Immer mehr Menschen legen Wert auf Nachhaltigkeit im Alltag; nicht nur beim Essen, sondern auch beim Waschen. Vermehrt wird in der Werbung «Waschen bei tiefen Temperaturen» als sehr umweltschonend angepriesen. Doch schont dies wirklich die Umwelt, und geht es starkem Schmutz und Geruch auch bei tiefen Temperaturen an den Kragen?

Vier Faktoren für die Sauberkeit

«Am nachhaltigsten ist, nur so oft wie nötig zu waschen», sind sich Marlys Wyss, Senior-Chefin der Firma Wyss Mirella, die gleichnamige Schweizer Waschmaschinen herstellt, Claudine Märki,  Liebegg, und Martha Gabi, Inforama, einig. Die beiden Letzteren unterrichten Bäuerinnen im Modul «Reinigungstechnik und Textilpflege». In der Regel wasche man heute viel zu oft. In der Schweiz sind das im Schnitt vier Kilogramm Wäsche pro Person und Woche, weiss Marlys Wyss.

Wer den Mechanismus des Waschens verstehen wolle, müsse über den Sinnerschen Kreis Bescheid wissen (siehe Box), meint Claudine Märki. Hat man ihn verstanden, kann man nicht eindeutig mit Ja oder Nein auf die Frage, ob Waschen mit tiefen Temperaturen Sinn macht, antworten. «Für Kleider mit leichter Verschmutzung, wie z. B. Bürokleider, macht es durchaus Sinn. Für Kleider von Kleinkindern oder stark verschmutzte Stallkleider, ganz klar nein», sagt Martha Gabi. Sie lehrt an der Bäuerinnenschule, dass Arbeits- oder Stallkleider mit 60°C plus eventuell Vorwaschen sehr sauber werden. 

 

Der Sinnersche Kreis

Der Sinnersche Kreis beschreibt den Wirkungsmechanismus beim Waschen (wie auch bei der Reinigung). Er geht davon aus, dass in einem Kreis die vier Faktoren  

  • Chemie (Waschmittel)
  • Mechanik 
  • Temperatur
  • Zeit

zu je einem Viertel dafür verantwortlich sind, dass die Wäsche sauber wird. Verändern wir einen der Faktoren, müssen die anderen angepasst werden. Im Beispiel «Waschen mit tiefen Temperaturen» verringern wir die
Temperatur. Folglich müssen die anderen Faktoren mehr leisten, sprich, man müsste z. B. ein anderes Waschmittel wählen oder durch Einweichen die Zeit verlängern, in der die Textilien im Kontakt mit dem Waschmittel
sind.

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Der Sinnersche Kreis zeigt das Zusammenspiel von Chemie, Mechanik, Temperatur und Zeit auf.(Quelle Miele, Grafik BauZ)

 

Gegen starken Geruch und starken Schmutz vorwaschen und einweichen

Beim Vorwaschen gehe es in erster Linie dem Grobschmutz an den Kragen. «Die Programm-Temperatur wird dabei noch nicht erreicht, denn wird die Temperatur zu schnell zu heiss, können Eiweissflecken, wie z. B. Blut, einbrennen», erklärt Marlys Wyss. Erst bei der Hauptwäsche werde die Temperatur des Programms erreicht «und die Wäsche wird richtig sauber», ergänzt sie.

«Ich finde das Einweichen von stark verschmutzter oder stark riechender Wäsche in Wasser mit einem enzymhaltigen Waschmittel versehen eine gute Lösung», meint Claudine Märki. Ganz praktisch geht das in Waschmaschinen, die ein Einweichprogramm haben. 

Für Hygiene und Pandemie-bedingt mit 60°C waschen

«Es ist eine Frage des Gesichtspunkts», meint Marlys Wyss, «ob Waschen mit tiefen Temperaturen Sinn macht». Ist einem die Energieeinsparung wichtig, dann sei es durchaus sinnvoll. Stehe hingegen die Hygiene im Vordergrund, dann eher nicht. Wer in einem Mehrfamilienhaus wohne, sollte wegen der Hygiene mindestens den ersten Durchgang im 60°C-Programm waschen, und sie plädiert bei Arbeitskleidern auf 60°C plus Vorwäsche. Ausserdem rät Wyss mindestens jede fünfte Wäsche oder alle 14 Tage eine Wäsche mit 60°C zu waschen. «Waschen wir nur noch mit tiefen Temperaturen, also mit 20 bis 40°C, wächst in der Maschine ein Biofilm. Diesen nehmen wir häufig als schlechten Geruch in der Wäsche wahr.»

Unbedingt mit 60°C sollte man die Wäsche von Corona-erkrankten Personen waschen, rät Martha Gabi. Das Programm müsse so gewählt werden, dass die Temperatur mindestens 20 Minuten gehalten werde, damit die Wäsche hygienisch sauber sei. 

 

Tipps: Beim Waschen die Umwelt schonen

Nur Waschen, wenn nötig

  • Eventuell die Wäsche auslüften.
  • Als Schutz vor Verschmutzung Überkleider oder Schürzen tragen. 

Verzichten auf

  • Vollwaschmittel
  • Weichspüler
  • Waschduft

Stattdessen ein Baukasten-Wachmittel, bestehend aus Enthärter, Basiswaschmittel und eventuell Bleichmittel, verwenden und das Waschmittel richtig dosieren.

Trommel richtig befüllen

  • Keine einzelne Wäschestücke in einer Sechs-Kilogramm-Trommel waschen.
  • Die Trommel auch nicht zu voll stopfen, sonst wird die Wäsche nicht mehr sauber.
  • Beim Einkauf der Kleider darauf achten, dass man Farben und Materialen kauft, mit denen man eine Trommel füllen kann. Ein einzelnes weisses T-Shirt macht waschtechnisch wenig Sinn.

Die Waschmaschine pflegen, dann lebt sie länger 

  • Waschmittelschublade, Bullauge und Filter putzen, wobei neue Maschinen keine Filter mehr haben.
  • Ab und zu einen Reinigungs-Durchgang ohne Wäsche bei 80°C mit Waschmaschinenreiniger.
  • Bullauge und Dosierschublade offenlassen, so kann die Maschine austrocknen.
  • Darauf achten, dass keine Fremdkörper in die Maschine gelangen. Taschen der Kleider kontrollieren und Bügel-BH in Wäschesäcklein waschen.

Auch noch wichtig: Die Wahl der richtigen Maschine 

  • Langlebige und robuste Maschinen kaufen, die repariert werden können.
  • Maschinen wählen, bei denen das Programm selbstständig zusammengestellt werden kann, z. B. stufenlose Temperaturwahl.
  • Geräte mit Einweichprogramm sind praktisch.