Mehr als zwei Kälber pro Mutterkuh und Jahr abzu­setzen, führt innerhalb der Mutterkuhhalter immer ­wieder zu hitzigen Dis­kussionen, weshalb?

AboMutterkuhhaltungAmbitioniertes Ziel: Mehr als zwei Kälber pro Kuh und JahrMittwoch, 20. März 2024Mathilde Reverchon: Diese Praxis der Mutterkuhhaltung wird kritisiert, da sie von einigen als sehr intensiv angesehen wird. Damit mehrere Kälber pro Kuh mit fünf Monaten schlachtreif sind, braucht es eine nährstoffreiche Fütterung und eine genügend hohe Milchleistung der Kühe, wie auch eine sehr aufmerksame Betreuung der Kälber. Alles in allem kann es nicht mehr als extensive Produktion bezeichnet werden und ist auch nicht für alle Betriebe geeignet.

Was sind die Vorteile, wenn mehrere Kälber pro Kuh und Jahr abgesetzt werden ­können?

In Regionen mit einer qualitativ hochwertigen Futtergrundlage wird dadurch die volle Nutzung des verfügbaren Futters, das Ausschöpfen des gesamten Laktationspotenzials der Kühe und ein interessantes Einkommen ermöglicht. Die Ammenkuhhaltung ist sehr gut geeignet für Tal- und Hügelgebiete, je nach Region sogar für Bergzone I. Zudem wird durch diese Produktion Grünland in ein hochwertiges Nahrungsmittel umgesetzt, «aus Gras wird Fleisch».

Was sind die grössten ­Herausforderungen?

Die Produktion mit zusätzlichen Kälbern setzt eine hohe Professionalität voraus, ist arbeitsintensiv und erfordert eine ausgezeichnete Arbeit in Bezug auf Hygiene, Tiergesundheit und Tierkontrolle.

Das Anhängen eines zweiten Kalbes an eine Kuh geschieht nicht von selbst und erfordert manchmal viel Geduld. Es braucht auch eine geeignete Infrastruktur, um z. B. die Kühe fixieren zu können.

Herausfordernd in der Natura-Veal-Produktion ist, die richtige Schlachtqualität des Tieres in der gegebenen Zeit zu er-reichen, besonders genügend Fettabdeckung.

Wie steht Mutterkuh Schweiz dazu?

Kein anderes Kalbfleisch-Label garantiert wie Natura-Veal täglichen Zugang zur Weide während der Vegetationsperiode und eine gemeinsame Haltung der Kälber mit Mutter- und Ammenkühen. Die Marke erfüllt Spitzenanforderungen bezüglich Tierwohl, Nachhaltigkeit und Qualität. Die Nachfrage übertrifft das Angebot im Sommer, was eine Chance für neue Produzenten ist.

Wenn die Konsumierenden Kalbfleisch essen möchten, dann sollte es von Tieren stammen, die ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechend leben konnten, mit Auslauf auf der Weide oder auf dem Laufhof und in der Herde, wo sie sich von Muttermilch ernähren. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind (u. a. genügend Milch bei den Kühen, Kühe, die zusätzliche Kälber annehmen, eine hochwertige Futtergrundlage und gute Stallhygiene) und ein Produzent motiviert ist, Natura-Veal professionell zu produzieren, sehen wir keinen Grund, warum wir ihn daran hindern sollten, ein gefragtes und qualitativ hochwertiges Produkt zu produzieren.

Wie sehen es die ­Konsumierenden?

Die Konsumenten schätzen die Qualität des Fleisches und die Tatsache, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Ich persönlich habe nie Kommentare von Konsumenten über die Produktion mit mehr als einem Kalb pro Kuh gehört.

Mathilde Reverchon ist Leiterin Labelproduktion und Nachhaltigkeit bei Mutterkuh Schweiz.