Am 22. September stimmen wir über die Biodiversitäts-Initiative ab. Es bleiben also genau drei Monate, um die Stimmbevölkerung von einem Nein zu überzeugen. Warum ist das für die Landwirtschaft wichtig?

Wird die Initiative angenommen, müssen sehr grosse Flächen zusätzlich für die Biodiversität reserviert werden. Der Initiativtext ist zwar relativ offen formuliert. Die Umweltschutzorganisationen – die hinter der Biodiversitätsinitiative stehen – haben ihr Ziel aber klar und offen formuliert: 30 Prozent der Landesfläche soll für die Biodiversität zur Verfügung stehen! Gleichzeitig sagen sie, dass heute erst 8 Prozent ausreichend geschützt sind. Das heisst: Mit der Annahme der Initiative müssen weitere 22 Prozent oder fast 900'000 ha in erster Linie der Förderung der biologischen Vielfalt dienen. Das entspricht der Fläche der Kantone Waadt und Bern zusammen. Und vor allem: Sie möchten diese Flächen in den kantonalen Richtplänen ausweisen und damit auch rechtlich fixieren.

Mehr Nahrung importieren?

Für die Bauernfamilien bedeutet dies auch bei einer abgeschwächten Umsetzung: Sie können grosse zusätzliche Flächen nicht oder nur mehr eingeschränkt für die landwirtschaftliche Produktion und die Bereitstellung von Lebensmitteln nutzen. Gleichzeitig wissen wir, dass wir diese sehr wohl brauchen. Wir müssen also noch mehr Essen importieren.

Aber nicht nur die Landwirtschaft ist von dieser Initiative betroffen. Die Wald- und Forstwirtschaft würde auch massiv eingeschränkt. Der Tourismus könnte kaum mehr Infrastrukturen wie Seilbahnen bauen. Die Energiewirtschaft wäre ebenfalls betroffen, weil beispielsweise kaum mehr neue oder Erweiterungen von Stauseen möglich wären. Zur Deckung unseres Bedarfs müssten wir folglich auch mehr Holz und Strom importieren. Auch aus Regionen, in denen die Ökologie wesentlich weniger zählt als in der Schweiz. Die Biodiversitäts-Initiative folgt daher der Logik «aus den Augen, aus dem Sinn». Dazu kommt, dass es in der Initiative auch um die sogenannte Erhaltung der Baukultur in den geschützten Gebieten geht. Viele neue Auflagen im Bereich Denkmalschutz würden das Bauen weiter verteuern. Insgesamt würden die ländlichen Regionen in ihrer Entwicklung weitgehend ausgebremst. Der ländliche Raum würde zu einer Art «Ballenberg».

Einheitliche Überzeugungsarbeit

Die Biodiversität ist wichtig, das bestreitet niemand. Für die Landwirtschaft gilt das besonders. Denn viele Kulturpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Doch es hat sich in den letzten Jahren viel getan. Unterdessen dient jede 5. Hektare Landwirtschaftsland der Förderung der biologischen Vielfalt. Um noch mehr Wirkung zu erzielen, braucht es nicht in erster Linie mehr Fläche, sondern eine gute Qualität der bestehenden.

In den verbleibenden knapp 100 Tagen müssen wir aufzeigen, dass wir bereits viel für die Biodiversität tun und auch die extremen Folgen, die eine Annahme für die einheimische nachhaltige Lebensmittel-, aber auch Holz- und Stromproduktion hätte. Um ein klares Nein zu erreichen, ist Engagement gefragt! Bäuerinnen und Bauern sind die glaubwürdigsten Botschafterinnen und Botschafter für die Anliegen der Landwirtschaft. Neben der eigentlichen Überzeugungsarbeit gilt es, uns wohlgesonnene Kreise effektiv an die Urne zu bringen, um ein Nein einzulegen. Es braucht also Mobilisation. Danke für eure Unterstützung, damit wir keine böse Überraschung erleben!

Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband