Pro: Die Teigführung ist wichtiger als die Sorte

[IMG 2]Ich bin Bäcker und führe seit über 30 Jahren die Bäckerei Sundaram. Zum ersten Mal habe ich Dinkel in den 90er-Jahren eingesetzt, damals noch als Zugabe in Weizenbroten. Mittlerweile stelle ich zahlreiche reine Dinkelprodukte wie zum Beispiel Gipfeli, Zopf oder Brot her. Bei den Dinkelsorten ist Oberkulmer für mich die Richtschnur. Ostro hingegen ist aus meiner Sicht für Brot nicht geeignet, für Guetzli oder Kuchen kann ich ihn verwenden. Die IG Urdinkel und ihre Sorten waren ursprünglich eine richtig gute Sache, die einen grossen Beitrag zum Erhalt von Dinkel geleistet haben. Nun steht die IG dem Ganzen aber irgendwie im Weg. Zur langfristigen Ernährungssicherung gehören nun mal neue Sorten dazu. Jetzt können die Landwirte noch Oberkulmer anbauen, aber was passiert, wenn es wegen der Krankheiten nicht mehr geht? Ich empfinde das Ganze nur noch als Label und Marketing. Man sollte endlich neue Sorten prüfen, die dem Wesen des Dinkels entsprechen, und sie zulassen. Die gibt es ja. Sehr gute Erfahrungen habe ich zum Beispiel mit den Sorten Copper und Edelweisser von der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) gesammelt. Für die Zukunft werde ich mich mehr auf die neuen Sorten einlassen, der grosse Run auf den «Urdinkel» ist bei mir im Laden vorbei. Wichtiger als ein Label ist mir, dass mein Getreide aus der Region kommt, auf gutem Boden gewachsen ist und ich eine gute Triebführung halten kann. Genau die ist nämlich entscheidend für die Verdaulichkeit eines Brotes. Die Art, wie ich als Bäcker den Teig behandle und wie viel Zeit ich ihm gebe, ist viel wichtiger als der Einsatz der «richtigen» Sorte. Das heutige Problem, dass viele Menschen Brot nicht mehr vertragen, liegt daran, dass die industriellen Bäckereien ihrem Teig nicht genug Zeit geben zum Reifen. Ich habe viele Kunden in der Bäckerei, die normalerweise Weizen nicht vertragen. Mein Brot, mit der entsprechend langen Teigführung bekommt ihnen jedoch gut.


Contra: Für viele Patienten ist das keine Lösung

[IMG 3]Ich bin Ernährungsberaterin und eidg. dipl. Naturheilpraktikerin. Vor rund 15 Jahren habe ich bei mir eine Gluten-Unverträglichkeit festgestellt. Konsumierte ich Weizenprodukte, ging es mir deutlich schlechter, sowohl körperlich als auch psychisch. Ich beschloss, komplett auf glutenhaltiges Getreide zu verzichten und zog dies bis 2024 konsequent durch. 2024 startete ich einen Versuch mit Urdinkel – als Zopf oder Teigwaren, was erstaunlicherweise keinerlei Beschwerden nach sich zog. Ganz anders war es bei herkömmlichen Dinkelprodukten, die ich ebenfalls probierte. Schon nach wenigen Stunden zeigten sich Ödeme: Wasseransammlungen, v. a. in den Füssen. Die Beschwerden hielten mehrere Tage an. Erst hielt ich dies für Zufall, doch nach einem zweiten Versuch passierte wieder dasselbe. Abklärungen haben ergeben, dass herkömmliche Dinkelprodukte auch mit Weizen gekreuzte Dinkelsorten enthalten können, Urdinkel dagegen nicht. Das Problem beim Weizen-Gluten sind die beiden Stoffe Omega-5-Gliadin und Weizenkeim-Agglutinin. Diese beiden Substanzen bereiten vielen Menschen Probleme. Weizenkeim-Agglutinin etwa kann zum «Leaky Gut»-Syndrom führen, bei welchem Stoffe aus dem Verdauungstrakt austreten und dem Körper Schaden zufügen. Omega-5-Gliadin verursacht Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Im Urdinkel kommen diese beiden Stoffe nicht vor, weshalb Urdinkel um ein Vielfaches besser verträglich ist als Weizen. Urdinkelprodukte sind somit für Menschen mit gesundheitlichen Problemen die bessere Wahl, solange bei ihnen keine Zöliakie vorliegt. Aufgepasst: Dinkel, d. h. Kreuzungen von Dinkel mit Weizen, kann Omega-5-Gliadin enthalten. Für viele Patient(innen) sind deshalb herkömmliche Dinkelprodukte keine Lösung. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, die Patienten mit den unterschiedlichsten Symptomen auf Urdinkel umzustellen. Ich empfehle deshalb, unbedingt weiterhin nur auf die alten Sorten zu setzen.

AboIn Jahren wie 2024 treten agronomische Schwächen von Ostro und Oberkulmer besonders stark zu Tage. Ihre inneren Werte sprechen aber für sie.GetreidezüchtungDinkel oder Urdinkel – Weizengene hat es in beidemMontag, 16. September 2024