Wölfe sind Raubtiere und ihre Rolle im Ökosystem besteht darin, die Bestände von Wildtieren wie Rehen, Hirschen oder Gämsen zu regulieren, in dem sie gezielt kranke, schwache oder wehrlose Tiere erbeuten. Soweit die Theorie. Nun ist es aber erwiesen, dass Wölfe auch Nutztiere reissen und z. T. nahe an oder sogar in menschliche Siedlungen wandern. Es stellt sich die Frage, wie eine Zukunft mit einer grösserern Wolfspopulation in der Schweiz aussehen würde.
Wölfe regulieren ihre Bestände selbst
Gelegentlich hört man das Argument, Wölfe hätten in der Schweiz ausser dem Menschen keine Feinde. Daher müsse man ihre Bestände regulieren dürfen. Laut der SRF-Dokumentation «Erklärungen zum Wolf» haben die Grossraubtiere noch einen weiteren Feind, nämlich sich selbst. Da Wölfe ihre Territorien abstecken und bewachen, ist die Wolfsdichte in einem Gebiet stets beschränkt. Pro Territorium gibt es ein Rudel, das einer Wolfsfamilie aus einem Elternpaar und seinen aktuellen Jungen besteht. Sobald der Nachwuchs älter ist, muss er das Rudel verlassen. Neben dem Elternpaar darf sich kein anderes Rudelmitglied vermehren, fremde Wölfe im Gebiet werden verjagt oder getötet.
Alleine umherstreifende Wölfe machten mehr Schäden, als wenn Rudel am Werk seien, so das Dok.
Zurückgelassene Eingeweide trainieren Wölfe auf Menschengeruch
Der Biologe Andreas Moser thematisiert in der Sendung auch die Rolle der Jäger. Der Mensch sei ebenso territorial wie der Wolf, wenn es um die Jagd gehe. Jäger hätten daher keine Freude am Konkurrenten auf vier Pfoten.
Wölfe würden allerdings durch nach erfolgreich zurückgelassene Eingeweide darauf trainiert, den Menschengeruch mit Nahrung zu verbinden. Das wird zum Problem, wenn in der Folge Wölfe dem Geruch von Menschen folgen.
Obwohl die Natürlichkeit und Wichtigkeit von Wölfen in Ökosystemen – auch in der Schweiz – in der Dokumentation nicht in Frage gestellt wird, soll die Jagd durch Menschen weiterhin bestehen bleiben. Sie sei wichtig für die Kontrolle des Wildes. Auch der Abschuss von Problem-Wölfen wird nicht in Frage gestellt. Es brauche eine «gescheite» Regulation.
Früher verständlich – und heute?
Früher gab es Wölfe in der Schweiz, sie wurden aber vor 150 Jahren ausgerottet. Damals sei das eine verständliche Aktion gewesen, erklärt Andreas Moser im SRF-Dok. Es sei «für Mensch und Wolf ums Überleben gegangen» und der Verlust eines Nutztieres für arme Bauernfamilien schwer zu verkraften gewesen. Infolge starker Abholzung schrumpfte der Lebensraum für Wölfe und die Konflikte nahmen zu.
Heute sei die Lage ganz anders: Die Waldfläche nehme zu, das Wild ebenfalls. Daher sei es eigentlich ganz natürlich, dass auch der Wolf seit 1995 zurückkehrt. Angesichts des vielen Wildes in Schweizer Wäldern seien Wölfe heute keine Bedrohung mehr für Menschen. «Wäre es daher nicht an der Zeit, die alten Vorurteile zu überwinden?», fragt Moser am Ende der Sendung.
Der Wald profitiert vom Wolf
Wölfe sorgen durch ihre Anwesenheit dafür, dass sich Rehe, Hirsche und Co. weniger lange an einem Oft aufhalten. Ausserdem können sie dabei helfen, ihre Bestände nicht überborden zu lassen, wovon der Wald profitiert. Denn gerade die wegen ihrer tiefen Wurzeln zukunftsträchtige Weisstanne wird stark vom Wild verbissen und daher an der Verjüngung gehindert, was den Erhalt wichtiger Schutzwälder in Gefahr bringt.
Ebenfalls verbessern würde sich durch Wölfe die Gesundheit des Wildes, was auch gegen die Rindertuberkulose oder der Afrikanischen Schweinepest bei Nutztieren helfen könne.
Zu Nutzen und der nötigen Regulierung des Wolfes in der Schweiz auf den Wald gibt auch Urs Leugger-Eggimann von Pro Natura Auskunft. Zum Interview
Im Ausland funktioniert der Herdenschutz, hier fehlt das Personal
Während im Ausland die Schafherden Tag und Nacht von Hirten bewacht seien, die auch Herdenschutzhunde jederzeit bei Bedarf zurückpfeifen können, sei das in der Schweiz anders: Man lasse Schafe tagsüber alleine und wolle, dass die Schutzhunde ohne Betreuung ihre Arbeit täten. In der Dokumentation sieht man darin einen Grund dafür, dass es Probleme mit Herdenschutzhunden und Touristen gibt – nebst deren teilweise unangebrachtem Verhalten den Tieren gegenüber. Es gebe in der Scheweiz einen Mangel an Hirten. Beim Herdenschutz werden ausserdem die komplizierten Verfahren bemängelt und dass nicht überall die dafür vorgesehen Beiträge bei den Hirten landen. Stattdessen gingen die finanziellen Mittel für den Herdenschutz an die Alpbetreiber.
Weiter kritisiert man, dass es in vielem Kantonen an Personal für eine lückenlose Überwachung der Wildtiere inklusive der Entwicklung der Wolfsrudel fehlt.
Naturschutz gegen Landwirtschaft?
Zum Schluss betont Andreas Moser, die Wichtigkeit von massvoller Berglandwirtschaft, massvoller Jagd und Naturschutz sei unbestritten. Er stellt eine Frage in den Raum, adressiert an beide Seiten: »Sollen Berglandwirtschaft und Jagd nun gegen den Naturschutz ausgespielt werden?».
Der Biologe fordert unter anderem die Politik dazu auf, faktenbasiert zu argumentieren, statt starke Emotionen in der Debatte auszunutzen.
Woher kommt die Angst vor Wölfen?
Laut SRF-Dok liegen die Wurzeln für das Unbehagen gegenüber Wölfen weit zurück. Unter anderem seien Fälle von Tollwut-Übertragungen auf Menschen als Werwolf-Attacken interpretiert worden. Zudem habe die Tollwut Wölfe dazu gebracht, in Dörfer zu kommen und Personen anzugreifen. Seit 1998 ist die Schweiz frei von der Tollwut. Selbst Pädophile auf dem Land sollen Wölfe als Vorwand benutzt haben, wenn sie nach Missbräuchen Kinder töteten. Hinzukomme, dass Wölfe mit Katastrophen wie Seuchen oder Kriegen in Verbindung gebracht wurden, da sie, von Leichen und toten Haus- und Nutztieren angelockt, in diesen schweren Zeiten auftauchten.
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