Nach der Massentierhaltungs-Initiative bringt das Volksbegehren «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» die Label-Organisation Bio Suisse erneut in die Klemme. Viele Mitgliederbetriebe befürchten Nachteile, sollte die Initiative angenommen werden. Bei der Bio-Kundschaft steht diese aber hoch im Kurs. Eine falsche Parole könnte sich am Markt deshalb negativ auswirken. Soweit zumindest die Argumentation von Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli an der Delegiertenversammlung vom Mittwoch in Olten.
«Die Vorbehalte der Bauern sind nachvollziehbar», sagte er. «Wenn die DV die Nein-Parole beschliesst, werden unsere treuesten Kunden, die Heavy Bio Buyers, nicht nachvollziehen können, wie Bio gegen Biodiversität sein kann.» Er plädierte für ein taktisches Ja: Die Delegierten sollten auf eine eigene Parolenfassung verzichten, der Vorstand werde sein Ja dafür nur sehr passiv und auf Anfrage kommunizieren und zugleich versuchen, die Aufmerksamkeit auf die Leistungen des Biolandbaus zu lenken.
Stimmfreigabe wäre der Kundschaft schwer zu erklären
Trotz Kritik aus dem Plenum, so entstehe der Eindruck, «dass wir gerne schlingeln», verfing Brändlis Taktik. Ein Antrag von Bio Glarus, der eine Parolenfassung durch die DV gefordert hatte, unterlag dem Vorschlag des Vorstands mit 24 zu 67 Stimmen.
Ebenfalls keine Chance hatte die Variante «Stimmfreigabe». Dafür eingesetzt hatte sich Rudi Berli von Bio Genève. Eine Enthaltung von Bio Suisse könnte aufzeigen, dass die Biodiversitätskrise kein Problem der produzierenden Landwirtschaft sei, sondern der internationalen Konkurrenzwirtschaft, unter der auch die Bauern selbst zu leiden hätten. «Es braucht keine ökologischen Ausgleichsmassnahmen für eine unökologische Wirtschaft, sondern eine ökologischere Wirtschaftsordnung», zeigte er sich überzeugt. Brändli bezweifelte, dass man die Kundschaft mit dieser Botschaft erreichen könne. «Die Leute, die Bio kaufen, sind nicht nahe an der Landwirtschaft, sie wohnen in der Stadt und stimmen links-grün», sagte er, «die wollen diese Zusammenhänge, die sie mit ihrem Tun mitbeeinflussen, nicht sehen.»
Es bleibt bei der Pflicht zu 100 %-Knospe-Futter
Die Orientierung am Markt obsiegte auch bei der zweiten grossen Streitfrage der Delegiertenversammlung. Bio Grischun und Progana forderten, dass in der Wiederkäuerfütterung zehn Prozent Raufutter aus Import zugelassen werden sollten. Die Bündner begründeten dies mit der besonderen Situation im Kanton: Höhenlage und Trockenheit machten die Fütterung unter den bestehenden Bedingungen schwierig, weshalb sich viele Betriebe den Ausstieg aus Bio überlegten. Das gefährde aber den Fortbestand der Biokäsereien in den Tälern und schade damit auch den verbleibenden Biobauern. Urs Brändli wandte sich entschieden gegen diese Aufweichung der 2018 beschlossenen Regel. «100 % Knospe-Futter» sei eine Botschaft, die von den Menschen verstanden werde. «Das kann man gut kommunizieren», so sein Punkt. Mit diesem Argument habe man auch die Erhöhung der Preise für Biomilch erreicht.
Mit ihrem Vorschlag, der unter anderem von Bio Jura und Bio Genève unterstützt wurde, fanden die Bündner keine Mehrheit. Widerstand gab es nämlich auch vonseiten des Ackerbaus. Billige Importe seien eine Konkurrenz für den Biofutterbau, der in den letzten Jahren viel in Trocknungsanlagen und den Anbau von Luzerne-Kleegras-Mischungen investiert habe, so eine Wortmeldung.
Zum Teil wurde auch Kritik an Milchproduzenten laut, die sich für Erleichterungen bei der Fütterung starkmachen. Immerhin sei es eine zentrale Idee der Biobewegung, den Viehbestand nach dem auszurichten, was das Land hergebe. «Man sollte zuerst auf die Futterbasis schauen und nicht darauf, ob der Stall voll Vieh ist», meinte etwa Paul Walder vom Bioforum Schweiz.
Urs Brändli wiedergewählt
Vonseiten der Rindviehhalter wurde dies mit dem Verweis auf Hühnerhaltung und Schweinemast gekontert. «Wenn eine Kuh wegen 10 % Importfutter nicht standortgerecht ist, dann gibt es in der Schweiz kein standortgerechtes Ei mehr», sagte Fadri Riatsch von Bio Grischun.
Eher kurios wirkte die «Kampfwahl» um das Präsidium. Herausforderin Maria Thöni konnte ihren Status als Aussenseiterin auch in einer vierminütigen Rede vor den Delegierten nicht ablegen. Sie erhielt am Ende 13 Stimmen und Gratulationen für ihr Engagement. Brändli wurde mit 78 Stimmen gewählt.