Der Absatz für Labelfleisch stockt. Das sorgt bei zahlreichen Produzenten für Verärgerung, auch weil die Gesellschaft immer höhere Anforderungen an die Landwirtschaft stellt.

Die stagnierenden Zahlen kann man allerdings nicht nur inkonsequenten Konsumenten anlasten. Vielemehr liegt der stockende Absatz auch in der Preispolitik der Detailhändler und Discounter begründet. Das zeigt eine Recherche, welche der Schweizer Tierschutz STS heute veröffentlicht hat.

Label mit tiefen Bruttomargen

Wie das Papier zeigt, sind die Bruttomargen auf Labelfleisch ungleich höher als diejenigen auf konventioneller Ware, und zwar ohne Berücksichtigung von Aktionen und Importen (s. Tabelle und Grafik unten). Alle Anzeichen deuteten laut STS darauf hin, «dass die Verkaufspreise in konventionellen Sortimenten künstlich tief gehalten werden, um im umkämpften Markt preislich konkurrenzfähig zu sein», heisst es im erwähnten Papier.

Diese Entwicklung ist laut dem STS doppelt problematisch. Zum einen würde dabei die gezielte Förderung Nachhaltiger Produkte unterlassen und zum anderen entstünden so überhöhte Preisdifferenzen zu den Labelprodukten.

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Stockender Labelfleisch-Absatz. Wie die Prozentanteile an den total geschlachteten Tieren von 2006 bis 2018 zeigen, sind Entwicklungen in verschiedene Richtungen zu beobachten. (Grafiken BauZ, Quelle STS)

Konventionelle «Kampfpreise»

Durch das Anbieten von konventionellem Fleisch zu «Kampfpreisen» entsteht laut dem Papier eine «verzerrte Marktsituation mit Preisdifferenzen, die sich auch durch die speziellen Kostenelemente der Labelproduktion nicht rechtfertigen lassen, so erläutert der STS.

Das führe letztlich dazu, dass sich die Produzenten von Labelfleisch «nicht proportional am Markterfolg beteiligen können», schreibt die Tierschutzorganisation weiter. «Ein Preissystem, das die erzielten Mehrwerte nicht dem Erzeuger zukommen lässt, kann nicht als fair bezeichnet werden», kritisiert der STS. Er sieht darin auch einer der Hauptgründe, warum die Tierwohlbewegung in der Schweiz zu scheitern drohe, wie es im Papier heisst.

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Die Grafik zeigt die durchschnittlichen Margen der Grossverteiler und Discounter in Prozenten für vier Standardprodukte. 100% entsprechen dem Produzentenpreis, alles darüber ist die Bruttomarge.(Quelle STS)

Die vier Forderungen des STS

Um dies zu verhindern, stellt die Organisation eine Reihe von Forderungen an «Marktakteure, Konsument(innen) und Politik», die sie gemeinsam mit der Publikation der Recherche präsentiert. Die ersten drei richten sich an die Marktakteure:

1. Verantwortung für ethisch verantwortungsvolle Produktion mit konkreten Schritten: Die Fleischbranche, der Detailhandel und die Konsument(innen) haben laut STS Verantwortung für die «ethisch verantwortungsvolle Produktion» zu übernehmen und Transparenz herzustellen. Es sollten konkrete Schritte mit verbindlichen Massnahmen in die Wege geleitet werden. Die konkreten Massnahmen sollen aufzeigen, wie die Labelabsätze kurz- (1./2. Halbjahr 2020), mittel- (2021) und langfristig (2022) angekurbelt werden können.

2. Annäherung der Verkaufspreise und Kostenwahrheit hinsichtlich Tierwohl: «Missverhältnisse zwischen den Rohstoff- und Konsumentenpreisen sind zu beseitigen», so die Forderung des STS, das betreffe insbesondere die Preispolitik zu Tiefstpreisen bei den konventionellen Sortimenten, weil dadurch nachweisbar der Absatz von Label- und Bioprodukten Schaden nehme. «Wir fordern nachvollziehbare Relationen zwischen den Label- und konventionellen Sortimenten, damit die KonsumentInnen wieder vermehrt Labelprodukte kaufen», heisst es im Papier. Mit konkreten Massnahmen sollten Marktverzerrungen bei den Preisen behoben und die Labelsortimente attraktiver positioniert werden.

3. Gerechte Abgeltung der bestellten Tierwohl-Leistungen: Es seien gerechte Einkommensverhältnisse für alle Marktpartner zu schaffen, so die dritte Forderung. Die Kosten der «bestellten» Tierwohl-Zusatzleistungen seien den Produzenten kostendeckend abzugelten. Die Preiskorrekturen an der Ladenfront dürften nicht alleine über eine Reduktion der Produzentenpreise stattfinden. Die Abgeltung der Mehrwerte von Tierwohl-Leistungen müsse «fair» sein und in nachvollziehbarem Verhältnis zum Verkaufspreis stehen.

4. Anreize für Tierwohl-Leistungen und Ausbau der Tierwohl-Programme: So lautet die explizit an die Politik gerichtete vierte Forderung. Der Bund solle Anreize schaffen, damit die Erzeugung von Tierwohl-Leistungen attraktiver wird. Die AP 22+ müsse derart ausgestaltet werden, dass «wer mehr Tierwohl produziert, mehr Beiträge erhalten muss», so der STS. In den Tierwohlprogrammen sollten deshalb deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.

     
  

GrossverteilerProduzentenanteil in %

DiscounterProduzentenanteil in %

Produzentenanteil in Woche 49/2019in CHF/kg SG

Rind(alle Produkte)

konventionell

52%

57%

9.50

Label

35%

48%

10.10/12.10*

bio

33%

50%

9.50/11.70/12.50*

     

Schwein(alle Produkte)

konventionell

19%

22%

4.65

Label

13%

19%

4.95/5.15*

bio

14%

16%

6.50

* entspricht je nach Produkt unterschiedlichen Label-Produzentenpreisen

Je höher die Labelanforderungen, desto tiefer ist der Anteil der Produzenten am Ladenpreis.(Quelle: STS)

 

Grossverteiler weisen Vorwürfe zurück

Die Grossverteiler und Discounter weisen die Kritik des Schweizer Tierschutzes zurück. Migros-Sprecher Patrick Stöpper erklärt auf auf Anfrage: «Fakt ist, dass Label- und Biofleisch in der Beschaffung teurer ist». Daneben entstünden Zusatzkosten an die Labelgeber wie IP-Suisse und Bio Suisse, als auch Forschungsbeiträge der Migros zur Entwicklung von Labelprogrammen. «Weiter entstehen durch getrennte Warenflüsse in der Verarbeitung Zusatzkosten – inkl. Kosten durch die notwendige Vollverwertung der Tiere», so Stöpper, «wir streben für unsere KundenInnen im Gesamtwarenkorb das beste Preis-Leistungsverhältnis an». Nebst dem breiten und tiefen Sortiment, profitierten die Kunden von sehr attraktiven Aktionspreisen. Dies solle bei der Margenberechnung auch immer berücksichtigt werden.

Auch Coop stellt überhöhte Margen in Abrede: «Die in der Studie aufgeführten Berechnungen treffen auf Coop nicht zu», schreibt Sprecherin Andrea Bergmann auf Anfrage. Zudem seien wesentliche Kostenfaktoren nicht berücksichtigt, so etwa Labelabwertungen von Teilstücken und Aktionen. Man verdiene unter dem Strich an Label- und Biofleisch nicht mehr als an konventionellem Fleisch. «Wir setzen uns bei all unseren Produkten für faire und marktgerechte Preise ein - sowohl gegenüber den Produzenten wie auch gegenüber unseren Kundinnen und Kunden», so Coop.

Denner, der kein Biolabel führt, will laut laut einem Artikel im Berner «Bund» auch künftig hochwertiges Fleisch zu attraktiven Discountpreisen anbieten. Lidl und Aldi wiederum möchten ihr Fleisch weiterhin zum besten Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten, wobei Aldi wie Migros zusätzlich die höheren Produktionskosten von Labelfleisch hervorhob.