Die Langlebigkeit von Kühen hat einen direkten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer Herde. Je länger eine Kuh im Stall steht und Milch produziert, umso höher wird ihre Lebenstagesleistung. Umso tiefer fallen daher auch ihre Aufzuchtkosten aus den ersten beiden Lebensjahren ins Gewicht.
Stefan Zürcher, Boll BE, hat die Ausbildung zum Agrotechniker am Inforama Rütti in Zollikofen BE absolviert. Er ist in seiner Diplomarbeit der Frage nachgegangen, ob und wie aus den Merkmalen, die von Kühen bekannt sind und in Datensätzen der Zuchtverbände zur Verfügung stehen, hergeleitet werden kann, was eine Kuh braucht, damit sie eine hohe Lebenserwartung hat und damit in ihrem Leben eine extrem hohe Leistung erbringen kann. Dazu hat er Datensätze von Red-Holstein- und Holsteinkühen aus den Jahren 2016 bis 2020 verwendet, die beim Zuchtverband Swissherdbook registriert sind.
Durchschnitt wird fünfjährig
Das Durchschnittsalter der Kühe der beiden erwähnten Rassen liegt schweizweit bei 5,25 Jahren. Stefan Zürcher wollte aber wissen, was denn mit den Kühen ist, die wirklich alt werden und dabei eine Milchleistung von über 80 000 kg Milch erreichen und deutlich älter als der Durchschnitt werden. «Ein ganz entscheidender Faktor, um alte und wirtschaftliche, sowie gesunde Kühe im Stall stehen zu haben, ist der oder die Betriebsleiter(in) selbst», erklärt Zürcher. Diesen Aspekt habe er in seiner Arbeit aber nicht berücksichtigt. Vielmehr rückt Stefan Zürcher die Aspekte der Linearen Beurteilung (LBE) im Hinblick auf Exterieur, Fruchtbarkeit und Milchinhaltsstoffe in den Vordergrund. So stellte er unter anderem die Frage: «Kann mittels LBE erklärt werden, welche Eigenschaften zentral sind, dass eine Kuh alt wird?»
Gruppe rückt zusammen
Die Resultate aus der Diplomarbeit vermögen zumindest teilweise zu überraschen und könnten die Exterieurbeurteilung vor gewisse Herausforderungen stellen. So wird aus der Arbeit einerseits zwar ersichtlich, dass Tiere, die lange leben und viel Milch produzieren, bei der LBE auf über 80 Punkte kommen müssen. Tiere, die in der LBE tiefere Noten erhalten, sind in der ältesten untersuchten Gruppe gar nicht mehr vorhanden. «Interessanterweise sind aber auch jene Tiere, die der Maximalnote nahekommen in dieser Gruppe nicht mehr präsent», erklärt Stefan Zürcher. Und genau damit rechnet man nicht, da die Zucht auf Exterieur stets mit einer Zucht auf Fitnessmerkmale begründet wird. Ein funktionelles Bein oder ein gesundes Euter erhielten daher auch höhere Noten und sollen der Kuh auch zu einem langen Leben verhelfen. Aus der Arbeit wird aber ersichtlich: Je mehr Milch produziert wurde, umso näher kommen die Tiere im Notenbereich zusammen. Tiere mit tiefen, aber auch Kühe mit enorm hohen Noten (über VG 85) sind in der ältesten Gruppe nicht mehr vorhanden.
Schwierig zu interpretieren
Heisst das, dass extrem schöne Kühe nicht extrem alt werden können? «Diese Resultate zu interpretieren, ist enorm schwer», erklärt Stefan Zürcher auf Anfrage der BauernZeitung. «Ob es immer so ist, oder nur in diesen vier Jahren so war, kann aufgrund der Arbeit nicht gesagt werden. Dazu müssten mehr Datensätze über eine längere Zeit analysiert werden», sagt er. Die Ansicht, dass enorm schöne und gut punktierte partout älter würden, dürfte die Arbeit widerlegen. Ebenso bestätige sie aber auch, dass aus Kühen, die Exterieurmängel aufweisen, keine alten Tiere würden.
Drei Gruppen
Die Kühe, deren Daten in die Diplomarbeit miteinflossen, wurden in drei Gruppen unterteilt.
- Die erste Gruppe: Sie besteht aus Milchkühen, die eine Lebensleistung von 80 000 kg Milch bis 100 000 kg Milch produziert haben. In dieser ersten Gruppe befinden sich mit Abstand am meisten Tiere. Es sind 1289 Kühe.
- Die zweite Gruppe: Hier befinden sich 548 Milchkühe mit einer Leistung zwischen 80 000 und 100 000 kg.
- Die dritte Gruppe: Sie besteht aus Kühen, die über 125 000 kg Milch produziert haben und ist mit 4,33 % sehr klein. Hier befinden sich nur noch 84 Tiere.