«Es heisst immer in den Medien, Landsorten seien resistent. Das Gegenteil ist der Fall», stellt Hans Oppliger fest. Er ist Geschäftsführer der Firma RhyTOP und arbeitet im Auftrag des Vereins Rheintaler Ribelmais an der züchterischen Weiterentwicklung des Rheintaler Ribelmaises. Er schilderte an der Veranstaltung «Gentechnologie im Gespräch» der Akademie der Naturwissenschaften seine Erfahrungen aus rund 20 Jahren Pflanzenzucht. «Landsorten sind sehr anfällig, weil sie vielleicht eine einzige Resistenz enthalten», fährt Oppliger fort. Die Krux sei aber, mehrere Resistenzen in einer einzelnen Sorte zu kombinieren – und hier hofft er auf neue gentechnische Verfahren (NGV) wie Crispr/Cas.
Ribelmais durch Pilz in Bedrängnis
Im Zentrum der Diskussion stand an der Veranstaltung die Frage, ob NGV einen Beitrag leisten könnten für mehr Agrobiodiversität. Diese umfasst nach den Ausführungen von Monika Messmer vom FiBL z. B. den Anbau verschiedener Sorten und Kulturen. Einen Beitrag zu dieser Vielfalt leistet der Anbau von Ribelmais, der aber in den 90er-Jahren unter Druck geriet: «Aus Italien kam eine neue Pilzkrankheit», erklärt Hans Oppliger. Ausserdem legte Bund anstelle eines Toleranzwerts für das Mykotoxin DON einen Grenzwert fest. Wird dieser überschritten, bleibt nur der Rückzug der Ware. «Ein kleiner Produzent kann sich das gar nicht leisten.» Mit NGV liessen sich verschiedene Resistenzen gezielt in den Mais einfügen, so Oppligers Hoffnung. Denn seit 2009 sei man mit Ribelmais am Züchten und komme nur millimeterweise voran. «Der Klimawandel ist schneller als unsere Züchtung.»
«Vielfalt ist nicht systemkonform»
Die Wiederbelebung des Ribelmais im Rheintal ist geglückt, generell neige der Markt aber zu Sortenmonotonie. Das gibt Urs Niggli zu bedenken, der heute ein Institut für Agrarökologie leitet. Die Leute würden z. B. nur die Apfelsorte kaufen, die sie kennen. Es liege aber nicht allein am Konsum: «Eine grosse Vielfalt in der Lebensmittelproduktion ist eigentlich nicht systemkonform». Da grössere Mengen transportiert und verarbeitet werden müssen, seien spezielle Sorten eher eine Nische, die Verarbeiter und Handel vor Herausforderungen stellen. «Die Zucht ist ein kleiner Teil, es gibt viele Faktoren, die Einfluss haben auf die Agrobiodiversität», ist Niggli überzeugt. Es gehe neben dem Markt z. B. auch um Fruchtfolgegestaltung oder Mischkulturen.
Bei Bananen wiederholte sich die Geschichte
An Mischkulturen arbeitet das FiBL, etwa aus Erbsen und Getreide, deren Erntezeitpunkte züchterisch aufeinander abgestimmt werden sollen. Dabei wird mit modernen Methoden, aber klassisch gezüchtet. In NGV sieht Monika Messmer das Risiko, dass sie die Agrobiodiversität reduzieren könnten. So sei es nicht das erste Mal, dass die praktisch einzige weltweit angebaute Bananensorte derzeit durch eine Epidemie bedroht sei – dasselbe sei mit der Vorgängersorte passiert, die einfach von einer neuen, resistenten ersetzt worden sei. «NGV könnten nur ein Pflaster sein, während die nötige Umstellung des Ernährungssystems ausbleibt», befürchtet Messmer. Dabei fehlen ihrer Meinung nach nicht nur die nötigen Werkzeuge, sondern auch eine gemeinsame Vision für das Ernährungssystem der Zukunft.
Klassische Züchtung und NGV kombinieren
«Die beiden Richtungen Züchtung und Anbaumethoden für mehr Agrobiodiversität schliessen sich nicht aus», betont Genetiker Sebastian Soyk von der Uni Lausanne. Es gelte, das Beste von allem zu kombinieren. Für NGV sieht er drei Perspektiven:
Etablierte Sorten anpassen: Z. B. Einführen einer Mehltau-Resistenz aus Gerste in eine Weizensorte.
Schnellere Verbesserung von Nischenkulturen: Mit dem Vorbild der konventionellen Zucht werden bestimmte Gene eingeführt, z. B. für einen kompaktem Wuchs in Physalis oder grössere Früchte.
Wilde Pflanzen im Schnelldurchlauf domestizieren: Verwandte oder Vorfahren mit agronomischen Merkmalen ausstatten. So lasse sich etwa ein resistenter Reisverwandter ohne Körnerabwurf und mit grösseren Körnern erzeugen.
Die Vorstellung einer Pflanze aus dem Labor auf dem Feld, sei im Übrigen falsch, fährt Soyk fort. Es gehe vielmehr darum, den Pool als Ausgangspunkt für die weitere Zuchtarbeit zu erweitern. Für ihn sollte die Genom-Editierung in die bestehende Züchtung eingegliedert werden.
Regeln anpassen, um Potenzial testen zu können
Im weiteren Verlauf der Diskussion und durch Fragen aus dem Plenum kam die Sprache auf rechtliche Aspekte, Patentschutz, Produkte-Kennzeichnung zur Wahrung der Wahlfreiheit für Konsument(innen) und die Kosten. «Im bestehenden Regelwerk kann man zwar – kostenintensiv und etwas mühsam – Forschung zu NGV betreiben», sagt Christian Ochsenbein von der Delley Samen und Pflanzen AG. Aber man könne damit nicht züchten, «das ist schlichtweg eine Illusion». Züchtung finde draussen statt, die Pflanzen müssten im Schweizer Öko- und Anbausystem getestet und selektiert werden. Die geltenden Vorschriften verunmöglichten das heute aber im Fall von NGV. «Wenn wir ihr Potenzial ausloten wollen, müssen wir die Regeln anpassen», gibt Ochsenbein zu bedenken. Dem pflichtet Hans Oppliger bei: «einen Versuch auf der protected Site von Agroscope mit einem Ribelmais, dem mit NGV Resistenzen eingefügt wurden, könnte unser Verein gar nicht bezahlen.»