Wie sehr hat Sie das doch deutliche Nein gegen die beiden Agrar-Initiativen überrascht?
Mit einem solch deutlichen Ergebnis durften wir nicht rechnen. Die Umfragen waren wesentlich zurückhaltender. Umso grösser war die Freude.
Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass die Abstimmung doch so gut für die Landwirtschaft ausgegangen ist?
Das Engagement unserer Bauernfamilien für ein Zweimal-Nein war enorm. Flächendeckend in der ganzen Schweiz wurde mit viel Herzblut Überzeugungsarbeit geleistet. Deshalb ist es ein Erfolg der Bäuerinnen und Bauern. Das grosse Vertrauen, das uns geschenkt wurde, haben sie sich mit vielen weiteren Helferinnen und Helfern, verdient.
Wie gross ist Ihre Erleichterung?
Sehr gross. Die beiden Initiativen waren extrem formuliert und hätten bei einer Umsetzung gemäss dem Verfassungstext sehr viele Landwirtschaftsbetriebe in ihrer Existenz gefährdet.
Es wird viel über die Entfremdung zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Bevölkerung geschrieben und geredet, ist dieser Entscheid der Stimmbevölkerung der Gegenbeweis?
Es ist in der Tat ein grosser Vertrauensbeweis für die Schweizer Landwirtschaft. Trotz jahrelangem, teilweise aggressivem Medienbashing gegen die Landwirtschaft konnte eine grosse Mehrheit der Bevölkerung überzeugt werden.
Wie wollen Sie die 40 % der Bevölkerung an Bord holen, die den Initiativen zugestimmt haben?
Alle werden wir nie überzeugen können. Wir werden aber dort, wo es möglich ist und die Gegenseite mit uns ebenfalls bereit ist in einen konstruktiven Dialog zu treten, das Gespräch suchen. Es bleibt aber unsere Aufgabe, die Anliegen der Schweizer Bauernfamilien zu vertreten.
Die Befürworter(innen) der Initiativen sagen, nun müsse die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten und ihre Versprechen einhalten. Sie haben im Interview mit der NZZ darauf verweisen, dass das Parlament im Frühling das strengste Pestizidgesetz in ganz Europa beschlossen habe. Wie ambitioniert ist dieses Paket? Es enthält Punkte wie zum Beispiel die Streichung der 10%-Toleranzgrenze der Suisse-Bilanz. Ausserdem soll die Proteinversorgung der Tiere vorwiegend mit betriebseigenem Futter sichergestellt werden.
Dieses Paket ist sehr ambitioniert. Zur Zeit läuft bei unseren Mitgliedsorganisationen die interne Vernehmlassung. Diese werden wir auswerten und der Landwirtschaftskammer für die Sitzung vom 19. August die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen vorlegen.
Den letzten Punkt kritisieren Sie im Interview mit der «NZZ» - warum?
Weil für die Wiederkäuer die höhere Beitragsstufe bei diesem Produktionssystembeitrag gewährt wird, wenn kein Gras, Heu oder Grassilage zugekauft wird. Dafür können Mais, Getreide oder Zuckerrübenschnitzel ergänzt werden. Ist dies Wiederkäuergerecht, wenn in einem solchen Programm kein Heu oder keine Grassilage mehr zugekauft werden dürfen?
Wo sehen Sie weitere kritische Punkte oder Änderungsbedarf?
Zu Diskussionen Anlass geben wird sicher auch der sehr ambitionierte Absenkpfad bei den Nährstoffen oder die Streichung der Toleranz in der Nährstoffbilanz für Stickstoff und Phosphor.
Kommen wir zurück zum Abstimmungskampf, dieser war teilweise sehr gehässig und hat Gräben aufgerissen. Wie wollen Sie diese wieder zuschütten?
Wir wollen den Dialog mit den konstruktiven Kräften suchen. Es braucht dazu ein gegenseitiges Verständnis für die Sichtweise des anderen. Für uns ist es aber wichtig, dass Vorschläge auch praxisgerecht und umsetzbar sind.
Im Abstimmungsstudio von «SRF» haben Sie die persönlichen Angriffe und Vorwürfe an die Adresse der Bauernfamilien kritisiert. Was meinten Sie damit?
Seit dem 5. August des letzten Jahres läuft die Kampagne «Agrarlobby stoppen» der Umweltverbände, geführt vom WWF. Finanziert wird diese millionenschwere Kampagne mit Geldern aus der Mava Stiftung, die wiederum von einem Hofmann (Pharma) Erben alimentiert wird. Mit dieser Kampagne wird auf den Schweizer Bauernverband gezielt. Ganz bewusst werden Personen verunglimpft, das heisst auf den Mann geschossen.
Glauben Sie, dass in Zukunft wieder eine sachlichere Diskussion, die auf Argumente setzt, mit den Umweltverbänden oder anderen politischen Opponenten möglich ist? Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich an die Gegenseite?
Mit den Umweltverbänden ist es auf der jetzigen Grundlage sehr schwierig. Wichtig sind Fairness und gegenseitiger Respekt. Es geht um die Sache und nicht darum andere Personen fertig zu machen. Dies ist undemokratisch und unschweizerisch.
Der Schweizer Bauernverband hat am Sonntag nicht nur gewonnen. Das CO2-Gesetz ist knapp gescheitert. Was bedeutet das für den Klimaschutz in der Schweiz?
Grundsätzlich gibt es auf der gesetzlichen Stufe einen Marschhalt. Die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen bestehen aber weiterhin. Das Parlament wird nun nach neuen Lösungen suchen müssen.
Sie haben kritisiert, dass das CO2-Gesetz gleichzeitig mit den Agrar-Initiativen zur Abstimmung gekommen ist und angedeutet, das Scheitern könnte damit zusammenhängen, wie meinen Sie das?
Wir haben Bundesrätin Sommaruga frühzeitig gebeten, das CO2 Gesetz nicht am gleichen Tag zur Abstimmung zu bringen, wie die beiden Agrarinitiativen. Die Agrarinitiativen haben unsere Existenzen in Frage gestellt. Deshalb mussten wir uns mit aller Kraft dagegen wehren. Die Kampagne war deshalb wuchtig, die Mobilisierung im ländlichen Raum enorm, die Stimmung für Umweltanliegen und zusätzliche Kosten nicht gerade freundlich. In diesem Umfeld hatte es das CO2-Gesetz, trotz Ja-Parole des Bauernverbandes, schwer.
Nun, da der 13. Juni hinter Ihnen liegt, wo liegen in der Agrarpolitik die nächsten grossen Baustellen?
Am 6. September kommt die Massentierhaltungsinitiative in die WAK-N. Zuerst finden dazu Anhörungen statt. Zur Zeit laufen die Vernehmlassungen zu den Gegenvorschlägen zur Biodiversitätsinitiative und zur Landschaftsinitiative. Bei Letzterer geht es um die Raumplanung ausserhalb des Baugebietes. Zur Zeit haben wir auch Gelegenheit Stellung zu nehmen zum ersten Verordnungspaket zur parlamentarischen Initiative 19.475 (Pestizidgesetz). Zur Agrarpolitik 2022+, die vom Parlament sistiert wurde, läuft die Erarbeitung des Postulatsberichtes. Dort sind wir in Arbeitsgruppen mit dabei.Kurzum: Es ist weiterhin viel Betrieb in der Agrarpolitik.