Es ist immer herrlich, Ehepaaren zuzuhören, wenn sie über ihre Vorlieben bei der Wahl des Fernsehprogramms plaudern. Die Auswahl könnte vielseitiger nicht sein, doch am Sonntagabend wird meistens zwischen einer Rosamunde-Pilcher-Schnulze und einem Krimi entschieden.

Wenn schon ein Herzschmerz-Film, dann «Ueli der Knecht»

Die reiferen Frauen – auch ich – ziehen oftmals einen spannenden Krimi dem sich immer wiederholenden Liebesherzschmerz-Gesülze vor. Einzig die stattlichen Herrschaftshäuser, die prächtigen Inneneinrichtungen und herrlichen Gärten können in mir bei diesem Herzschmerz eine gewisse Begeisterung auslösen.

Wenns denn unbedingt Herzschmerz sein muss, dann bevorzuge ich eindeutig einen «Ueli der Knecht» mit dem herzallerliebsten Vreneli und der Glunggenbäuerin. Die Gotthelf-Verfilmungen, aber auch seine gesamte Literatur, sind für mich so eine Art Lebensknigge. Seine Ideale von Fleiss, Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Redlichkeit und Heimatliebe wurden mir in der Kinderstube vermittelt und auch ich habe es meinen Kindern so auf den Lebensweg mitgegeben.

Zurück zu Gotthelf und zu 2,4 Millionen Einwohnern

Ich bin mir bewusst, die Ideale Gotthelfs sind in der heutigen Gesellschaft Schnee von gestern – doch auf die Landwirtschaft bezogen sollen Gotthelfs Zeiten wieder eingeführt werden. Ein Bauernhof mit fünf bis zehn Kühen, ein Güggel mit acht Hühnern, ein Schwein, ein Gemüse- und Baumgarten, ein Kartoffel- und Getreideäckerli, Blumenwiesen, einen pflügenden Ochsen, und, und, und.

Gotthelf lebte übrigens von 1797 bis 1854. Die Eidgenössischen Volkszählungen begannen zu Gotthelfs Zeiten, nämlich 1850. Damals hatte die Schweiz rund 2,4 Millionen Einwohner und heute sind wir bei knapp 8,7 Millionen angelangt. Als Bauernfrau sage ich dazu: Ja gerne und zurück zu Gotthelf, aber subito bitte! Weg mit den zusätzlichen 6,3 Millionen Menschen, weg mit der Technik und den Maschinen (in allen Sparten, nota bene!), weg mit den Pestiziden und zurück zur Handarbeit und Ja zu weniger Fleisch. Es lebe der Sonntagsbraten und die Brotsuppe unter der Woche.

Üble Vorwürfe bei Standaktionen

Doch was erleben wir heute? Es herrscht der totale Ausnahmezustand. Den habe ich letzten Samstag anlässlich einer Standaktion zu den Agrar-Initiativen in der Stadt Schaffhausen hautnah erlebt. Die Gift-Vorwürfe, die wir uns anhören mussten, waren übelst. Zudem wurde uns von den «sauberen Trinkwässlern» unser bewilligter Standplatz förmlich streitig gemacht und die Klimajugendlichen halfen fleissig mit.

Nach diesem Knochenjob habe ich mir zu Hause zur Entspannung «äs Käfeli gmacht» und eine Illustrierte überflogen. Und da schaut mich ganzseitig ein süsses Baby an, welches angeblich mit Pestiziden aus der Landwirtschaft vergiftet wird. Mir fehlen die Worte ob diesem Rufmord!

Liebe Bäuerinnen, liebe Bauern und liebe Bauernkinder, es herrscht totaler Ausnahmezustand und mir blutet das Herz, ob dem Dreck, mit welchem unser Berufsstand (zum Teil aus den eigenen Reihen) beworfen wird. Nichtsdestotrotz, auch diesen Samstag bin ich an der Standaktion in Schaffhausen und denke einfach an Winkelried. Von Herzen wünsche ich Ihnen allen viel Kraft und Danke fürs tägliche Schaffen zum Wohle unserer 8,7 Millionen Einwohner.

 

Zur Autorin

Virginia Stoll ist Geschäftsführerin des Schaffhauser Bauernverbands. Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.