«Haben Sie eine Wasseruhr, mit der Sie messen können, wie viel Wasser Ihre Rinder saufen? Wenn nicht, sollten Sie schleunigst eine kaufen», rät Martin Höltershinken. Denn Wasser ist das wichtigste Futtermittel. Wenn den Kühen das Wasser nicht mehr schmeckt, dann trinken sie weniger.
Das sei vor allem an heissen Sommertagen zu beobachten, wenn die Milchleistung plötzlich einbreche. «Bei kühlem Wetter können sie ihren Wasserbedarf noch mit weniger Wasser decken. Wenn die Temperaturen aber auf 28 Grad ansteigen, muss eine Kuh bis zu 150 Liter Wasser pro Tag saufen. Wenn das Wasser nicht schmeckt, ist das kaum machbar», so der Fachtierarzt für Rinderkrankheiten, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (D). Als Folge seien Leistungseinbussen von 20 bis 30 Prozent möglich.
Viele Wege führen zum Problem
«Welche Ursachen fallen Ihnen als Erstes ein, warum Ihre Kühe das Wasser verschmähen?», fragt Martin Höltershinken kürzlich die Teilnehmer an einem Webinar des Netzwerks «Fokus Tierwohl» zum Thema. Man würde zunächst auf verschmutztes Wasser tippen oder eine Verunreinigung der Leitungen. Bei den aktuell hohen Temperaturen könnte auch Hitzestress der Grund sein. Doch so pauschal lässt sich die Ursache nicht finden, erst durch eine exakte Beobachtung der Herde, rät der Fachtierarzt.
Verschiedene Fallbeispiele
Martin Höltershinken geht auf verschiedene Fallbeispiele ein.
Fall 1: Die Milchleistung ist seit Mai innerhalb kürzester Zeit eingebrochen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aussentemperatur angestiegen. Oberhalb des Milchviehstalls wurde ein neuer Brunnen gebohrt. Die Anlage befindet sich in Hanglage, unterhalb fliesst ein Bach. Nach Besichtigung der Anlage stellt sich heraus, dass im Bereich des neuen Brunnens jahrzehntelang Mist gelagert worden ist. Das dadurch verdreckte Grundwasser wurde im Brunnen aufgesaugt und war erheblich mit Kalium angereichert. Nach einem Wechsel vom Brunnen- auf Gemeindewasser und der Installation eines Wassertanks konnte eine 60 Prozent höhere Milchleistung innerhalb von 48 Stunden erzielt werden.
Fall 2: Es wurde ein neuer Laufstall gebaut. Die Belegung ist exakt eingehalten worden. Alles nach neusten Prinzipien gestaltet. Es zeigte sich, dass die Alphatiere die Tröge an den Gängen bewachen und die restlichen Kühe nicht mehr regelmässig an das Wasser gelangen. Der Fachtierarzt empfiehlt, einen zusätzlichen Tränketank (z. B. eine Mörtelwanne) aufzustellen, um zu beobachten, ob Alphatiere das Problem sind. Wenn ja, sollten diese gegebenenfalls aus der Herde entfernt werden.
Fall 3: Auf einem Hof ausserhalb einer Ortschaft (7 km) ist seit Jahren die Milchleistung nicht adäquat der gefütterten Energiemenge. Der Hof wird über die öffentliche Wasserleitung versorgt. Es zeigte sich, dass die Zuleitung für das Wasser zu lang und der Durchmesser für drei Höfe ausgelegt war. Wenn das Wasser in der Leitung zu lange steht, erhöht sich die Keimbelastung und wird für das Vieh nicht mehr geniessbar. Die Feuerwehr hat die Zuleitung durchgespült, wodurch sich die Wasserqualität verbesserte und dementsprechend auch die Milchleistung.
Generelle Vorgehensweise bei geringer Wasseraufnahme
Die Fallbeispiele zeigen die generelle Komplexität des Problems auf. Um auf die nächstliegende Ursache der geringen Wasseraufnahme zu stossen, empfiehlt Martin Höltershinken zunächst folgende Vorgehensweise.
Geruch des Wassers testen: Hierzu ein Einmachglas mit Tränkewasser füllen, verschliessen und für 24 Stunden in die Wärme stellen. Wenn es stinkt, ist das Wasser das Problem.
Kontrolle der Hauptwasserleitung: «Für den schlechten Geschmack des Wassers sind vor allem Biofilme verantwortlich», sagt Höltershinken. Dies sei nach dem Wassergeruch der erste Punkt, der überprüft werden sollte. Die Hauptwasserleitung an einer leicht zugänglichen Stelle öffnen und mit einem sauberen Tuch durch den Rohrinnenraum wischen. Ist das Tuch verschmutzt, ist ein Biofilm im Tränkewassersystem vorhanden und somit die Keimbelastung des Wassers erhöht. Dann sei es nötig, eine Grundreinigung der Leitungen vorzunehmen.
Grundreinigung durchführen: Neben der Reinigung der Wasserleitungen des gesamten Tränkesystems sollten auch die vorhandenen Vorlaufbehälter und Filter kontrolliert und mit gereinigt werden – auch alle Tränkebecken und -nippel. Gemäss Martin Höltershinken wird die Wartung in vielen Fällen vernachlässigt. Nach der Reinigung müssen die Leitungen und alle Tränken mit Frischwasser (Trinkwasser) gespült werden. Während dieses Vorgangs sollte eine alternative Wasserversorgung für die Kühe bereitgestellt werden.
Milchmenge erfassen: Am Tag vor der Reinigung sollte die Milchmenge erfasst werden. «So lässt sich überprüfen, ob nach der Grundreinigung die Kühe mehr saufen und somit mehr Milch produzieren», so der Fachtierarzt.
Filter regelmässig wechseln: Wichtig sei zudem, die Filter regelmässig zu wechseln. Sind diese mit Biofilm verschmutzt, leidet die Wasserqualität darunter.
Blut kontrollieren lassen: Ein rotes Blutbild, insbesondere der Hämatokrit-Wert, gibt an, wie dünn- oder dickflüssig das Blut ist. Bei Wassermangel liegt dieser über 35 Prozent.
Zellzahlen kontrollieren: Milch enthält normalerweise weniger als 100'000 Zellen pro Milliliter. Die Zellzahl kann sich bei Stresssituationen wie einer geringen Wasseraufnahme erhöhen.
In- und Output kontrollieren: Geben die Rinder die Milchleistung, die aus der Futterration berechnet worden ist? Ist die Differenz gross, kann das auf eine zu geringe Wasseraufnahme hindeuten.
Wasseruhren installieren, um Wasseraufnahme im Blick zu behalten
Die beste und kostengünstigste Möglichkeit, die Wasseraufnahme der Kühe zu kontrollieren, sei die Installation einer Wasseruhr, so Höltershinken. Diese gebe indirekt Aufschluss über die Qualität des Wassers. Durch die tägliche Kontrolle des Zählerstands, merke man bedeutend schneller, wenn sich die Qualität und der Geschmack des Wassers verändere, als wenn man auf Ergebnisse einer Wasseruntersuchung vertraue, die einmal jährlich durchgeführt wird.
Mögliche Ursachen für den Wasserverzicht
- steigende Aussentemperaturen
- ein zu enges Tier-Tränke-Verhältnis
- falscher Standort der Tränken – Alphatiere blockieren Tränken, und der Rest kommt nicht vorbei
- Funktionsmängel der Tränke
- falscher Tränketyp – auf automatische Drucktränken umsteigen; Zungentränken schaffen nicht den richtigen Durchlauf für die Milchproduktion
- Kriechstrom an der Tränke – Rinder reagieren empfindlich auf Strom (wenn man selbst ein Kribbeln fühlt, ist es für Rinder schon zu viel); von einem Elektriker machen lassen
- verschmutzte Tränken
- schlechte Wasserqualität
- zu viel Eisen im Wasser (>3 mg/l) – aufgrund des Metallgeschmackes wird das Wasser nicht mehr gerne angenommen
- Verhaltensänderungen bei wachsenden Rindern – es wird mehr Wasser benötigt.
Wasserbedarf vom Rindvieh
5°C | 15°C | 28°C | ||
Kalb | 90 kg LG | 8 l/Tag | 9 l/Tag | 13 l/Tag |
Kuh trocken | 630 kg LG | 37 l/Tag | 46 l/Tag | 62 l/Tag |
Kuh laktierend | 9 kg Milch/Tag | 46 l/Tag | 55 l/Tag | 68 l/Tag |
Kuh laktierend | 45 kg Milch/Tag | 122 l/Tag | 143 l/Tag | 174 l/Tag |
Laktierende Kühe haben einen Wasserbedarf zwischen 50 und 200 Liter pro Tag – je nach Alter, Aussentemperatur, Fütterung und Milchleistung. Die Tabelle verdeutlicht, wie unterschiedlich die Wasseraufnahme bei den verschiedenen Aussentemperaturen, Milchleistungen und Alters- bzw. Laktationsstadien in Liter pro Tag sein kann.(Quelle Strickhof)
Gestaltung des Tränkeplatzes
Empfohlene Masse Tränketrog | |
Höhe Wasseroberfläche ab Boden | 60 cm bis max. 80 cm |
Breite | zirka 20 cm |
Wassertiefe | mind. 7 cm |
Länge | 10 cm pro Kuh, max. 15 bis 20 Kühe pro Trog |
Wasserdurchfluss | mind. 15 bis optimal 20 Liter pro Minute |
Der Trinkplatz sollte entsprechend den Bedürfnissen der Kuh angepasst werden. Folgende Masse in der Tabelle entsprechen einer idealen Tränkestelle für Kühe in Laufställen.(Quelle Strickhof)
Checkliste für die ideale Wasserversorgung beim Rindvieh: Strickhof-Faktenblatt «Wasserversorgung Rindvieh», Seite 9.