Der Ohrwurm aus den 80ern verfolgte mich am letzten Wochenende gleich mehrmals, obwohl ich kein «eingefleischter» Nena-Fan bin (als bekennende Veganerin würde Nena den Ausdruck wohl auch nicht besonders mögen).
Zum einen plätscherte am Samstag die vermeintlich belanglose Hymne aus meinen Teenager-Zeiten aus dem Radio, als ich an folgender Textpassage hängen blieb:
«Neunundneunzig Kriegsminister
Streichholz und Benzinkanister
Hielten sich für schlaue Leute
Witterten schon fette Beute
Riefen: ‹Krieg!› und wollten Macht
Mann, wer hätte das gedacht
Dass es einmal so weit kommt»
Ja, wer hätte das gedacht? Wie vielen Menschen geht mir der Krieg in der Ukraine nicht mehr aus dem Kopf.
99 Personen
Auch nicht mehr aus dem Sinn geht mir eine Grafik von Agristat, dem statistischen Dienst des Schweizer Bauernverbandes: Sie zeigt, dass ein Landwirtschaftsbetrieb in der Schweiz im Schnitt 99 Personen ernährt (Basis 2020). An diese beeindruckende Zahl dachte ich am Sonntag auf einem Spaziergang in meiner Wohnstadt Zürich. 99 Personen – das wären dann wohl mehr oder weniger alle Bewohner(innen) der Quartierstrasse, an der ich gerade entlanglief. Ich begann, die Anzahl Passant(innen) zu zählen, die mir entgegenkamen, bis ich bei 99 angelangt war. «Wow», dachte ich für mich, «darauf können die Bäuerinnen und Landwirte stolz sein – Hut ab! Welch wichtiger und schöner Beruf, wenn auch ein strenger!»
Auf dem Weg am Quartierschulhaus vorbei überlegte ich mir, wie vielen Kindern wohl eine Lehrperson pro Jahr wertvolles Wissen weitergibt. Auch 99? Jedenfalls auch ein wichtiger, schöner und strenger Beruf. Diese Überlegung stellte ich in der Folge bei weiteren Geschäften an, an denen ich vorbeikam: Coiffeurgeschäft, Malerei, Metzgerei, Bäckerei, Schuhgeschäft, Restaurant, Architekturbüro, Polizeiposten, Kinderhort, Altersheim. Wie viele Menschen sie wohl pro Jahr bedienen? All die Mitarbeiter(innen) mit ihren wichtigen, schönen und strengen Berufen.
Der Weg führte mich am Casino und unweit davon an der Neuen Börse vorbei. Wie die Bilanz wohl bei Spielcasinos und Börsen aussehen mag, ging es mir durch den Kopf. Wie vielen Menschen bescheren sie schöne Gewinne und fette Renditen? Und wie viele Personen erleiden bittere Verluste? Und plötzlich tauchten vor meinem geistigen Auge wieder die 99 Luftballons auf: bunt, verheissungsvoll, hochfliegend, nicht fassbar, entschwindend, zerplatzend. Croupier und Börsenhändler: Ein wichtiger, schöner und strenger Beruf? Ich kann es nicht beurteilen.
Die Konsumenten der Zukunft
Hingegen weiss ich, dass jährlich über 1400 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 24 Jahren mit Agriviva das Leben auf dem Bauernhof entdecken. Durch die aktive Mitarbeit auf Betrieben in der ganzen Schweiz erlangen sie ein eigenes Bild von der Vielfältigkeit der Landwirtschaft und dem wichtigen, schönen und strengen Beruf der Bäuerinnen und Landwirte. Sie erfahren mehr über den sorgfältigen Umgang mit der Natur und können sich von der Qualität heimischer Produkte überzeugen. Dieser Austausch zwischen bäuerlicher und nicht-bäuerlicher Bevölkerung leistet einen wertvollen Beitrag im Hinblick auf das gegenseitige Verständnis sowie die Meinungsbildung und das Verhalten der Konsument(innen) und Stimmbürger(innen) von morgen.
Damit es genügend Einsatzplätze gibt, freuen wir uns auf zusätzliche engagierte Gastfamilien. Ergreifen Sie die Gelegenheit und zeigen Sie interessierten jungen Menschen, wie man 99 Menschen ernährt und «dass so was von so was kommt».