Pro Natura, BirdLife Schweiz, die Stiftung Landschaftsschutz und der Schweizer Heimatschutz haben heute unterstützt von weiteren Organisationen, die Biodiversitäts- und die Landschafts-Initiative mit 108’112 respektive 105’234 beglaubigten Unterschriften in Bern der Bundeskanzlei überreicht.
Mehr Schwung für die Politik
Zuvor präsentierten Vertreter der Organisationen die wichtigsten Ziele der Volksbegehren. Kurz zusammengefasst soll der aktuellen Diskussion namentlich in Sachen Raumplanung «mehr Schwung» verliehen werden, wie es die Nationalrätin und Präsidentin von Pro Natura, Ursula Schneider Schüttel ausdrückte.
Es gelte der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet mehr Nachachtung zu verschaffen, sagte sie. Die aktuelle 2. Revisionsetappe von des Raumplanungsgesetzes (RPG2) böte dazu grosse Chancen. Den dringend nötigen Entscheiden werde aber seit Jahren ausgewichen und ausserhalb der Bauzonen munter weitergebaut.
Mit der Einreichung der Landschafts-Initiative will man nun den Druck erhöhen, um einem neuen Vorschlag für RPG2 zum Durchbruch zu verhelfen. Stichworte sind laut Schneider Schüttel: Plafonierung der Zahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone, Rückbau von nicht mehr genutzten und nicht schützenswerten alten Gebäuden und die zweckgebundene Abgabe bei Zweckänderungen von bestehenden Bauten ausserhalb der Bauzone.
Im Gespräch mit den Bauern
Auch Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung für Landschaftsschutz widmete sich der Landschafts-Initiative. Er erinnerte an RPG1, eine Revision, die auf die erste Landschaftsinitiative von 2008 zurückgeht. Die Vorlage, welche die Ausdehnung der Bauzonen einschränkt, sei dann 2013 mit klarem Mehr von 63 % angenommen werden.
Nun müsse man erneut politisch intervenieren. Die Ausnahme-Regelungen für das Bauen ausserhalb der Bauzone seien längst aus dem Ruder gelaufen. Bereits 37 % aller Siedlungsflächen liegen laut Rodewald heute ausserhalb der Bauzonen. Die nun eingereichte Initiative sei die Antwort auf dieses «raumplanerische Debakel».
Rodewald betonte aber, dass zwingende Neubauten nicht verhindert werden sollten. Damit spielte er auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft an. Diese sei von den baulichen Auswüchsen ebenfalls betroffen, sagte er mit Blick auf die neuen Nachbarn, welche die Bauern dann mit Lärm- und Geruchsklagen eindecken.
Beine machen bei der Biodiversität
Auch mit der anderen Initiative zugunsten der Biodiversität wollen die Initianten den Behörden Beine machen. Laut Ursula Schneider Schüttel von Pro Natura laufe hier viel zu wenig, ungeachtet der 2012 verabschiedeten Biodiversitäts-Strategie des Bundes. Was die finanziellen Mittel angehe, werde für die Biodiversität beschämend wenig Geld ausgegeben.
Das sei kurzsichtig, sagte Schneider Schüttel. Die Diskussionen um die Initiativen würden aber nicht zum Spaziergang, sagte sie, zu gross seien die damit verknüpften wirtschaftlichen Interessen, die «vermeintlich geschädigt werden, wenn mehr für Natur, Landschaft und Baukultur getan wird». Sie betonte zum Schluss, dass die Diskussion ab heute eröffnet sei, die Initianten seien «bereit für den politischen Dialog».
Die Initiativen im Wortlaut
Biodiversitäts-Initiative:
Art. 78a Landschaft und Biodiversität
1 In Ergänzung zu Artikel 78 sorgen Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür, dass:
a. die schutzwürdigen Landschaften, Ortsbilder, geschichtlichen Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler
bewahrt werden;
b. die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe auch ausserhalb der Schutzobjekte geschont
werden;
c. die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente
zur Verfügung stehen.
2 Der Bund bezeichnet nach Anhörung der Kantone die Schutzobjekte von gesamtschweizerischer Bedeutung.
Die Kantone bezeichnen die Schutzobjekte von kantonaler Bedeutung.
3 Für erhebliche Eingriffe in Schutzobjekte des Bundes müssen überwiegende Interessen von gesamtschweizerischer
Bedeutung vorliegen, für erhebliche Eingriffe in kantonale Schutzobjekte überwiegende
Interessen von kantonaler oder gesamtschweizerischer Bedeutung. Der Kerngehalt der Schutzwerte ist
ungeschmälert zu erhalten. Für den Moor- und Moorlandschaftsschutz gilt Artikel 78 Absatz 5.
4 Der Bund unterstützt die Massnahmen der Kantone zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität.
Landschafts-Initiative:
Art. 75c Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet
1 Bund und Kantone stellen die Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet sicher.
2 Sie sorgen dafür, dass im Nichtbaugebiet die Zahl der Gebäude und die von ihnen beanspruchte
Fläche nicht zunehmen. Insbesondere gelten die folgenden Grundsätze:
a. Neue Bauten und Anlagen müssen nötig für die Landwirtschaft sein oder aus anderen
gewichtigen Gründen standortgebunden sein.
b. Landwirtschaftliche Ökonomiebauten dürfen nicht zu Wohnzwecken umgenutzt werden.
c. Zweckänderungen von Bauten zu landwirtschaftsfremden gewerblichen Nutzungen sind nicht
zulässig.
3 Bestehende nicht landwirtschaftlich genutzte Bauten im Nichtbaugebiet dürfen nicht wesentlich
vergrössert werden. Ihr Ersatz durch Neubauten ist nur zulässig, wenn sie durch höhere Gewalt
zerstört worden sind.
4Ausnahmen von Absatz 2 Buchstaben b und c sind zulässig, wenn dies der Erhaltung schutzwürdiger
Bauten und deren Umgebung dient. Ausnahmen von Absatz 3 sind zulässig, wenn dies zu einer
wesentlichen Verbesserung der örtlichen Gesamtsituation bezüglich Natur, Landschaft und Baukultur
führt.
5 Das Gesetz regelt die Berichterstattung der Kantone über den Vollzug der Bestimmungen dieses
Artikels.
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