Es ist ein ganz normaler Samstag im Juli. Die Landwirte schon wieder – oder immer noch – auf dem Traktor. Die Wetterlage scheint laut Vorhersage etwas beständig zu bleiben und noch sind nicht alle Wiesen gemäht für das Winterfutter der Tiere. Also heisst es für uns bereits am frühen Samstagmorgen, nach gerade mal einem Schluck Kaffee, raus auf die Wiese. Nach dem Drohnenflug der Kitzrettung heisst es für uns, zu Fuss Ausschau halten nach eventuellen Rehkitz-Nachzüglern. Die meisten Kitze sind bereits geboren und flüchtig.

Vom Jakobskreuzkraut zum Hexenschuss 

Dann sind da noch – oh Schreck – diese zwar durchaus schön blühenden gelben Pflanzen, das Jakobskreuzkraut, was wiederum giftig für unsere Weidetiere ist. Rechtzeitig, bevor der Traktor mit dem Mähwerk erscheint, bin ich fertig mit dem Ausreissen der Pflanzen. Ein leichter Hexenschuss ist der Dank für die mühsame Arbeit, aber Abhilfe schafft zu Hause ein aufgeklebtes Wärmepflaster und das Einwerfen einer Schmerztablette.

Weiter geht das Tagesgeschäft, eine Weide im Tal, auf die bald eine Herde umgetrieben werden soll, muss frei gemäht und kontrolliert werden. Wir haben leider nicht das Glück, zig Hektaren grosse ebene Weideflächen zu haben – in unserer Mittelgebirgslage sind es schmale Talweiden, die von unseren Tieren – es sind Galloways – gepflegt und freigehalten werden. Es ist eine Natur-, nein Kulturlandschaft, die ohne Beweidung so nicht aussehen würde. So leisten unsere Tiere, wie auch alle anderen Weidetiere auf deutschen Weideflächen, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und fördern die Biodiversität. Und wer es immer noch nicht weiss: Intaktes Grünland ist der grösste CO₂-Speicher! Und sobald ein Kuhfladen aus der Kuh auf der Wiese gelandet ist, beginnt ausserdem ein Grossevent für Fliegen, Käfer, Würmer, Vögel und andere Bodentiere. Unsere Täler, die von der Bevölkerung für ihr Aussehen und wegen ihres Erholungswertes so geschätzt werden, wären ohne Beweidung in kürzester Zeit verbuscht und überwaldet.

Ein Baum auf dem Zaun

Was wir an unserer Weide vorfinden, ist alles andere als eine Freude. Da liegt mal wieder ein umgefallener Baum auf dem Zaun, und in der Weide jede Menge Geäst, das der Forst einfach auf der Zauntrasse zurückgelassen hat, zerrissene Litzen und kaputte Weidepfähle. Das alles muss entfernt, repariert oder erneuert und natürlich freigemäht werden. Nicht vorzustellen, welche Arbeit es bedeuten würde, einen «wolfsabweisenden Zaun» mit sechs Litzen zu unterhalten und ständig freizumähen. So fordern es verschiedene Verbände und die Politik in Deutschland. Gerne dürfen Befürworter solcher Zäune diese bei uns freimähen. Bei Zaunlängen von etlichen Kilometern Länge gibt es auch Arbeit für mehrere Personen. Kaffee und Wasser gibt es gratis dazu. Abgesehen von den Kosten zur Erstellung solcher Zäune, die sich Weidetierhalter, wie wir es sind, niemals leisten können.

Nach viel Sch(w)eissarbeit ist die Weide am Nachmittag wieder instand gestellt. Wieder zu Hause gönnen wir uns nun eine Tasse Kaffee, bevor eine weitere Herde mit frischem Wasser versorgt werden muss. Anschliessend geht es auf Kontrollfahrt zu den restlichen Tieren, die an verschiedenen Standorten weiden. Wie bereits erwähnt, können wir unsere Tiere nicht in riesigen Herden halten, weil die Flächen das nicht hergeben. So machen unsere Galloways ihren Job als Landschaftspfleger hervorragend, leben ein artgerechtes Leben, ganzjährig im Freien, und sie liefern uns ein exzellentes Nahrungsmittel: «Galloway Genussfleisch», das von unseren Kunden sehr geschätzt wird. Denn das ist charakteristisch für die Rasse Galloway – es sind extrem genügsame, robuste und friedfertige Rinder im Zottelfell.

Am Ende des Tages ist es bereits nach 19 Uhr, als wir das Haus wieder betreten und den Samstag-Feierabend geniessen dürfen. Ganz schön verrückt sind wir – und all die anderen Weidetierhalter. Vermutlich ja auch unsere Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz.

Mit viel Liebe und Leidenschaft

Und ganz ehrlich, wir kennen keinen, der diesen Job nicht mit Liebe und aus Leidenschaft macht. Fragt sich nur, wie lange noch – bei all den Hürden der Politik und dem Unverständnis derer, die der Meinung sind, dass der Wolf sich in Deutschland weiter unkontrolliert vermehren darf.

Ach ja: «Und was war am Sonntag?», werden sich einige vielleicht jetzt fragen. Vielleicht nur so viel: Auch da lag der Bauer nicht auf der faulen Haut. Gegönnt hat er sich nur das Endspiel der Fussball-Europameisterschaft am Grossbildschirm bei Freunden – aber Spielbeginn war ja auch erst um 21 Uhr.

Bettina Baur ist eine deutsche Bäuerin, die mit ihrem Partner einen 100-ha-Betrieb in Südhessen führt. Die beiden setzen auf Weidetierhaltung. Sie berichtet von den Herausforderungen.