Es ist das zweite Mal, dass die Schweiz mit einer Rückstufung des Wolfs von «streng geschützt» auf «geschützt» bei der Berner Konvention abblitzt. Wie BirdLIfe, Pro Natura, die Gruppe Wolf Schweiz und der WWF in einer gemeinsamen Mitteilung schreiben, ist der Antrag klar abgelehnt worden.
In Europa keine bedrohte Art
Die Grundlage für die Entscheidung des Ausschusses legte ein Bericht zum aktuellen Bedrohungsstatus des Wolfs in Europa. Er sollte den Mitgliedern ein Bild davon vermitteln, wie es um diese Art steht. Tatsächlich sei der Erhaltungszustand des Wolfs auf europäischer Ebene unbestreitbar positiv und man könne ihn als «least concern» – nicht vom Aussterben bedroht – auf der europäischen Roten Liste aufführen, heisst es im Bericht.
In kleinen Ländern braucht es immer Schutzmassnahmen
Abhängig von der Landesgrösse und dem national festgelegten Wolfsmanagement sowie einer Fülle weiterer Faktoren variiere allerdings der Erhaltungsstatus des Wolfs, fahren die Autoren fort. Da es auf europäischer Ebene oder schon nur unter mehreren Ländern kein gemeinsames Vorgehen gebe, müssen gemäss Bericht die Wolfspopulationen jeweils als eigenständig betrachtet werden. Dies obwohl ebenfalls erwähnt wird, dass sich Wölfe vielerorts grenzüberschreitend angesiedelt haben. «Das Resultat dieser Situation ist, dass mehrere kleine Länder kleine Wolfsbestände haben, die vollen Schutz brauchen», heisst es weiter. Das werde auch so bleiben. Nur wenige Länder Europas seien gross genug, um alleine eine lebensfähige und unbedrohte Population zu haben.
Alpine Population «potenziell gefährdet»
Für die Wolfspopulation im Alpenraum kommt der Bericht zu dem Schluss, sie als «potenziell gefährdet» einzustufen. Zwar wachse der Bestand schnell und stetig mit 10 bis 20 Prozent jährlich, die Tiere seien aber weit verstreut, die Lebensräume fragmentiert und es gebe erste Hinweise auf eine zunehmende Vermischung mit Haushunden, so die Begründung. Auch sei die effektive Anzahl Wölfe im Alpenraum schwer abschätzbar.
Die Umweltverbände argumentieren mit dem potenziellen Gefährdungsstatus alpiner Wölfe, dass die in der Schweiz angepeilte Lockerung des Wolfschutzes im Rahmen des revidierten Jagdgesetzes unangebracht sei.
«Schweizer Wolfspolitik unterliegt einer Illusion»
Anzunehmen, dass die Schweiz dank präventiver Abschüsse und mehr Entscheidungskompetenz für die Kantone bei der Zumutbarkeit von Herdenschutzmassnahmen eine «schadensfreie Zone» wird, halten Pro Natura und Co. für illusorisch. «Wölfe werden weiter in unserem Land sowie aus Nachbarländern zuwandern», geben sie zu bedenken. Der Entscheid der Berner Konvention zeige, dass die Schweizer Wolfspolitik auf einem Irrweg sei. Es brauche eine grenzüberschreitende Koordination der Regulation von Wolfsbeständen.
Wenige Anpassungen bis zum Ziel
Nach Ansicht der Umweltverbände bräuchte es nur «wenige, aber entscheidende» Anpassungen, um den Gesetzesvorschlag rasch und flexibel umsetzbar zu machen. So würde er die Berner Konvention einhalten und trotzdem mehr Handlungsspielraum gewähren. Man verlangt nun von der Politik eine substanzielle Nachbesserung.
Vier Hauptgefahren für den Wolf
Der Bericht zum Erhaltungsstaus des Wolfs in Europa empfiehlt ein länderübergreifendes Management, das sich allerdings an einem gemeinsamen Aktionsplan orientieren müsse. Neben den bekannten Gründen für eine Gefährdung (Schäden am Nutztierbestand, Konkurrenz um Wild mit menschlichen Jägern sowie Angst und Intoleranz gegenüber den Grossraubtieren), sieht man vier Hauptgefahrenquellen für europäische Wölfe:
Grenz- und Seuchenzäune: Beim Versuch, Migrationsströme oder die Ausbreitung von z. B. der Afrikanischen Schweinepest (ASP) einzudämmen, werden insbesondere Populationen im Osten und Zentraleuropa zunehmen isoliert bzw. fragmentiert.
Mangelndes Management: In der Balkanregion gebe es zu wenig Überwachungsmassnahmen, viel Wilderei und generell nicht genug Anstrengungen für den Artenschutz beim Wolf.
Mischlinge: Die Vermischung von Wolf und Hund trete vor allem in südlichen und östlichen Wolfspopulationen auf. Hier brauche es mehr Anstrengungen, um sogenannte Hybridisierungen zu verhindern.
Soziale Konflikte: Wo Wölfe zum Symbol würden für grössere soziale Spannungen, komme es zu einer Instrumentalisierung der Tiere für politische Zwecke, steht im Bericht. Solche Situationen würden die gesellschaftliche Akzeptanz der Tiere schmälern und die Rolle der Wissenschaft für die Ausgestaltung des Managements schwächen.