Jagdgesetz die Wolfspopulationvermindert werden könne. Direktzahlungen unterstützen die Züchter, damit diese weiterhin Tiere halten und die Alpweiden nutzen. Der hohe Arbeitsaufwand bedingt aber Zukunftsperspektiven mit klaren Rahmenbedingungen für die junge Generation, damit dieses Kulturgut erhalten bleibt.